Brühe ist die Basis – für alles

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Brühe ist die Basis – für alles

Suppen werden zu oft als Arme-Leute-Essen verkannt und Bouillons oder Brühen oft nur als Mittel zum Zweck in der Küche. Dabei sind diese auf den ersten Blick einfachen Gerichte voller Geschmack und verraten unglaublich viel über eine Kultur oder eine...

Bouillons und Suppen sind ein Teil meiner Kindheit: Wir haben auf dem Land in Frankreich gelebt und täglich gab es irgendeine Art Suppe, Bouillon oder Brühe entweder mit Gemüse oder mit Fleisch—das ganze Jahr über. Ich habe noch genau die Bilder im Kopf. Wir hatten das Glück, viel Gemüse in unserem Garten zu haben und mein Onkel war außerdem Fleischer. Und es gab verschiedene Varianten: pot-au-feu als Bouillon, mit Hühnchen, Schwein oder Kaninchen. Suppen und Bouillons, zwei Dinge, mit denen ich schon früh in Kontakt kam, spiegeln meine rustikalere Seite wider.

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Während meiner Zeit auf der Höheren Kochschule für französische Küche von Grégoire Ferrandi in Paris trat die Bouillon dann erneut in mein Leben, nur in etwas anderer Art: Hier war die Bouillon eine Art kulinarisches Hilfsmittel. Als ich bei Guy Savoy gelernt habe, habe ich meine ersten Brühen gemacht, ich habe gelernt, wie man blanchiert und den Schaum abschöpft. Ich bekam auch einen Einblick in eine für mich völlig neue Welt: Krustentiere, Meeresfrüchte und Fische. Als ich jung war, musste man 25 Kilometer fahren, um frischen Fisch kaufen zu können. Also haben wir das gegessen, was wir im Fluss oder im Teich nebenan fangen konnten. Frischer Fisch, aber eben sehr selten.

Meinen letzten „Kontakt" mit Bouillons und anderen flüssigen Gerichten hatte ich, als ich entschied, dass meine Küche eine radikale Umwandlung braucht. Es hat einfach „Klick" gemacht. Aus Neugier hab ich mich mehr mit asiatischen Zutaten beschäftig und Schritt für Schritt habe ich mir verschiedene Spielarten beigebracht, durch viele Reisen und durch Freunde, die mit kambodschanischer Note kochen. Ich habe die Gerüche förmlich aufgenommen, schüsselweise Gerichte mit unbekannten Aromen geschlürft und so verstanden, dass all dem immer eine Bouillon oder Brühe zugrunde liegt.

Bouillons, Brühen oder Suppen sind deshalb überall, weil man nicht nur damit kochen kann. Nehmen wir einmal die vietnamesische Pho oder die Tom Kha Gai aus Thailand oder das japanische dashi—das alles sind eigenständige Gerichte. Das Praktische an der Bouillon ist, dass man sie einfach zubereiten kann. Gleichzeitig ist sie aber auch eng mit der einheimischen Kultur verbunden, ein Essen, das mit regionalen und saisonalen Zutaten arbeitet. Street-Food-Kultur in Thailand, in Vietnam oder in Kambodscha spielt sich oft in kleinen Büdchen ab, in denen solche Suppen in riesigen „Bottichen" gekocht werden.

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William Ledeuils Gemüsebrühe. Alle Fotos von Louis Laurent Grandadam

Das sind kurzzeitige Restaurants für einen Tag, in denen man sich quasi seine eigene Suppe zusammenstellen kann. Sie zeugen von der allgemeinen Unbeständigkeit, aber auch von Spontaneität und Frische. Morgens kommt ein kleiner Wagen, Klapptische werden aufgestellt und superfrische Galgantwurzeln mit rosa Stielen werden ausgebreitet, all das mitten auf der Straße.Der große Markt von Bangkok am Ufer des Chao Phraya ist für jeden Koch eine unglaubliche Erfahrung: Kaffernlimetten, frische Kräuter, Körbe voll mit Chilis und Ingwer. All diese Zutaten kommen in die Suppe.

Die gleiche Erfahrung habe ich in Japan mit dashi gemacht. In Frankreich ist Suppe nicht so wichtig wie in anderen Kulturen. Deshalb wollte ich die Bouillon wieder stärker in die französische Küche bringen. Bouillon hat keinen schlechten Ruf, aber ich denke viele Köche schätzen sie nicht angemessen—und das soll keine Kritik sein. Die meisten Köche wollen mit ihren Büchern Kunstwerke schaffen und dafür sind Suppen oder Bouillons wahrscheinlich nicht spektakulär genug.

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Alle Zutaten und Gewürze für eine Gemüsebrühe

Bei einer Bouillon oder Suppe ist es für mich am wichtigsten, dass man versteht, was und warum man etwas tut. Das weiß ich, weil ich genau das Gegenteil gemacht habe. Ich habe einfach Zutaten verwendet, ohne zu wissen, was genau sie für eine Brühe tun. Vor ein paar Jahren hieß es einfach nur: „Deine Brühe ist ein bisschen fad, würz sie mal noch ein bisschen." Das hieß dann nur Salz oder Pfeffer. Das reicht mir aber nicht.

