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Popkultur

Mein Leben aus der Sicht von Facebook

Wenn man sich seine Facebook-Daten herunterlädt, wird einem klar, wie absurd, wahllos und traurig das eigene Leben aus der Sicht eines Computers aussieht. Unsere Autorin hat sich die Schlagwörter angesehen, die bestimmen, welche Werbungen sie auf...

Foto: VICE Media

Mittlerweile weiß Facebook so ziemlich alles über uns Selbstinszenierer und frommen Schäfchen, die wir unser ganzes Innerstes offenbaren und auf unsere Timelines kotzen. Ein großer Teil unseres privaten Lebens findet dort statt, Facebook zwingt uns, Apps herunterzuladen, die wir überhaupt nicht wollen und die meisten von uns sind dort mehr oder weniger freiwillig 24/7 erreichbar.

Und weil wir uns ständig auf Facebook aufhalten, wittert die Werbeindustrie hier ihr großes Geschäft—im wahrsten Sinne des Wortes. Welche lebensverändernden Werbungen an verschiedene Nutzer ausgespielt werden, entscheidet natürlich nicht der Zufall, sondern wird je nach Interessen, also den Seiten, die man mit einem Like markiert hat, und anderen unergründlichen Daten abgestimmt, die wir irgendwann auf Facebook, dem Klo unserer Seele, hinterlassen haben.

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Um herauszufinden, warum ich auf Facebook die manchmal sehr absurden Werbeanzeigen sehe, die ich nun mal sehe, habe ich mir meine Facebook-Daten heruntergeladen und mir die Schlagwörter angeschaut, die mir Facebook aufgrund meines Nutzungsverhaltens zugeordnet hat und die bestimmen, mit welchen schönen Werbungen ich in meinem Newsfeed beglückt werde. Ich habe aus der langen Liste die schönsten herausgesucht und versucht, sie zu verstehen.

#Geschlechtsverkehr
Ich bekomme andauernd Werbung für Dating-Apps zu sehen. Egal ob für Homosexuelle oder Heteros, ich bin anscheinend die richtige Zielgruppe dafür. Das kann daran liegen, dass Sex zur Erhaltung der Menschheit notwendig ist, und alle menschlichen Wesen Sex-Werbung bekommen, weil sie Sex nun mal einfach lieben (oder zu lieben haben). Oder vielleicht liegt es auch daran, dass der Facebook-Werbungs-Algorithmus der Meinung ist, dass ich auf den anderen Websites, auf denen ich mich herumtreibe, noch nicht genug von Ollis Bumsblog oder willigen Frauen in meiner Nähe gesehen habe, die während sie darauf warten, dass ich ihnen schreibe, ihre riesigen Brüste auf und ab hüpfen lassen und mich mit unzähligen Pop-Ups belästigen. Vielleicht ist Facebook aber einfach nur nett, weiß um mein Liebesleben bescheid und will mein Sexleben ein bisschen ankurbeln.

Mond

Der Mond ist schön und ich mag ihn ausgesprochen gerne, glaube ich. Eigentlich habe ich keine Meinung zum Mond. Ich kann mir aber gut vorstellen, was ich in Zukunft mit dem Mond anstellen würde, wenn er endlich mir gehört. Wenn er mir angeboten würde, würde ich sofort zuschlagen und meine heilige Sumsi-Spardose dafür schlachten. Allein schon der Gedanke daran weckt die innere Astronautin in mir und den unstillbaren Drang, in der Schwerelosigkeit herum zu schweben und dubioses hochkonzentriertes Astronautenfutter zu essen.

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#Ric Flair
Ric Flair ist laut seinem Wikipedia-Eintrag ein amerikanischer Wrestler mit wasserstoffblonden Haaren, der seine Glanzzeit bereits in den 80er Jahren hinter sich gebracht hat—also zu einer Zeit, als ich mein Dasein noch als nacktes Baby mit Flügeln im Limbus fristen durfte. Ich habe mir von einem wahren Wrestling-Jünger sagen lassen, er sei der beste Wrestler aller Zeiten, und wer behauptet, Hulk Hogan sei der beste, ist ein Idiot. Ich habe zwar noch nie von ihm gehört, vielleicht verbindet mich mit ihm aber die Tatsache, dass ich mit vierzehn die selbe Haarfarbe wie er hatte oder auch meine bisher im Verborgenen gebliebene Leidenschaft für Wrestling, die durchaus durch eine Wrestling-Anzeige in meinem Newsfeed entflammt werden könnte. Ich hatte schon immer eine Schwäche für glattrasierte, orange Männer in Windeln, die sich aufeinander herumwälzen.

