FYI.

This story is over 5 years old.

Sex

Warum ich als Schwuler lieber Hetero-Pornos schaue

Nein, ich bin nicht im heteronormativen Niemandsland gefangen—aber die Inszenierung von Schwänzen ist bei Heten-Pornos ganz einfach besser.

Foto von trash world

Viele (na gut, einige) meiner schwulen Freunde und Bekannten bekommen regelrecht einen Schock, wenn sie eine nackte Frau sehen. Oder, noch ärger: eine Frau beim Sex. „Grad einen Hetero-Porno geschaut. Ich kann jetzt eine ganze Woche nicht mehr schlafen“, twitterte ein schwuler Bekannter vor einigen Wochen sein Trauma fürs Leben. Weil das einfach pfui sei, Muschi und so, vielleicht sogar noch eine squirtende, plus wippende Titten und lackierte Fingernägel (na gut, das gibt’s manchmal auch bei Gay Pornos). Pfui. Pfui. Pfui.

Anzeige

Mir ging das nie so, auch wenn ich schon sehr früh wusste, dass ich schwul bin. Seitdem ich 14 bin, schaue ich schon Pornos (was damals um einiges schwieriger zu bewerkstelligen war als heute) und natürlich habe auch ich mich mit Heten-Filmchen an das Porno-Universum herangetastet. Irgendwann hab ich zwar gemerkt, dass es ganz nett ist, wenn der Schwanz nicht nur in eine Muschi, sondern auch in einen Männerarsch gesteckt wird, aber den Hetero-Filmchen bin ich bis heute treu geblieben.

Eigentlich nicht nur treu geblieben, über weite Strecken schau ich sogar lieber Clips mit Männern und Frauen als mit zwei Männern. „In der Heteronormativität gefangen!“, mag nun vielleicht so manche_r schreien. Verkappter Bi-, oder, Gott gelobe, Heterosexueller bin ich aber beim besten Willen keiner. Ich find’s nur irgendwie mindestens genauso geil, einem gegengeschlechtlichen Paar beim Sex zuzuschauen wie einem gleichgeschlechtlichen (nur auf Lesben-Sex steh ich dann doch nicht).

Und das hat eigentlich einen ganz einfachen Grund: Die Typen sehen in Hetero-Pornos vielleicht nicht zwingend besser aus als in Gay-Clips, aber sie kommen ungekünstelter rüber (soweit man bei Pornos überhaupt von „ungekünstelt“ sprechen kann). Schwule Pornodarsteller neigen dazu, ein bisschen zu sehr zu posieren, einen Tick zu sehr ihren Arsch ins rechte Licht zu rücken, eine Tonart zu laut zu stöhnen (obwohl ich auf letzteres eigentlich stehe, also gilt dieses Argument irgendwie nicht).

Anzeige

Ja, auch Schwule haben unterschiedliche Geschmäcker—und nicht jeder diesen hier. Foto von Rhys Carter

In Heteropornos kommen die Männer … nun ja, männlicher rüber. Oder geht das nur mir so? Auf jeden Fall, und das haben auch schon ebenfalls straight porn-geneigte schwule Freunde bemerkt: Hetero-Pornodarsteller haben meist die größeren, fetteren Schwänze. Und ja, ich steh da bei Pornos einfach drauf. Die Herausforderung, als Schwuler einen Heteroporno anzuschauen, besteht dann aber hauptsächlich darin, einen Clip zu finden, der sich nicht nur vollkommen auf Titten und Muschi konzentriert, sondern auch dem Mann genügend Freiraum lässt, um zu glänzen. Sozusagen.

Ich glaube aber, dass es nicht nur die Männlichkeit und die großen Schwänze sind, die mich bei Hetero-Pornos anmachen. Es ist nämlich so: Ich steh auch im echten Leben wirklich, aber so wirklich, auf Heten. Nicht, dass es jetzt so wäre, dass ich mich zu anderen Schwulen nicht hingezogen fühle. Klar tue ich das auch.