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Bei einer guten Brühe muss alles genau abgestimmt sein. Wenn man bei meinen Gerichten nicht richtig dosiert, kann es schnell chaotisch werden. Bei mir geht es nicht einfach darum ein bisschen Geschmack nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen, sondern um echte Arbeit, um einen sensiblen Umgang mit den Zutaten. Das kann man nicht einfach nachkochen, wenn man sich nur sagt: „Ich nehme dieses und füge noch jenes hinzu." Man muss das Gericht verstehen und ein Gleichgewicht finden. So eine Art zu arbeiten entsteht aus Neugier, eine der Grundvoraussetzungen fürs Kochen. Die Neugier ist das einzige Werkzeug eines Kochs auf Reisen, wo man kein Team und kein Equipment hat. Er muss als Erstes die Schätze der Region entdecken, mit denen er dann arbeitet.Danach kann er dann nach Gefühl experimentieren.

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Buddhas Hand, Yuzu, Bergamotte und Zedrat-Zitrone—diese Zitrusfrüchte nimmt William Ledeuil gern für seine Bouillons und Brühen

Suppe ist für mich auch ein Spiegel der Ernährung—nahrhaft und gesund zugleich. Beim Wurzelgemüse und Kräutern geht es auch um das eigene Wohlbefinden und die Gesundheit—nicht unbedingt im medizinischen Sinne. Das sieht man täglich: Wir haben immer stressigere Jobs, bewegen uns immer weniger. Deshalb brauchen wir körperliche Betätigung. Ich habe neulich gelesen, dass die empfohlenen 30 Minuten Bewegung pro Tag nicht ausreichen. Es ist eben nicht genug, gemütlich pfeifend bis zur nächsten U-Bahn-Station zu gehen. Man muss richtig schwitzen. Für mich ist es da einfacher, sich gesund zu ernähren.

Ich habe nichts gegen Technik, aber ich denke so ein Wort ist eher etwas für Köche wie Jean-François Piège (der für mich einer der derzeit größten Techniker Frankreichs ist). Was er tut, könnte ich nie machen. Da braucht man enorm viel Wissen und Kontrolle für, ich bin eher instinktiv. Ich koche nicht wie aus dem Lehrbuch. Viele Köche, die eher technisch orientierter arbeiten, schauen sich die Lehrbücher genauer an, modernisieren oder überarbeiten sie. Manchmal benutze ich solche Grundlagenwerke auch, aber ich bin eher technisch, wenn es um den Blick auf die Dinge geht. Das ist ein etwas anderer Ansatz.

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Hühnerbrühe

Ein bisschen wild und brutal bin ich auch. Ich mag keine Menschenmassen, sondern lieber frische Luft und Freiraum. Daher muss ich Paris ab und zu den Rücken kehren, um wieder in Einklang mit der Natur zu kommen, meine größte Inspirationsquelle—und das nicht, um dort einfach nur Gemüse für das nächste Gericht auszusuchen. Was mich in Thailand sehr beeindruckt hat, war zu sehen, dass parallel zur rasanten Urbanisierung auch sehr alte Dinge existieren. Die Menschen ernähren sich von ihrer Suppe, die sie mit frischen Zutaten gemacht haben, inmitten einer modernen Großstadt. Durch diese Menschen versteht man eine Kultur. Das Gleiche gilt in Japan, auch wenn es sich dort etwas im Zaum hält.So wird ein Teil der Kultur bewahrt. Einerseits hat man die riesigen Gebäude und andererseits auch kleine, dorfähnliche Gassen. Die französische Küche ist sehr ländlich, alles ist eng mit den Regionen verknüpft. Und sie ist deshalb so wertvoll und reichhaltig, weil sich starke regionale Identitäten in ihr vereinen.

Nach Suppen und Bouillons werde ich mich als nächstes auf Nudeln konzentrieren, sowohl die asiatischen als auch die italienischen Varianten. Ich glaube, Nudeln eine ideale Grundzutat, mit der man kreativ werden kann. Ich mag solche Kombinationen: wie Ramen-Nudeln, aber aus italienischem Pastateig, oder wie ein Dim Sum, aber mit französischen Zutaten. Es gibt so viele Möglichkeiten. Schon alleine beim Wort „Linguine" habe ich sofort so viele Rezeptideen, bei Kalbshachse eher weniger.

Aufgezeichnet von Alexis Ferenczi.

William Ledeuil hat seinen ersten Michelin-Stern 2008 erhalten. 2010 wurde er vom Gault Millau und vom Fooding zum Koch des Jahres gekürt. In Paris hat er zwei Restaurants, das Ze Kitchen Galerie und das KGB (Kitchen Galerie Bis). Kürzlich erschien sein Rezeptbuch Bouillons, eine Liebeserklärung an das symbolreichste flüssige Gericht seiner Küche. Dieser Artikel erschien ursprünglich auf MUNCHIES FR.