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Sex

Warum man das Label "Langzeit-Single" abschaffen sollte

Ich habe eine eigene Beziehungsform ohne Zukunft, mit lockerem Band, ohne Kompromisse.
Foto von der Autorin

Letztens bin ich mit meinen zwei besten und gleichaltrigen Freundinnen zusammengesessen. Beide sind in Langzeit-Beziehungen—heutzutage spricht man ja bei drei Jahren Beziehung von einer Langzeit-Beziehung—und glücklich damit. Beide waren ja auch grottenschlechte Singles. Sie können alleine nicht einschlafen, sie waren nie wirklich lang genug Single und das Party machen war auch nicht so ganz ihr Ding. Ich sitze seit drei, bald vier Jahren alleine im WG-Zimmer, schaue Game of Thrones und esse restfett kalte Pizza. Sie sind glücklich, ich bin es auch.

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So weit, so gut. Bis zu dem Zeitpunkt, als eine der beiden den Satz fallen ließ: "Na ja, du bist ja Langzeit-Single. Finde ich eh gut, wie du damit umgehst." Die Zweite ergänzte: "Du bist ja eher der Single-Mensch. Ist ja nicht schlimm." Dass es nicht schlimm ist, weiß ich. Ob die beiden das wissen, wage ich zu bezweifeln. Als Single-Menschen sehe ich mich trotzdem nicht. Ein paar Wochen später schreibt die ze.tt den Artikel " Warum Langzeit-Singles die besseren Partner sind".

Das Wort Langzeit-Single begegnet mir im Alltag viel öfter als früher. Vielleicht liegt es daran, dass ich inzwischen selber unter dieses undankbare Label falle. Vielleicht ist es meine selektive Wahrnehmung. Oder es liegt daran, dass die so oft besungene "Generation Beziehungsunfähig" nun mal zwangsläufig mit dem Label "Langzeit-Single" Hand in Hand geht.

Dabei halte ich meine Single-Freunde und mich selbst nicht für beziehungsunfähig. Eher für klug. Die meisten haben eine längere Beziehung hinter sich und wollen sich eine traumatische Trennung ersparen. Oder sie wollen nicht mit einem Kompromiss eine Beziehung eingehen. Ich zähle mich zur zweiten Gruppe—ich hätte in meinem vierjährigen Single-Dasein mindestens zwei Mal eine Beziehung anfangen können.

Beim ersten Mal fehlten mir die Gemeinsamkeiten und der tiefere Gesprächsstoff. Beim zweiten Mal fehlten mir die Gefühle. Es kann sein, dass ich zu wählerisch bin—oder auch zu idealistisch. Ich erwarte mir am Beziehungsanfang ein Feuerwerk der Gefühle, eine komplette Wertschätzung meinerseits für das Gegenüber und alles, was man kitschig zu "verliebt sein" dazuzählt. Wenn es nicht da ist gehe ich keine Beziehung ein, weil ich vor meinem inneren Auge die Zukunft sehe.

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Die Zukunft, in der er mich nervt. Die Zukunft, wenn beide aus der Beziehung rauswollen. Die Zukunft des Ausziehens, die Zukunft der Streitigkeiten, weil wir andere Ziele verfolgen. Die Zukunft der Schwierigkeiten, die sich aus der unterschiedlichen Lebensauffassung ergeben. Die Zukunft, wenn der Sex nach der Pizza von vorgestern schmeckt. Die Zukunft, in der ich mich von den Berührungen und der Liebe entziehe—nur um wieder gebrochen am Boden der Single-Realität zu landen. Es ist mir vollkommen bewusst, dass dieses Risiko bei jedem Partner vorhanden ist.

Im Endeffekt sind wir uns ähnlicher als wir denken—ich heule, lache, vögle, wüte und liebe genauso oft wie meine Freunde in Beziehungen.

