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Popkultur

Zu Besuch in einem Trailerpark für verurteilte Sexualstraftäter

In ihrem neuen Film 'Pervert Park' dokumentieren die Filmemacher Frida und Lasse Barkfors eine der wenigen Einrichtungen der USA, die ausschließlich für Sexualverbrecher gedacht sind.

Jamie Turner (links) nimmt an einer Gruppentherapie-Sitzung teil | Foto: bereitgestellt von Lasse Barkfors, The Film Sales Company

Jamie Turner hat im Alter von 22 Jahren sein Leben an die Wand gefahren: Auf der Suche nach Aufmerksamkeit antwortete er auf die Craigslist-Anzeige einer älteren Frau, die auf Sex aus war. Die angeblich 30-Jährige äußerte schließlich den Wunsch, ihre Tochter im Teenageralter zum Schäferstündchen mitzubringen. Wie Turner bei seiner Therapie später behauptete, ließ die Frau mit diesem Wunsch nicht locker und bedrängte den jungen Mann richtig.

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Als Turner letztendlich zum vermeintlichen Treffpunkt fuhr, wurde er dort von Undercover-Polizisten festgenommen.

Als man den jungen Mann dann wieder aus dem Gefängnis entließ, sollte sich dessen Leben jedoch nicht wirklich zum Besseren wenden. Wie in vielen anderen US-Bundesstaaten ist es Sexualstraftätern auch in Florida nicht gestattet, in der Nähe von Orten zu wohnen, wo Kinder zusammenkommen. Dabei ist es tatsächlich so schwer, eine Behausung zu finden, die sich nicht bei einer Schule, einem Park, einem Spielplatz oder einer Kindertagesstätte befindet, dass Bewährungshelfer in Miami Berichten zufolge diverse Personen aufgrund des Mangels an anderen Möglichkeiten einfach unter einer Brücke abgesetzt haben (und selbst da verstoßen sie wohl auch noch gegen ihre Auflagen). Als Turner kurz vor seiner Entlassung stand, half ihm eine Gefängnismitarbeiterin dabei, verschiedene Adressen durchzugehen, um zu schauen, wo der junge Mann wohnen könnte.

"Sie checkte die Adresse meines Vaters und eigentlich gab es da keine Einwände", erzählt mir der inzwischen 27-jährige Turner. "Irgendein Bewährungshelfer-Arschloch hat das Ganze dann jedoch abgelehnt, weil sich dort ein Schwimmbad befinden würde. Zu meiner Mutter konnte ich auch nicht gehen, weil sie nahe eines Spielplatzes wohnt."

Stattdessen buchte er sich ein Zimmer in einem heruntergekommenen Hotel, dessen Besitzer laut Turner Sexualverbrecher zu dritt in einem Zimmer unterbringen und dafür dann wöchentlich Geld verlangen. Einen Tag vor seiner Freilassung wurde sein Platz jedoch an jemand anderes vergeben. Turner geriet in Panik, weil ihm mal zu Ohren gekommen war, dass man als Sexualstraftäter ohne feste Adresse nach Ende der Haftstrafe direkt ins Bezirksgefängnis gesteckt wird.

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Doch dann hatte Turner Glück und ihm wurde einer der begehrten 120 Plätze im Palace Mobile Home Park in St. Petersburg zugesprochen. Dort hat man ihn dann zu einem der Darsteller einer neuen Dokumentation namens Pervert Park gemacht. Dieser prämierte Film gewährt dabei einen Einblick in eine der wenigen Einrichtungen der USA, die ausschließlich für Sexualstraftäter gedacht sind, und porträtiert Menschen, die schreckliche Dinge getan haben und nun mit ihrer Vergangenheit leben müssen.

Die skandinavischen Filmemacher Frida und Lasse Barkfors erfuhren durch eine dänische Zeitung vom Palace Mobile Home Park und stellten sich das Ganze erstmal als einen in sich geschlossenen, fast schon gemeinschaftlichen Ort vor, dessen Bewohner sich gegenseitig unterstützen und kaum mit der Außenwelt interagieren. Als die beiden im Jahr 2010 dann zum ersten Mal nach St. Petersburg reisten, wurde ihnen schnell klar, dass es sich beim Palace Mobile Home Park auch um den Sitz von Florida Justice Transitions handelt—eine Organisation, die den Sexualstraftätern dabei behilflich ist, sich wieder in eine Gesellschaft zu integrieren, die sie eigentlich nicht mehr aufnehmen will.

Obwohl sie nicht das vorfanden, was sie im Vorfeld erwartet hatten, begannen Frida und Lasse Barkfors mit den Dreharbeiten. Anfangs hatten beide noch zu viel Angst, um alleine durch den Trailerpark zu gehen, denn wie man sich vorstellen kann, bekamen sie im Palace Mobile Home Park auch viele Horrorgeschichten zu hören. So beginnt der Film zum Beispiel direkt mit der Aufnahme von einem zitternden und offensichtlich unter Medikamenten stehenden Mann, der erzählt, wie er damals sexuell zurückgewiesen wurde, daraufhin nach Mexiko fuhr und dort dann ein Mädchen entführte, das er anschließend in der Wüste vergewaltigte.