#Kruste
Das erste, das mir bei Kruste in den Sinn kommt, ist leider die Kruste auf einer Wunde. Wie genau Werbung für Kruste oder krustenähnliche Produkte aussehen soll, kann ich mir derzeit noch nicht vorstellen. Kruste, wie man sie bei Brot findet oder auch Kruste zum Aufs-Brot-Schmieren beziehungsweise die man dekorativ als Accessoire tragen kann, würde aber auf jeden Fall meinen Geschmack treffen. Durch eine schöne optische Aufbereitung von Kruste könnte man mich durchaus davon überzeugen, mein Vermögen nachhaltig und langfristig in Kruste zu investieren—also immer her damit. Kruste, Kruste, Kruste!

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#MauMau (Kartenspiel)
Als ich das letzte Mal Mau Mau mit meinem Opa gespielt habe, war ich wahrscheinlich elf Jahre alt und hatte gerade die Masern und nichts Besseres zu tun. Das war lang vor Facebooks Zeit. Warum es trotzdem weiß, dass der Ableger von Uno meine größte geheime Leidenschaft ist und immer sein wird, kann nur mit Magie zu tun haben. Wirklich gut gemacht, Facebook—du hast meinen wunden Punkt erwischt. Ich werde die restlichen Abende meines Lebens nur noch mit Kartenspielen verbringen.

#DasdeutscheArtillerieschulschiffBrummer
Wer weiß, vielleicht würde ich mich in meiner Freizeit wirklich gerne mit deutschen Artillerieschiffen beschäftigen, von denen ich noch nie in meinem Leben etwas gehört habe. Das ist nur leider etwas schwer zu sagen, weil ich von ihnen noch nie etwas gehört habe und weil Artillerieschiffe mit unattraktiven Namen, die wie dicke Sexdrohnen klingen, mich immer an alte Admiräle erinnern, die wahrscheinlich nie wirklich auf See waren, aber mit ihrer vollgekrümelten Uniform U-Bahn fahren und darauf hoffen, dass ihnen irgendwer Wildfremdes salutiert. Falls mich die Facebook-Ads dem Kennenlernen solcher Typen näherbringen, nehme ich sie aber auch in Zukunft sehr gerne entgegen. Die Freizeit, die mir dann noch übrig bleibt, verbringe ich damit, endlich herauszufinden, wie die kleinen Modellschiffe auf magische Art und Weise in die Flaschen kommen und wer sie zusammenbaut.

#Leiden
Leiden kann viele Formen haben, das wissen wir alle. Ich bin jedoch noch skeptisch, ob mich Werbung wirklich von Leiden überzeugen kann. Leid bekommt man eigentlich meistens gratis, darum bin ich nicht sicher, ob ich dafür auch noch Geld ausgeben möchte. Es macht mich aber ein bisschen glücklich, dass Facebook glaubt, mein Leben wäre einfach viel zu schön und mein Bedarf an Leid sei noch nicht ausreichend gedeckt, sodass ich noch ein paar Gramm davon käuflich erwerben sollte. Falls Facebook jedoch eine Reise in die gleichnamige Stadt Leiden in den Niederlanden meinen sollte: Das ist mir zu negativ. Kann ich nicht lieber Werbung für Partytown oder Gaybar sehen?

Ich kann euch jedenfalls nur raten, euch ebenfalls eure Facebook-Daten runterzuladen. Ihr werdet staunen, lachen und vielleicht auch ein bisschen weinen, wenn ihr seht, wie traurig, wahllos und völlig absurd euer Lebensinhalt aus der Sicht eines Computers aussieht.

Verena teilt ihr trauriges Leben auf Twitter mit euch: @verenabgnr