Ich weiß auch, dass mir das genauso gut mit jemandem passieren kann, der mir dieses Gefühlsfeuerwerk am Anfang beschert hat. Ich glaube nur, dass es ohne dieses Feuerwerk schneller und sicherer zu einer Bruchlandung kommt. Ein zweiter Faktor kommt zu meinem Langzeit-Single-Dasein noch dazu: Ich bin glücklich. Ich bin aufrichtig glücklich mit meiner Situation. Ich suche nicht aktiv nach einem Partner, ich schlafe lieber alleine und ich habe mir seit meinem letzten Beziehungsende ein Leben aufgebaut, das ich genauso leben möchte.

Als Single wird man grundsätzlich von Beziehungsmenschen wie ein armes Vaserl angeschaut, das einfach noch kein Glück hatte. Ich weiß es, weil ich selbst lange Beziehungen hinter mir habe. Während die zwei Freundinnen mich daran erinnern, dass ich seit vier Jahren Single bin, fühlt es sich für mich nicht so an. Da war ein halbes Jahr Typ A, dann war da Typ B—in meiner gesamten Single-Zeit war ich für mein Empfinden vielleicht vier Monate tatsächlich alleinstehend. Und sogar da war ich mental mit irgendwelchen Typen beschäftigt.

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Sie hören zwar bei meinen Typ-Geschichten zu, werten es aber nur als Beziehung, wenn es von beiden Partnern als solche deklariert wird, wir eine gemeinsame Zukunft planen und den Alltag ohne einander nicht bestreiten wollen. Aber ich wollte nie eine feste Beziehung mit diesen Typen. Ich habe eine eigene Beziehungsform ohne Zukunft, mit lockerem Band, ohne Kompromisse und doch involviert in das Leben des jeweils anderen geführt. Die Medien nennen es "Mingle". Mixed Single eben. Das Wort Langzeit-Single ist schon alleine wegen dieser neuartigen Form von Sexbeziehung massiv veraltet und auch falsch.

Wörter, die mit Langzeit beginnen—Langzeit-Arbeitslos, Langzeit-Single, Langzeit-Urlaub—implizieren fast immer ein selbstverschuldetes Verharren in einer Situation. Das Wort Langzeit-Single im Speziellen deutet oft an, dass mich niemand möchte, ich ein Eigenbrötler bin und bald fünf Katzen zuhause habe. Wenn ich das Wort Langzeit-Single höre, denke ich an Menschen, die ein jungfräuliches Leben führen, ein Umstyling auf MTV brauchen und jeden Tag mit Tränen in den Augen schlafen gehen, weil sie niemanden haben, der sie nachts wärmt. Diese Menschen brauchen ziemlich sicher Hilfe (wenn auch nicht unbedingt von MTV), aber ich gehöre nicht zu ihnen.

Oder ich denke an Menschen, die gerne Party machen, sich pro Woche sieben verschiedene Sexpartner erwarten und am Abend heulen, weil sie sich so unverstanden fühlen. 1950 war das wahrscheinlich auch noch so. Alternative Beziehungsformen waren nicht wirklich existent und wenn man mit über 30 unverheiratet war, galt man auch fast automatisch als unverheirat bar. Langzeit-Single zu sein war damals ein deutliches Zeichen für die Umwelt. Quelle: Meine Großeltern.

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Umgekehrt haben Menschen, die von einer langen Beziehung sofort in die nächste springen, damals wie heute nicht mit gesellschaftlicher Ächtung zu tun. Auch für meine Freundinnen und ihre Partner steht fest: Mein Leben ist schlechter und haltloser als ihres. Sie glauben, dass ich nicht wirklich glücklich bin, weil ich noch auf der Suche bin.

Sie haben Unrecht. Nur sitze ich am kürzeren Ast, weil die Aussage: "Na ja, du bist in einer Langzeit-Beziehung. Finde ich eh gut, wie du damit umgehst" in der heutigen Gesellschaft wenig Sinn ergibt. Auf das Wort Langzeit-Beziehung ist man stolz—es ist fast wie eine neue Trophäe auf Snapchat, die man bekommt, weil man irgendein neues Feature ausprobiert oder wieder einen Monat oder ein Jahr gemeinsam rumgebogen hat.

