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David gegen Goliath

Wie sich Eibar gegen die Ungerechtigkeiten des spanischen Fußballs wehrte

Korrupte Fettsäcke wollten den 27.000-Einwohner-Ort Eibar nicht in der ersten Liga sehen. Dies ist die Geschichte, wie man sich durch List und Kreativität gegen Arschlöcher in Anzügen wehrt.

Das Erste, das du über den spanischen Fußball wissen musst, ist Folgendes: er ist defekt. Er ist eine dysfunktionale Sportokratie, beherrscht von alten, reichen, weißen Männern, die ab und zu bei Cocktails besprechen, ob sie anfangen sollen, ihren Job zu machen. Letzten November, als eine Gruppe faschistischer Atlético Madrid-Anhänger sich am Morgen vor einem Spiel unweit des Vicente Calderón-Stadions mit Deportivo-Ultras prügelte—eine Auseinandersetzung, bei der ein Mann starb und etwa ein Dutzend verletzt wurden—versäumte es die LFP (die Spaniens erste und zweite Liga verwaltet), das Spiel zu verschieben, weil sie niemanden beim RFEF (Spaniens Fußballverband) erreichen konnte. An einem Tag, als vier La Liga-Spiele anstanden, waren die Telefone im spanischen Fußballhauptquartier unbesetzt. Zwei Wochen später wurde eine Besprechung über Fan-Gewalt verschoben, weil der Präsident des RFEF, Ángel Maria Villar, mit wichtigeren Dingen beschäftigt war: er musste in Marokko sein und Real Madrid beim Kampf um die Klub-Weltmeisterschaft zusehen.

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Dies sind dieselben eitlen, inkompetenten Menschen, die Eibar fast nicht in La Liga aufgenommen hätten. Der winzige baskische Verein—seine Heimatstadt hat nur 27.000 Einwohner, das Stadion eine Kapazität von 5.250—belegte 2013-14 in der Segunda División den zweiten Platz, was ihm den Aufstieg hätte sichern sollen, aber die Bürokratie stellte sich quer. Eibar hatte bewiesen, dass sie das Zeug dazu haben, in La Liga zu spielen, aber sie passten nicht in die Unternehmensstruktur der Liga. Sie passten ja schon nicht in die Unternehmensstruktur der Segunda. Obwohl sie schuldenfrei sind—was im Spitzenfußball so ziemlich unerhört ist—wurde ihnen der Zugang zu der Liga, für die sich qualifiziert hatten, verwehrt, weil sie angeblich zu arm seien. Die LFP stellte ihnen ein Ultimatum: Sie sollten bis zum 6. August etwas mehr als 1,7 Mio. Euro Kapital aufstellen, um in La Liga aufzusteigen. Ansonsten drohte der Zwangsabstieg in die 3. Liga.

Anstatt einen Kredit aufzunehmen, warben sie bei Fans und regionalen Unternehmen. Sie richteten eine Art besseren PayPal-Account ein und erlaubten jeder beliebigen Person auf der Welt, einen Anteil am Verein zu kaufen, für 50 Euro das Stück. Die Verantwortlichen der Kampagne waren clever: Käufe wurden auf maximal 100.000 Euro begrenzt, sodass kein wohlhabender Schweinepriester angerauscht kommen und sich einen erheblichen Besitzanteil unter den Nagel reißen konnte. (Wie ein Lehrer es formulierte: „„Eibar sollte niemals einem Scheich gehören, sondern immer den Bewohnern unserer Stadt.") Die ehemaligen Leihspieler Xabi Alonso und David Silva, zusammen mit Asier Illarramendi, der nur 25 Kilometer nördlich von Mutriuku aufwuchs, nutzten ihren Promistatus, um die ?–ffentlichkeit auf die Aktion aufmerksam zu machen. Speziell Alonso war verärgert, dass der Verein überhaupt Geld beschaffen musste. Bei einem PR-Event in Madrid letzten Mai betonte er, dass viele Vereine in La Liga alle möglichen „finanziellen Probleme haben—soll heißen: riesige Schuldenberge und Steuerschulden—und dann gibt es da Eibar, die nicht dafür bestraft werden, dass sie schlecht geführt werden, sondern dafür, dass sie zu klein sind. „„Ich hoffe, wir können die Sache kräftig anschieben", sagte Alonso. „„Um sie dort zu behalten, wo sie verdient haben zu sein."

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Foto via WikiMedia Commons

Der Schub funktionierte. Etwa 100.000 Menschen in 50 Ländern kauften einen Anteil am Verein. Ein 90-jähriger Fan namens Luis Maria Cendoya kaufte den Anteil, der den Verein ein paar Wochen vor Ablauf der Frist über die Ziellinie schob. Ende August spielte Eibar das erste La Liga-Spiel in seiner 74-jährigen Geschichte, als Gastgeber für seine Nachbarn Real Sociedad. Eibar gewann 1:0.

Hier ist das wundersamste an Eibar: es stellt sich heraus, dass sie ziemlich gut sind. Mit dem kleinsten Etat der Liga haben sie vier Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze. Sie spielen aus Notwendigkeit defensiv, aber sie machen deutlich, dass umsichtiger Fußball keine hässliche Angelegenheit sein muss. Sie schaffen beim Gegenangriff Chancen und sind in der Lage, atemberaubende Tore zu erzielen. Eibar sind so, wie wenn Bugs Bunny mit einem Filzstift eine Stange Dynamit zeichnet und dann brennt auf einmal die Lunte. Sie scheinen unwirklich, aber sie sind mehr als echt. Barcelona kann das bestätigen: sie rätselten im Nou Camp 60 Minuten lang, wie man gegen diese schrecklichen Basken punktet. Almeria kann es ebenfalls bestätigen: Eibar zerstörte sie 5:2.

Im Profisport ist nichts rein. Es gibt immer auf irgendeiner Ebene einen vor Blicken verborgenen Bösewicht, der mit seiner Macht das tolle Spiel, das du dir gerade ansiehst, beeinflusst. Eibar ist eine wunderschöne Stadt in der grünen, hügeligen Schoße Nordspaniens und war zur Kolonialzeit der größte Waffenproduzent der spanischen Eroberer. Vielleicht steckt da eine Metapher drin. Der Verein kassiert nun einen Teil des süßen, süßen La Liga-Profits, was wie Hintergrundstrahlung im Garten Eden ist. Aber Eibar ist so rein wie man nur sein kann in einer Liga, die von Intriganten und Zynikern geleitet wird. Sie haben nicht viel Geld, aber sie geben es mit Bedacht aus. Sie tragen das Logo einer regionalen Schrottfirma auf der Brust. Sie füllen ihr Mini-Stadion mit leidenschaftlichen Einheimischen.

„„Wir mögen unsere ungewöhnliche Art, das Team zu führen", erklärt Vereinspräsident Alex Aranzàbal der BBC vor dem Sociedad-Spiel. „„Wir tun unser Bestes mit unseren eigenen Mitteln." Selbst er wird wohl ins Staunen geraten, was sie mit diesen Mitteln alles tun und wie viel es da zu mögen gibt.