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Sex

Wie man eine offene Beziehung führt, ohne seinem Umfeld auf die Nerven zu gehen

Ich weiß genau, wovon ich hier rede, denn ich werde selbst sehr häufig Opfer von polyamorösen Pärchen.
Foto: Hisham Ibrahim | Getty Images

Ihr habt euch also dazu entschieden, eine offene Beziehung zu führen. Herzlichen Glückwunsch! Monogamie ist ja auch gar nicht mal so leicht, wie man es sich vorstellt, und schon in der Pubertät habe ich es unglaublich dumm gefunden, eine Art Wettbewerb zwischen Treue und dem Es zu veranstalten. Ich muss dich jedoch warnen: Es kann sein, dass du diverse TV-Serien schon bald sehr öde finden wirst, denn unglaublich viele Handlungsstränge drehen sich um Seitensprünge, um die Gefahr eines Seitensprungs oder um den auf Seitensprüngen basierenden Humor.

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Und an alle Freigeister da draußen: Beim polyamorösen Lifestyle ist auch nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Die ausgelassene Stimmung, die man vor seinem geistigen Auge sieht, kommt so womöglich nie zustande und dazu gesellen sich dann noch ernsthafte Risiken—und ich meine hier keine Gefahren für eure traute Zweisamkeit, sondern ein etwas allgemeineres Problem: Menschen in frischen offenen Beziehungen können einem richtig auf den Zeiger gehen.

Ich weiß genau, wovon ich hier rede, denn ich werde selbst sehr häufig Opfer von polyamorösen Pärchen. Das liegt daran, dass ich relativ promiskuitiv unterwegs bin und Dating in der Dreierkombination doch ziemlich süß und auch irgendwie heiß finde. Ich will hier jetzt jedoch auch gar nicht sagen, dass es genau ein richtiges Ausleben seiner polyamorösen Neigung gibt. Es existieren jedoch definitiv ein paar falsche Wege. Da ich bei diversen Dating-Plattformen ehrliche Angaben zu meiner Einstellung gegenüber Polyamorie gemacht habe, komme ich leider relativ häufig mit diesen falschen Wegen in Berührung.

Bevor ihr euch nun also ein gemeinsames Tinder-Profil anlegt, gebe ich euch noch schnell ein paar Tipps und Ratschläge für eure neue offene Beziehung.

Jemanden ins Bett zu kriegen, ist trotzdem noch mit Arbeit verbunden

Dieser Punkt richtet sich jetzt leider mehr an Männer als an Frauen. Wie bereits erwähnt, habe ich eine Frage bei einer Online-Plattform wahrheitsgetreu beantwortet: Ja, ich würde jemanden daten, der sich in einer offenen Beziehung befindet. Diese Ehrlichkeit hat jedoch leider zur Folge, dass ich ständig irgendwelche Anfragen bekommen, die alle ungefähr so aussehen: „Hey April! Ich befinde mich in einer offenen Ehe und liebe meine Frau auch. Du hast aber einen echt geilen Arsch und ich würde gerne dein Fuck-Buddy sein! Schreib mir einfach!"

Falls du dich jetzt irgendwie wiedererkennst, dann stell dir doch bitte mal folgende Frage: Musstest du dich damals als Single nicht ein bisschen mehr ins Zeug legen? Ich meine, dein Ehering ist garantiert kein Aphrodisiakum und die Tatsache, dass du dir mit einer Frau ein Badezimmer teilst, macht dich auch nicht automatisch unwiderstehlich. Zeig doch zumindest mal ein kleines bisschen Höflichkeit.

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Kaum jemand interessiert sich für dein Sexleben

Der Kreis an Menschen, die sich für die sexuellen Abläufe innerhalb deiner offenen Beziehungen interessieren, ist mit ziemlicher Sicherheit der genau gleiche Kreis an Menschen, die du auch schon vor der polyamorösen Phase über die Details deines Sexlebens in Kenntnis gesetzt hast. Und dieser Kreis besteht aus deinen besten Freunden, deiner verheirateten Wing-Woman und einem ehemaligen Kommilitonen, den du immer zum Thema Po-Spielchen befragst. Alle anderen Menschen müssen jetzt nicht unbedingt jegliche Details zum Liebhaber deiner Partnerin erfahren. Du musst deiner 75-jährigen Tante beim nächsten Familientreffen nicht zwangsläufig von deiner neuen Beziehungsart erzählen. Dein Kollege am nächsten Schreibtisch ist kein verklemmter Idiot, nur weil er sich nicht für deinen Vierer von letzter Nacht interessiert—er wollte sich schon letztes Jahr nicht vorstellen, wie du nackt aussiehst, und er will das auch heute immer noch nicht. Kurz gesagt: Du musst jetzt nicht unbedingt ein Geheimnis um deinen neuen Weg der Liebe machen, aber es reicht vollkommen, wenn du ein paar Mal ganz subtil auf dieses Thema hinweist. Die Leute, die wirklich mehr darüber wissen wollen, werden sich dann schon bei dir melden.