Als Vertreterin der "Generation Beziehungsunfähig", der Tinder-Jugend und der Mingle-Beziehungen muss ich sagen: Die meisten meiner Leidensgenossen sind wahrhaftig glücklich. Wir sind die wahren Romantiker. Vielleicht sind wir verschlossen und schwer zu erobern—aber das ist nur ein Schutzmechanismus. Alle Dates, die ich bisher hatte, und auch alle meine Single-Freunde haben sich ein Leben aufgebaut, in dem es meistens um Freunde, Karriere und ihre Ausbildung geht. Sie gehen keine Kompromisse ein und können sich voll entfalten. Natürlich geht das mit einem Partner auch—aber nicht mit jedem. Die meisten Langzeit-Singles sind sich dessen bewusst.

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Motherboard: Ist Fremdgehen in der Virtuellen Realität immer noch Fremdgehen?

Und weil es doch einige von uns gibt—Statistik Austria hat hier Zahlen zum Single-Dasein in Österreich erhoben—, wäre es nett, wenn man uns nicht wie Loser darstellen würde. Stattdessen wollen wir wie die stolzen und eigenständigen Wesen gesehen werden, die wir auch sind. Wir sind nicht promiskuitiv und wir sind auch nicht beziehungsunfähig. Wir wissen einfach nur, was auf lange Sicht eben nicht zu uns passt. Das macht uns sogar ziemlich beziehungsfähig, würde ich meinen. Beziehungsweise: Unser Leben ist so leiwand, dass uns ein ganz besonderer Mensch einfach umhauen muss, um uns zu einer Veränderung unserer Lebenssituation zu bewegen.

Das hat viel mit Reflexion zu tun und ein bisschen was mit Unsicherheit. Und ja, vielleicht hat Freundin Nummer 1 recht: Vielleicht kommen wir alle mit 35 drauf, dass die große Liebe Humbug ist und flüchten in genau die Art von Beziehungen, die sie und viele meiner Beziehungsfreunde jetzt schon führen. Ein bisschen fahl, ein bisschen leidenschaftslos. Nicht die Liebe des Lebens eben. Eine Beziehung, nur damit man eine Beziehung führt, nicht für den einen Partner. Aber bis es so weit ist möchte ich die Hoffnung noch nicht aufgeben. Ich bin ja noch nicht 35. Und wenn auch: Das Alter spricht auch noch lange nicht gegen Sexbeziehungen.

Im Endeffekt sind wir uns ähnlicher als wir denken—ich heule, lache, vögle, wüte und liebe genauso oft wie meine Freunde in Beziehungen. Wir wollen alle eigentlich nur glücklich sein. Wir wollen alle jemanden, der unser ratterndes Hirn abstellt. Der uns in alter Disney-Manier auf seinem oder ihren weißen Fahrrad abholt, um dann mit uns Richtung Sonnenuntergang zu einer netten Netflix-Session zu radeln und mit uns kalte Pizza zu essen.

Wir wollen genauso wenig längerfristig alleine bleiben wie Beziehungsmenschen. Aber es ist wirklich OK, wenn wir bis dahin auch mal länger alleine sind—unter anderem, weil wir es nicht wirklich sind. Wir haben ein breites Freundesnetz und unsere Gspusis—während ihr zusammen einschlaft, schlafe ich neben meinen Freunden ein.

Unser Ziel ist es auch nur, unsere Everlasting Love kennenzulernen, wir denken nur nicht ständig aktiv daran. Stattdessen kümmern wir uns um andere Baustellen im unseren Leben. Weil wir Romantiker wissen, dass man die große Liebe eh nicht suchen muss. Sie findet uns. Also hört auf, das Wort "Langzeit-Single" zu verwenden. Es ist schon mühsam genug, sich vor den Großeltern jedes Mal erklären zu müssen.

Folgt Fredi auf Twitter: @Schla_wienerin