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Steuerung, ALT, Entfernen

Dürfen Medien von den Amazon-Drohnen berichten?

Vor kurzem kündigte Amazon-CEO Jeff Bezos ein Drohnen-Zustellservice für Amerika an. Das Ganze ist natürlich ein reiner PR-Stunt—was es besonders schwierig macht, darüber zu berichten, ohne selbst PR zu machen. Wir versuchen es trotzdem.

Sex zur Musik auf VH1 Classic, Dinge online bestellen und Nicolas Cage. Das sind die Top 3 der besten Dinge auf dem Planeten—zumindest, bis China es geschafft hat, uns von den Qualitäten von asiatischem Jodeln, stundenlanger Minenarbeit statt Konsumismus und Jackie Chan zu überzeugen. Bis es soweit ist, wird der Bestell-Anbieter Amazon als einer der drei Hauptfaktoren von (westlicher) Glückseligkeit bestehen bleiben.

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Und das, obwohl man noch Anfang dieses Jahres glauben hätte können, dass Amazon selbst die Guidelines im Umgang mit seinen Leiharbeitern direkt aus dem chinesischen Handbuch „Das Ein-mal-eins der geglückten Menschenrechtsverletzungen" übernommen hat. Damals stand der Online-Bestellservice gemeinsam mit der niederösterreichischen Leiharbeiterfirma Trenkwalder im Zentrum einiger herber Vorwürfe, was die Behandlung vor allem osteuropäischer Arbeiter durch vor allem deutschdeutsches Aufsichtspersonal anging. (Trenkwalder wies die Vorwürfe zurück, Amazon hält an der Kooperation fest.)

Foto: Amazon.com

Aber obwohl es der Skandal noch im Februar bis in die New York Times schaffte, haben die leicht irritierten Online-Kunden dem Bestellhaus spätestens jetzt—in der heißen Phase der vor Weihnachtsbestellungen glühenden Fiberglas-Leitungen—längst wieder jeden Ausrutscher verziehen. Man ist schließlich christlich und das Versprechen von World of Warcraft-mäßigem Geschenke-Farming via Clicks ist angesichts des draußen tobenden Winters einfach zu verheißungsvoll, als dass man für sein gutes Gewissen den Weg in den physischen Shop auf sich nehmen würde.

Der Weihnachtsfrieden ist also wieder hergestellt, und mit ihm die natürliche Ordnung der (momentan) ewigen Top 3. Um uns trotz dieser freiwilligen Gefügigkeit sicherheitshalber noch mal daran zu erinnern, dass Amazon wirklich das bessere Einkaufszentrum ist, hat das Haus ohne Haus jetzt ein Video in die Adventszeit gehauen, das vor Zuversicht, Zeitoptimierung und Zukunftsorientiertheit nur so strotzt—und dabei doch nur ein inhaltsleerer PR-Gag ist. Es geht um den geplanten Drohnen-Zustelldienst:

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Anfang der Woche wurde dann—nach den anfangs aufgeregten Kurzschluss-Berichten, die vor erfürchtigem „Oh my gawd!!!" nur so strotzten—auch erste Kritik an der Eigen-PR laut. The Guardian konnte einfach nicht verstehen, wie nur so viele Medien auf den offensichtlichen Publicity-Stunt hereinfallen konnten; und im Colbert Report wurde sarkastisch darauf hingewiesen, dass der Drohnen-Zustelldienst mit Sicherheit eine tolle Versandmethode für Hauseigentümer darstellt, die in einer Gegend ohne Bäume, Stromleitunge, Handymasten oder sonstige Hindernisse leben.

Dass das alles an Das Wunder in der 8. Straße erinnert und passend zu Weihnachten die Online-Outlets diverser Tech-Seiten überflutet, ist natürlich kein Zufall. Besonders im Technologie- und Produktinnovations-Bereich ist das Internet oft übersensibilisiert, was das Aufspüren von und Reagieren auf potenzielle Nachrichten angeht. Gleichzeitig sind Tech-Blogger aber genau wie der Rest von uns nicht mit einem objektiven Bullshit-Filter ausgestattet, sondern anfällig für Geschichten—und was klingt im Advent besser als ein (womöglich) wahrgewordener Kindheitstraum, der geilen Zukunfts-Scheiß mit Retro-Bescherungsflair zu einer News-Meldung vom Format eines Tweets schnürt?

