Als Schalker undercover in Kevin Großkreutz' Hipsterrestaurant

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Kritik

Als Schalker undercover in Kevin Großkreutz' Hipsterrestaurant

Wir baten (zwangen) einen Schalker, Kevin Großkreutz' Restaurant „Mit Schmackes” zu besuchen. Spoiler: Dieses Restaurant mitten im Dortmunder Yuppie-Kiez hat Kevin nicht für seinesgleichen eröffnet.

Kevin Großkreutz und Schalke: das wird sicherlich kein Tinder-Match mehr. Der selbsternannte Ur-Dortmunder, der von seinem Heimatverein allerdings unrühmlich aufs Abstellgleis gestellt wurde, hasst den Erzrivalen laut eigener Aussage wie die Pest. Und er kann sich gewiss sein, dass man ihn in Gelsenkirchen genauso sympathisch findet. Großkreutz ist in Schalker Kreisen zu einem Synonym für Hass geworden. Nicht weil er eingefleischter Dortmunder ist. Das waren schon andere vor ihm und weitaus größere Fußballer als er haben sogar für beide Vereine gespielt. Alles kein Ding. Kevin haben die Blau-Weißen vielmehr deshalb ins Herz geschlossen, weil er keine Gelegenheit auslässt, um mit der poetischen Rhetorik eines Kirmesproleten aus Dortmund-Dorstfeld einen Spruch Richtung S04 rauszuhauen.

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Nun ist es mittlerweile aber so, dass er seine Maultaschen in der zweiten Liga verdienen muss und sich daher nach einer lukrativen Nebenverdienstmöglichkeit umgeschaut hat. Wer nichts wird, wird Wirt, und so hat Kevin Großkreutz Anfang August in Dortmund einen Mix aus Restaurant und Kneipe eröffnet. Welcher Schalker würde da nicht gerne einmal speisen und trinken? Deshalb bat mich die VICE-Sports-Redaktion unter vorgehaltenem Nunchaku—und ich möchte ausdrücklich betonen, dass die Idee zu diesem Artikel nicht auf meinem Mist gewachsen ist—undercover der Großkreutzschen Gastronomie doch mal einen Restauranttest zu unterziehen.

Auf die Gefahr hin, zur persona non grata auf Schalke zu werden, begebe ich mich also in das Mit Schmackes. An einem Dienstagabend, an dem auch noch Dortmund in Wolfsburg spielt, was dort natürlich übertragen wird. Das Mit Schmackes liegt im Kreuzviertel genannten Studenten-, Yuppie- und Hipsterstrich Dortmunds, ist optisch im Schick einer Industrie-Maschinenhalle mit leichtem Einschlag eines Prenzlbergers Latte-Macchiato-Holzcafe durchdesignt und bietet westfälische Küche mit modernem Touch. Beim Betreten fällt mir direkt das gesittete Publikum auf. Drei Männer um die 40, die mit ihren Brillen und Karohemden wie Ingenieure im Feierabend aussehen, spielen an der Ecke der Theke Skat. Sie wirken, als wären sie zu Dekozwecken absichtlich dahingesetzt worden. Nach Ruhrpott-Kneipe sieht das überhaupt nicht aus. Schon gar nicht nach dem Namen „Großkreutz". Viel zu wenig Asitum. Hast du die Straße vergessen, Kevin?

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Es scheint aber auch eher so zu sein, dass er hier mehr als Mäzen und Marketinggag in Erscheinung tritt. Ganz wie es in den 90ern schon Schwarzenegger mit Planet Hollywood probiert hat. Das Mit Schmackes wird von anderen Leuten geschmissen, die sich auch das Konzept auf Basis alter Rezepte der Großmutter ausgedacht haben. Einziges Utensil von Großkreutz ist eines seiner alten BVB-Trikots, das eingerahmt an einer Wand hängt. Für Schalker Hools dürfte es also eher uninteressant sein, den Laden mal aufzumischen.

Ich setze mich an einen Tisch. „Normalerweise ist Reservieren besser, aber du hast Glück gehabt", lacht mich der überaus freundliche Kellner an und überreicht mir die Karte. Normalerweise wäre ich gar nicht hier und normalerweise würde ich es auch nicht als Glück bezeichnen, hier zu sein. Ich bestelle mir ein Bier. Veltins gibt es überraschenderweise nicht. Bei den Speisen hat man vor allem die Wahl zwischen Schnitzeln in vielen Varianten und westfälischer Küche. Letztere ist nicht unbedingt typisch Ruhrpott und wenn, hat man sie als Kind gehasst. Sülze, Panhas oder Himmel und Äd—dieses ganze, auf Blut und Innereien basierende, fettige Arbeiter- und Bauernessen. Früher für die arme Bevölkerung, heute angeblich Haute Cuisine.