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"Ich achtete ganz genau darauf, dass wir zwischen ihm und der Tür saßen und nicht andersrum", meint Frida zu mir.

Ihr war es jedoch wichtig, den Film mit dem verstörendsten Interview zu beginnen, damit das Publikum gar nicht erst denkt, dass das Missbrauchsthema zu kurz kommt. Aber auch von einem erzählerischen Standpunkt aus betrachtet ergibt diese Herangehensweise Sinn.

"Wir wollen, dass der Film vermittelt, wie wir uns fühlten, als wir den Trailerpark zum ersten Mal betreten haben", erklärt mir Lasse. "Als wir dorthin kamen, hatten wir richtig Angst. Erst mit der Zeit haben wir diesen Ort immer besser kennengelernt. Der Zuschauer soll genau die gleiche Entwicklung durchmachen."

Foto: bereitgestellt von Lasse Barkfors, The Film Sales Company

Pervert Park scheint die Leute, die wir normalerweise als gewissenlose Monster abstempeln, dabei zumindest teilweise menschlich darzustellen. Einige von ihnen könnten sogar selbst als Opfer bezeichnet werden—zum Beispiel William Fuery, der auch die Hausmeisterrolle des Parks übernimmt. Laut eigener Aussage wurde er in seiner Kindheit von einer Babysitterin unsittlich berührt und hat dann als Teenager ein Mädchen geschwängert. Nachdem er sich dazu entschieden hatte, der Navy beizutreten, geriet Fuery erneut in Schwierigkeiten, als das Auto seiner Familie während eines Trips nach Chicago liegenblieb. Während er Hilfe holte, rammte ein betrunkener Autofahrer das Fahrzeug, und Fuerys Frau sowie sein einjähriger Sohn kamen uns Leben. Als Fuery später mit einer neuen Frau zusammen war, übernachteten Freundinnen der Tochter von besagter Frau im Haus der Familie. Fuery lag im Bett, schaute sich ein paar Pornos an und kiffte dabei ein wenig. Plötzlich kam eine der Freundinnen zu ihm ins Zimmer. Später erzählte diese Freundin auch alles ihren Eltern. Diese beharrten dann darauf, dass der Mann das Mädchen sexuell belästigt hätte, obwohl sie das laut Fuery niemals gesagt hat.

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Er wurde anschließend zu fünf Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, landete aufgrund eines positiven Drogentests allerdings doch hinter Gittern.

Ein etwas komplizierteres Beispiel ist Tracy Lynn Hutchinson, die davon erzählt, wie sie in ihrer Kindheit und Jugend vom eigenen Vater sowie dessen Freunden vergewaltigt wurde und dann auch als Erwachsene noch eine sexuelle Beziehung zu ihm hatte. Später lernte sie dann im Internet einen Mann kennen, der ihr Geld zuschicken wollte, wenn sie dafür mit ihrem achtjährigen Sohn schläft. Anfangs lehnte sie dieses Angebot noch ab, aber irgendwann knickte sie ein und beging das Verbrechen. Wenn man Hutchinsons Erfahrungen mit Inzest bedenkt, ist es nicht ganz klar, ob sie damals überhaupt wusste, wie falsch ihre Tat eigentlich war. Und obwohl es im Trailerpark einen eigenen psychologischen Berater gibt, meint Hutchinson gegenüber der Kamera, dass sie die ganze Geschichte so noch nie erzählt hat.

Motherboard: Pädophile outen sich auf Reddit

Man muss hier wohl kaum erwähnen, dass die Thematik von Pervert Park keine leichte Kost ist, aber irgendwie hat es auch etwas Faszinierendes an sich, wenn Leute unter Tränen vor der Kamera Dinge sagen, die man so eigentlich fast gar nicht aussprechen kann. Vielleicht handelt es sich hier auch nur um eine Art Elends-Porno. Außerdem ist es gleichermaßen verwirrend und auch surreal, Mitleid für Menschen zu verspüren, die verurteilt wurden, weil sie sich an Kindern vergangen haben. Zu den größeren Anliegen des Films gehört dann die Frage, wie viel zusätzliche Bestrafung Leute verdient haben, die schon im Gefängnis saßen. Diese Frage bezieht sich dabei vor allem auf die Menschen, die scheinbar wirklich Reue zeigen. Da sich die Anzahl von Sexualstraftätern in Florida im Laufe des vergangenen Jahrzehnts mehr als verdoppelt hat, ist es jetzt im Vergleich zum Beginn der Filmproduktion quasi schon ein Muss, darüber nachzudenken, wie man mit diesen Personen verfährt.

Und dennoch ist Frida fest davon überzeugt, dass es nicht das Ziel war, einen "Aktivisten"-Film zu machen. "Wenn sich die Leute Pervert Park anschauen und danach der Meinung sind, dass man diese Menschen besser behandeln sollte, dann ist das toll", erklärt sie mir. "Falls dem allerdings nicht so sein sollte, dann ist das auch OK. Wir wollten einfach nur auch mal die andere Seite beleuchten."