Aber ich gehöre zu der Sorte von schwulen Männern, die es als besonderen Kick ansehen, etwas mit Hetero-Typen zu haben. Und da meine ich nicht all die Gayromeo- und Gayboy-Pseudo-Heten. Sondern die Heten, die zwar schon mal mit dem Gedanken gespielt haben, sich den Schwanz von einem anderen Typen lutschen zu lassen, aber dann doch letztendlich immer wieder bei Frauen landen. Es ist vielleicht ein bisschen so wie mit der männlichen Fantasie, Lesben „zu bekehren“.

Anzeige

Nicht, dass ich Heten bekehren möchte, das wäre mir für die eine Nacht ziemlich egal. Aber zu wissen, dass er eigentlich nur Frauen vögelt, aus Geilheit und Neugier nun aber auch mich ranlässt, das ist schon boner material.

Pornostar und Manly Man Scott Nails, Foto via The Richest

Man ist stolz, dass der Typ, der sonst nichts von Schwänzen will, von einem selbst so angeturnt ist, dass er dann mal für eine Nacht die Seite gewechselt hat. Und es hat ein bisschen was von der best buddy-Fantasie, in der es darum geht, wie zwei Hetero-Freunde sich gegenseitig einen abblasen (oder abwichsen), nur um Druck abzulassen.

Viele Gay Pornos spielen mit der Fantasie, Sex mit einem Hetero-Typen zu haben. College-Roommates, Ehemänner, bester Freund des Bruders und so weiter. Ich steh da also bei weitem nicht alleine da. So ganz stolz bin ich auf meine Hetero-Porno-Vorliebe aber dann auch wieder nicht. Hab auch ich die (da ist das Wort nun doch) heteronormative Vorstellung einverleibt, nur Hetero-Männer seien richtige Männer? Dass ein Mann nur dann ein Mann ist, wenn er in der Lage ist, eine Frau zu befriedigen? Vielleicht. Keine Ahnung.

Es war jedenfalls immer schon so, dass ich mit Tunten nichts anfangen konnte (nicht, dass alle Schwulen Tunten wären), war in Typen meiner Nebenklasse verliebt und hatte Fantasien von Freunden meines Vaters. Ich selbst hatte nie etwas mit Frauen—vielleicht bin ich auch ganz einfach nur neugierig, wie sowas abläuft?

Anzeige

Ansätze von Twister: Foto von Erica Liss

Psychologen sehen im „Schwule stehen auf Heten“-Phänomen freilich tieferliegende Gründe: das Bedürfnis, von Heterosexuellen (die „gesellschaftliche Macht“) akzeptiert zu werden zum Beispiel, oder weil sie die berühmten verbotenen Früchte darstellen. Oder auch, weil man sich selbst als zu wenig männlich ansieht. Und natürlich, eh klar: Man steht auf Hetero-Typen, weil man in Wirklichkeit selbst hetero sein will und die eigene Homosexualität verabscheut.

Zumindest das trifft auf mich sicher nicht zu. Aber: Wer will überhaupt Psychologie, wenn es um Pornos geht?

Ich jedenfalls werde weiter Hetero-Pornos schauen. Oder, besser: einen Hetero rumkriegen. Bisher ist mir das nicht gelungen, abgesehen eben von all den Bisexuellen und Pseudo-Heten. Ein Freund von mir ist allerdings Meister darin.

Seine scheinbar effektive Methode: „Von Saufbuddys zu Fuckbuddys.“ Bissl was trinken, ganz relaxt über Frauen reden, über Sex, und dann immer wieder einfließen lassen, dass es mit Männern so viel unkomplizierter geht (das behauptet man in dieser Situation dann einfach, aber irgendwie stimmt es ja auch). Und dass Männer halt am besten wissen, was andere Männer wollen.

Ich bin ja überzeugt davon, dass keiner von uns hundertprozentig homo-oder heterosexuell ist. Und dass auch Heteros von Männlichkeit, dem männlichen Körper und insbesondere dem Penis (mit dem ja buchstäblich alles steigt und fällt) ziemlich fasziniert sind. Man denke nur an all das gegenseitige Bespringen von Fußballern oder das gegenseitige Begrapschen von Typen, wenn sie besoffen sind. So schwer kann das Hetero-Rumkriegen dann ja eigentlich nicht sein. In den Pornos zumindest sieht’s immer sehr einfach aus.