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Was passiert im Krieg zwischen dem Irak und dem Islamischen Staat?

Ein Experte erklärt, warum der Kampf gegen den IS in Falludscha so wichtig für die irakische Regierung ist.

Ein Soldat sucht während des Kampfs in Falludscha Deckung | Foto: AP Photo/Rwa Faisal

Falludscha, die Stadt, die vielen Amerikanern nur als Schauplatz des blutigsten Kampfes des Irakkriegs im Jahr 2004 bekannt ist, ist wieder einmal ein Schlachtfeld. Am Montag startete die irakische Armee einen Großangriff auf die Stadt, die seit 2013 vom IS besetzt wird. Auch am Dienstagnachmittag stand das Zentrum der Stadt noch immer unter Beschuss—und das nach Monaten der Belagerung. Unterdessen litten Zehntausende Bewohner in Falludscha unter dem schweren Nahrungsmangel.

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Um herauszufinden, was bei diesem symbolträchtigen Kampf—keine 80 Kilometer von der Hautpstadt Bagdad entfernt—auf dem Spiel steht, hat VICE mit Omar Lamrani, dem leitenden Militäranalysten des US-amerikanischen Informationsdienstes Statfor in Austin, gesprochen. Er hat uns erzählt, dass der Irak, dessen Militär in der Vergangenheit konsequent durch den IS bloßgestellt wurde, diesen Kampf unbedingt gewinnen muss (und ihn richtig gewinnen muss), wenn der Anschein von politischer Stabilität weiterhin gewahrt werden soll.

VICE: Wie läuft der Kampf in Falludscha ab?
Omar Lamrani: Es sind insgesamt ungefähr zwanzigtausend irakische Kräfte im Einsatz, darunter die irakische Regierung sowie die Hashd al-Shaabi, auch bekannt als die PMU—shiitische Milizen. Falludscha war bereits vor Beginn der Operation größtenteils umzingelt, doch die Belagerung wurde verschärft und nun versuchen sie, in die Stadt vorzudringen. Das heißt auch, dass es zu schweren Häuserkampfen kommen kann. Der IS ist tief in die Stadt vorgedrungen. Sie kennen das Gebiet und sie sind entschlossen zu kämpfen, weil sie nirgendwo sonst hin können.

Was steht für den IS auf dem Spiel?
Sie versuchen, die politische Instabilität in Bagdad zu ihrem Vorteil zu nutzen, und die Spaltung innerhalb der irakischen Sicherheitskräfte und der irakischen Bevölkerung zu verstärken. Ihr Ziel ist es, einen Bürgerkrieg innerhalb des shiitischen Lagers und der irakischen Regierung zu provozieren, und deshalb versuchen sie, das Ganze am Laufen zu halten.

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Und was steht für den Irak auf dem Spiel?
Einer der Gründe, warum sie Falludscha einnehmen müssen, ist, dass die Stadt immer wieder als Ausgangspunkt für die jüngsten Anschläge in Bagdad und Sadr City gedient hat. [Jedoch] ist es wichtig, wie sie Falludscha befreien. Als sie Ramadi eingenommen haben, war das zwar ein militärisches Erfolg für die irakische Armee, doch die Stadt wurde im Zuge des Einsatzes fast vollständig zerstört.

Was könnte schief laufen?
[Ein] negatives Szenario wäre, wenn [die irakische Armee] nach Falludscha vordringt, den Ort zerstört, selbst große Verluste erleidet, unzählige zivile Opfer fordert und damit jedwegen Weg zur Aussöhnung verbaut. Denn das hätte zur Folge, dass es in der Bevölkerung noch weiter brodeln würde und der Aufstand auch weiterhin nicht beendet wäre, selbst wenn sie das Gebiet einnehmen.

Man muss an dieser Stelle auch daran erinnern, dass sich Bagdad in einer schweren Haushaltskrise befindet. Sie haben nicht das Geld, um die Städte wieder aufzubauen, die sie zerstört haben. Das kommt bei den Schwierigkeiten dieser Operation noch hinzu.

Wie ist es der irakischen Armee in diesem Jahr bisher ergangen—militärisch gesprochen?
In den letzten sechs Monaten ist es ihnen besser ergangen. Seit sie Ramadi zurückerobert haben, rücken sie weiter in den Westen vor. Sie haben [die kleine Stadt] Hit eingenommen. Sie haben die [18-monatige] Belagerung von Haditha beendet. Sie sind bis an die jordanische Grenze vorgerückt. Sie haben Rutba erobert und [den jordanischen Grenzübergang in] Terbil erreicht.

Motherboard: Die Geheimpolizei des Islamischen Staates

Sie haben auch von den Milizen gesprochen. Welche Rolle spielen sie in dem Konflikt?
Die irakische Regierung und die Milizen konkurrieren miteinander. Deswegen neigen die Milizen dazu, ihre Rolle in dem Konflikt hochzuspielen. Sie erobern Gebiete zurück, [doch] in erster Linie führen die irakischen Kräfte die Kämpfe in diesen Gebieten an. Sie tragen die eigentliche Bürde dieser Einsätze. Deswegen muss die irakische Regierung ihren Ruf in Falludscha wahren und sicherstellen, dass die Leute verstehen, dass die Regierung an vorderster Front kämpft, selbst wenn sie Unterstützung durch die Amerikaner oder die Milizen erhalten.

Wie wird der IS darauf reagieren?
Der IS hat keine Hemmungen, sich in Moscheen, Krankenhäusern oder an irgendeinem anderen Ort zu verstecken, wo sie Menschen als Schutzschilder missbrauchen können. Sie werden versuchen, den Schaden durch die Regierung in der Zivilbevölkerung zu maximieren, um das wiederum für ihre Propaganda zu nutzen. Sie werden es so darstellen, als hätte eine kleine Gruppe von IS-Soldaten gegen Hunderte irakische Soldaten gekämpft—so können sie sogar noch eine Niederlage aussehen lassen wie die Schlacht von Alamo, die letzte Bastion—die Art von Erzählungen, die sie als Propaganda nutzen können.

Wenn die irakische Regierung gewinnt, was passiert dann?
Wenn die Iraker das Gefühl haben, dass die Fronten in Anbar [einer Provinz, in der der IS große Teile des Gebiets kontrolliert]—was eine Bedrohung für Bagdad darstellt—gesichert sind, dann werden sie versuchen, ihre Truppen weiter in den Norden des Landes zu verlagern, und ihren Fokus dann auf Mosul legen.