Wie es inzwischen aussieht, hat Amazon-CEO Jeff Bezos leider auch nicht wirklich mehr als 140 Zeichen zur Drohnen-Story in der Hinterhand. Die PR-Leier vom Angebot, das unsere Welt für immer verändern wird, kann man ihm aber trotzdem nicht vorwerfen. Wie sich herausstellt (und wie der New Yorker vor kurzem berichtete), hatte Steve Jobs bei der Einführung des ersten iPhones auch absolut keine Ahnung, was er da eigentlich der Welt vorstellen würde—zum Zeitpunkt seiner legendären Präsentation funktionierte offenbar noch absolut kein Feature, ohne das Gerät zum Absturz oder sogar zum sofortigen Auseinanderfallen zu bringen.

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Täuschung ist in Wahrheit nur unsexy, wenn sie vor dem Erfolg noch enttarnt wird. Alles andere nennt man schnell Genie und wird sofort in den Kanon jeder Marketing-Bibel aufgenommen. Das Problem mit den Amazon-Drohnen ist wenn, dann ein anderes.

Bei all dem medialen Hin und her zwischen aufgeregten Schulkindern und abgebrühten PR-Professoren stellt sich nämlich die Frage: Darf man über künstliche Hypes und Fake-Geschichten als halbwegs seriöses Medium überhaupt berichten? Oder macht man sich durch eine solche Berichterstattung in jedem Fall immer zum verlängerten PR-Arm der Hype-Urheber?

Der Ablauf ist dabei fast immer derselbe: Eine Handvoll Medien übernimmt im Schnellschuss eine Pressemeldung und hofft gemeinsam auf erhöhte Zugriffszahlen, Reddit-Ruhm oder auch nur einen Pulitzer-Preis. Dann kommt eine Handvoll anderer Medien gemütlich mit verschränkten Armen vorbeimarschiert und kritisiert die ersten Medien für ihre Blindheit, weil Kritiker eben immer alles besser wissen.

Foto: Amazon.com

Weil die Besserwisser aber naturgemäß keine Ruhe geben, bevor ihnen nicht jeder andere huldigt und sich wie ein Wurm vor ihnen windet, schreibt die zweite Handvoll Medien solange über die Blindheit der ersten, bis sie wiederum von allen anderen dafür kritisiert wird, selbst genauso blind zu sein, wie diejenigen, die sie kritisieren. Am Ende stehen die Kritiker als die neuen Idioten da, die sich von ihren Hass-Scheuklappen direkt auf das PR-Ziel der Unternehmen zutreiben lassen, die die ursprüngliche Meldung ausgeschickt haben.

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Was genau die richtige Conclusio daraus ist, weiß ich leider auch nicht. Wahrscheinlich, dass Journalismus ein undankbares Geschäft ist—aber das ist die PR erst recht (und vom Dasein als reiner Netz-Troll will ich gar nicht erst anfangen).

In jedem Fall hört die Frage hier nicht auf, sondern wird genauso in anderen Bereichen, wie zum Beispiel der politischen Berichterstattung, gestellt. Jeder neue Artikel über HC Strache muss sich gegen den Vorwurf verteidigen, HC Strache damit eine Bühne zu bieten. Aber dieser Vorwurf ergibt—beim Droher genau wie bei den Drohnen—nur dann Sinn, wenn man davon ausgeht, dass das Thema ohne den jeweiligen Bericht eben keine Bühne gehabt hätte.

Meistens ist das Gegenteil der Fall: Zu dem Zeitpunkt, wenn sich endlich mal jemand mit aufklärerischem Anspruch an ein Thema macht, ist die jeweilige Meldung bereits über jede Dorfbühne getingelt und hatte längst Gastauftritte in jedem Boulevard-Outlet zwischen Vorarlberg und Facebook. Artikel, die einen Mythos demontieren, setzen einen Mythos voraus und schaffen diesen nicht erst, indem sie ihn beim Namen nennen.

Aber vielleicht bin ich auch einfach einer von der zweiten Handvoll von Medien-Idioten, die es einfach nur besserwissen wollen.

Markus auf Twitter: @wurstzombie