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Auf einen Kaffee mit dem härtesten Schuldeneintreiber Indonesiens

"Ich habe mal jemandem einen Aschenbecher in den Mund gestopft. Das hat ihn dazu gebracht zu zahlen."

Meidy mit frischem Tattoo | Alle Fotos vom Autor

Das ist Meidy Saputra Salmon. Der 35-Jährige ist zweifacher Vater und versucht momentan, ein Gebrauchtwagengeschäft aufzubauen, doch den Großteil seines bisherigen Berufslebens hat er sich darauf spezialisiert, verschuldeten Menschen Angst einzujagen. In dieses Gewerbe ist er zufällig hineingeraten. Vor etwa 10 Jahren hatte Meidy einen Bekannten, der Probleme damit hatte, ihm seine Schulden zurückzuzahlen, also heuerte Meidy ein paar Schurken an, um seinen Schuldner zu motivieren. Meidy sah, wie effektiv diese Methode war, und beschloss, selbst in dieser Branche tätig zu werden.

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Heute hat Meidy die verschiedensten Auftraggeber, von Individuen über Firmen bis hin zu Polizeibeamten—so ziemlich jeden, der gerade noch legale Einschüchterungsaktionen outsourcen will. Um für Meidy zu arbeiten, brauchst du auch keine besonderen Qualifikationen. Die meisten seiner Männer werden pro Auftrag in bar bezahlt. Er erzählt mir, dass er die meisten seiner Kollegen als gute Freunde betrachtet.

Schuldeneintreiber wie Meidy arbeiten ums Gesetz herum, doch in Indonesien hat das Gesetz 2011 versucht, dieser Arbeit einen Regel vorzuschieben, nachdem ein Schuldner bei einem „Gespräch" in einer Citibank in Jakarta gestorben war. Inzwischen dürfen Banken nichts weiter tun, als ihre Schuldner sanft daran erinnern, ihre Schulden zu begleichen.

Meidy sagt jedoch, er kenne das indonesische Rechtssystem in- und auswendig und nutze die Gesetzgebung rund ums Schuldeneintreiben so weit aus wie möglich. Dabei kommt es ihm zugute, dass er Kontaktpersonen innerhalb des Systems hat, die ihm ein bisschen Luft verschaffen können, wenn er doch einmal eine Grenze übertritt.

Um herauszufinden, welche Taktiken Meidy anwendet, um den Leuten das Geld zu entlocken, haben wir uns mit ihm in seinem Lieblingscafé in Jakarta getroffen. Dort haben wir uns über Schulden, Gewalt und Mitleid mit verschuldeten Leuten unterhalten.

Meidy und einige seiner Kollegen beim Kaffeetrinken

VICE: Hi, Meidy. Erzähl mir doch mal, wie das abläuft, wenn man einen Auftrag bekommt. Wie gehst du dann vor?
Meidy Saputra Salmon: Wir machen unsere Recherche, was meist einfach ist, weil die allermeisten Schuldner irgendwo Profile in sozialen Netzwerken haben. Wir sehen uns ihre finanzielle Situation an und was für Beziehungen sie haben, hauptsächlich, damit wir sicher sein können, dass wir niemanden konfrontieren, der dann von Handlangern umgeben ist. Das würde zu einem Kampf führen, und das versuche ich zu vermeiden. Ich habe etwa 30 Typen, die für mich arbeiten, und ich wähle sie je nach Schuldner aus.

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Bei wie vielen deiner Aufträge kam es denn zu tatsächlichen physischen Konfrontationen?
Bei etwa 20 Prozent. Meistens ist Überredung der beste Ansatz. Du redest mit ihnen, überredest sie zu zahlen und deutest an, welche Konsequenzen sie ansonsten erwarten. Das und funktioniert wirklich gut—und sie bloßzustellen. Jeder besitzt ein Schamgefühl, und wenn man die Leute beschämt, dann werden sie schwach und zahlen.