Ich lasse mich dennoch mal wieder darauf ein und bestelle die westfälische Blutwurst Panhas zur Vor- und den Rindfleischtopf Pfefferpotthast als Hauptspeise. Beides schmeckt nicht schlecht, scheint mit frischen Zutaten gekocht zu sein, die Portionen sind reichlich und vom Preis her auch absolut in Ordnung. Das gebe ich gerne zu. Dennoch fühlt man sich danach, als wäre man eine Woche lang der ehrenamtliche Sandsack im örtlichen Boxclub der Bandidos gewesen. Westfälische Küche eben. „Haben Sie keine Currywurst?", höre ich irgendwo eine Frau den Kellner fragen. „Nein." „Hmm, dann will ich nichts essen." Auch sie hat sich wohl mehr Ruhrpott hier vorgestellt.

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Aber nicht nur kulinarisch merkt man, dass das Mit Schmackes auf Westfalen gemacht ist. Das Spiel des BVB in Wolfsburg geht los. Der Laden ist gut gefüllt. Viel Schwarz-Gelb, was mir langsam den Panhas wieder hochkommen lässt. Fans „derberer" Natur sind aber die absolute Ausnahme. Eher bestimmen Männer wie die Skat-Ingenieure, die von ihren Akademiker-Frauen zum Fußballgucken Auslauf bekommen haben, und Pärchen das Bild. Dazwischen einige ältere Herren vom Typ Geschichtslehrer a.D. sowie studentisch wirkende Grüppchen, die aber wohl nur FH- oder Fresenius-School-of-YouTube-Studenten sind. Der BVB wirbelt, zieht die Wolfsburger mit 5:1 übers Förderband im VW-Werk, der Jubel darüber klingt hier aber eher wie der von Bayern-Fans nach einem Sieg in Borisov. Mal ein „Jaaa!", mal ein High Five, dann wird weitergegessen. Neben mir beschwert sich ein junges BWL-Pärchen über die Lautstärke der Boxen. In Gelsenkirchen wäre selbst beim Edel-Italiener mehr los.

So weit, so unspektakulär. Nur ich falle latent auf, weil ich nicht mitjuble. Der ein oder andere irritierte bis böse Blick streift mich. Um abzulenken und endlich den Panhas aus dem Wanst zu spülen, bestelle ich einen Schnaps aus irgendeiner kleinen Craft-Brennerei. Auch mega contemporary und so. Ich überlege kurz, ob ich mich jetzt outen, irgendjemanden provozieren soll, um mal etwas Stimmung aufkommen zu lassen, gehe dann aber aufs Klo. Der Panhas drückt immer noch. Das Klo ist ebenfalls im Maschinenhallen-Look gehalten, im Hintergrund laufen im Ruhrpott-Dialekt vorgelesene Märchen vom Band. In meinem Fall „Tischlein deck' dich". „Ziegää, bisse satt?" „Ich bin so satt, ich maach kein Blatt, woll!", spricht der Erzähler. Passend zu meinem Wohlbefinden, nur dieses „woll" am Ende eines Satzes ist auch wiederum mehr Westfalen als Ruhrpott.

Auf dem Weg zurück zum Tisch bleibe ich kurz an der Ecke der Theke stehen und tue so, als würde ich mich für das Spiel interessieren. Ich blicke hoch zu einem der Fernseher, weil die Wolfsburger gerade eine ihrer seltenen Chancen verballern. Ein Mann, der offensichtlich auch alleine da ist und aussieht, als ob er sich mit geschätzt 45 immer noch gerne in die World of Warcraft einloggt, sitzt neben mir auf einem Hocker. Er nickt mir zu. „Das Spiel ist gelaufen", sage ich zu ihm und heuchle Interesse vor. Er nickt wieder, sagt aber nichts. Ein Westfale. „Biste schon öfters hier gewesen?", frage ich kumpelig. „Ja", antwortet er. „Und haste den Großkreutz schon mal gesehen?" Seine Augen glühen plötzlich auf. „Jau! Einmal. Ich warte auch immer extra länger, um zu gucken, ob er noch vorbeischaut." Jetzt nicke ich nur und verkneife mir sonstige Kommentare. Dieser Mann und ich—wir haben nichts gemeinsam.

Ich verdrücke mich schließlich heimlich zurück zum Tisch und lasse mir die Rechnung kommen. Mit insgesamt 28 Euro 40 ist der Preis absolut fair. Kann man nix sagen. Ich würde es aber dennoch ungerne auf mir sitzen lassen und damit Kevin Großkreutz Kohle in den Hintern schieben. Die Vice-Redaktion wird demnächst eine Spesenquittung erhalten. Anyway. Klares Fazit des Abends: Du musst dringend Currywurst auf die Speisekarte setzen, Kevin. Vielleicht in der Variante „Hotellobby" mit leicht gelblicher Soße. Dazu die „Dönertasche à la Großkreutz" – einmal über den Boden geschleift. Dann klappt's auch mit der Ruhrpott-Attitüde.