Eine unverblümte Sex-Anfrage ist auch dann noch ziemlich rüpelhaft, wenn sie von einem Pärchen kommt

Hier verhält es sich ungefähr so, wie wenn du eine komplett fremde Person darum bittest, dich anzupinkeln. Anders gesagt: Du willst, dass dir jemand deine Fantasie erfüllt, ohne vorher zu klären, ob dein Gegenüber überhaupt auf so etwas steht. So etwas funktioniert vielleicht bei einer Orgie, aber auf Dating-Plattformen benötigt ein solcher Vorschlag doch ein gewisses Vorgespräch. Wenn man direkt unaufgefordert mit einer sexuellen Bitte einsteigt, dann ist das einfach nur falsch. Dabei ist es auch völlig egal, wie höflich und gewählt du dich ausdrückst. Und ja, das Ganze trifft auch auf Frauen zu. Ladys, wenn ich euch nicht kenne, dann geht bitte auch nicht automatisch davon aus, dass ich Interesse daran habe, den Schwanz eures Partners zu sehen. Wenn ihr euch ein gemeinsames Profil angelegt habt, dann schreibt mir einfach ganz normal und sprecht irgendeine meiner Interessen an—so als ob ihr Single wäret. Ich weiß dann schon Bescheid und falls ich Interesse habe, werde ich euch auch antworten.

Gefühlsballast ist IMMER unattraktiv

Wenn du Singles daten willst und dich aber immer nur in Relation zu deinem Partner oder deiner Partnerin beschreibst und dazu noch ständig davon redest, wie ernst du es mit deiner Beziehung meinst oder wie dieses ganze polyamoröse Ding total neu und aufregend ist, dann ist das nicht gerade der größte Turn-on. Nein, dann denken die Leute eher, dass man mit dir gar nicht mal so viel Spaß haben kann. Die einzige Sache, mit der man sich noch schneller aus meiner Hose redet, als sofort das Thema Sex zur Sprache zu bringen, ist die Einsicht, dass ich es mit einem Menschen zu tun habe, dessen Gefühlswelt total defensiv und chaotisch daherkommt und der glaubt, dass ein Blowjob da eine Therapie ersetzt.

Mir ist schon klar, dass der Schritt von einem klaren Regelgerüst hin zu einer neuen Welt voller neuer Freiheiten schon eine ziemlich große Sache ist. Mein Leben ist ja auch voller großer Sachen. Warte einfach bis zum zweiten Date, bevor du irgendeine dieser großen Sachen ansprichst, und versuche auch zu verstehen, dass das nicht meine Probleme sind.

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Noisey: AnnenMayKantereit über die große Liebe, Polyamorie und … Tinder

Zwanglosen Gelegenheitssex hat man wohl besser mit anderen nicht-monogamen Menschen

Wenn ich mein Dating-Profil verändere, so dass darin zu lesen ist, dass ich zwar in einer Beziehung, aber trotzdem „verfügbar" bin, dann verwandelt sich die Flut an „Dreier"-Anfragen in ein kleines Rinnsal. Daraus schließe ich, dass Männer (und Pärchen) eher auf der Suche nach einem Roboter sind, der ihnen alle Fantasien erfüllt und kein eigenes Leben hat—eine bequeme Dreierpartnerin eben. Für Singles, die sich nach einer emotionalen Bindung und nicht nach einem Haremsplatz sehnen, ist das eher ein ziemlich beschissener Deal. Eigentlich sollte ich so etwas nicht noch mal klarstellen müssen, aber ich gehe lieber auf Nummer sicher: Wenn die meisten deiner emotionalen Bedürfnisse schon von deinem Partner oder deiner Partnerin abgedeckt werden und du nur etwas sexuelle Abwechslung brauchst, dann solltest du die Augen eher nach Menschen aufhalten, die selbst in einer Beziehung sind.

Polyamorie ist nicht der einzig richtige Weg, also liegen nicht alle anderen Menschen falsch

Es gibt tausend Gründe, warum man Monogamie bevorzugen könnte—darunter Religion oder Routine. Manchmal fühlt es sich auch einfach richtig an. Und selbst wenn du nicht so denkst, solltest du diese Tatsache akzeptieren. Du beschwerst dich die ganze Zeit über irgendwelche monogamen Langweiler, die dich darüber voll labern, wie du entweder in der Hölle oder vor dem Scheidungsgericht landen wirst? Genau diese Leute haben auch keinen Bock auf deine Ratschläge.