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Kannst du ein paar Beispiele für Bloßstellungstaktiken beschreiben? Ich habe davon gehört, dass manchmal die Nachbarn oder Angehörigen von Schuldnern angerufen und informiert werden.
Nein, das ist eine dumme Methode, die offizielle Leute von den Banken einsetzen. Lass mich dir ein besseres Beispiel nennen: Es gab einen ehemaligen General, der meinem Auftraggeber sein Geld nicht zurückzahlen wollte, also habe ich den Jungs gesagt, sie sollen ein Megaphon holen. Dann sind wir durch sein Viertel gelaufen und haben laut gerufen: „Dieser Mann schuldet soundso viel Geld." Wir mussten nur einen kurzen Spaziergang machen, bevor er aufgegeben und gezahlt hat. Manchmal hängen wir auch ein riesiges Banner im Vorgarten eines Schuldners auf, auf dem sein Name und der Schuldenbetrag stehen. Ich habe sogar von einem Polizisten gehört, dass diese Methode in Ordnung geht.

Bei der Arbeit in seinem Gebrauchtwagengeschäft

Bist du beim Schuldeneintreiben auch schon richtig gewalttätig geworden?
Ich habe mal jemandem einen Aschenbecher in den Mund geschoben. Er hat meinem Autogeschäft Geld geschuldet und ist untergetaucht, als wir das Auto zurückgenommen haben. Zwei seiner Freunde sind vorbeigekommen und haben versucht, das Auto zu holen, aber ich hab' ihnen gesagt, dass sie sich verziehen sollen. Dann haben wir ihn ins Büro geholt und das Geld verlangt, aber er hat einfach dauernd Blödsinn gebrabbelt. Daraufhin habe ich die Beherrschung verloren und ihm einen Aschenbecher in den Mund gestopft. Das hat ihn dazu gebracht zu zahlen.

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An welchen seltsamen Orten warst du schon, um Geld einzutreiben?
Ich musste schon Geld von Typen eintreiben, die hinter Gittern saßen. Du braucht einfach nur Kontakte im Gefängnissystem, um rein zu kommen. Ein anderes Mal war ich beim spirituellen Berater eines Schuldners und habe angedeutet, dass der Mann in großen Schwierigkeiten sein wird, wenn wir ihn nicht finden. Ich kam zu Hause an und der Schamane rief mich an und verriet mir den Aufenthaltsort des Schuldners. Es stellte sich heraus, dass er sich in den Bergen im Dschungel versteckt hielt. Wir sind dorthin gefahren und haben ihn geholt.

Wie hoch sind die Schulden dieser Leute meist?
Ich nehme nur Aufträge an, bei denen es um Millionen Rupiah [1 Million Indonesische Rupiah = ca. 67 Euro] oder Milliarden Rupiah [1 Milliarde Rupiah = ca. 67.000 Euro] geht. Im Moment habe ich mit jemandem zu tun, der im Gefängnis sitzt und meinem Auftraggeber [225.00 Euro] schuldet, aber der Auftraggeber hat mir noch nicht meine 5 Prozent gezahlt, also lass ich das gerade einfach nur köcheln.

Nach Feierabend zu Hause

Hast du auch schon einmal einer sehr kleinen Summe hinterhergejagt?
Ja, einmal hat ein Typ meiner Frau drei Millionen Rupiah [ca. 200 Euro] geschuldet. Meine Frau war frustriert und das hat mir Kopfschmerzen bereitet. Normalerweise würde ich wegen einer so kleinen Summe nichts machen, aber wenn es um die eigene Frau geht …

Wie gehst du sicher, dass du gegen keine Gesetze verstößt?
Wenn es zu einer körperlichen Konfrontation kommt, dann gehe ich sicher, dass ich nur Dinge tue, die als Selbstverteidigung gelten. Wenn ein Schuldner also in irgendeiner Form den ersten Schlag macht, ob er mir jetzt eine reinhaut oder etwas auf dem Boden zerbricht, oder mich anspuckt, oder vielleicht sogar nur schreit … Ich meine, das Gesetz geht nicht wirklich genau darauf ein, was für eine Art „Angriff" erfolgen muss, damit man das Recht hat, sich zu verteidigen. Meist kann ich so gut wie alles als Provokation auslegen und es damit rechtfertigen.

Hast du jemals Mitleid mit den Leuten, die du vermöbelst?
Natürlich. Oft weiß ich, dass es für sie schwierig ist, an Geld zu kommen. Deswegen versuche ich, Aufträge anzunehmen, bei denen ich das Gefühl habe, dass der Schuldner keiner von den Guten ist. Und deswegen spreche ich auch erst einmal mit allen von Mensch zu Mensch.