Gegrillter Schafskopf zum Frühstück

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Paris

Gegrillter Schafskopf zum Frühstück

Paris hält einige kulinarische Überraschungen bereit. Abseits des üblichen Chics und dem miesgelaunten Servicepersonal kann man im Stadtteil Barbès mal etwas anderes Street Food probieren: gegrillter Schafskopf.

Sternerestaurants, raffinierte Küche und miesgelaunte Kellner. Das sind die typischen Assoziationen mit der Pariser Gastronomie. Wenn man aber ein bisschen was vom äußeren schicken Lack abkratzt, dann hält die französische Hauptstadt einige kulinarische Überraschungen bereit. Als ich eines Tages nichtsahnend durch das Stadtviertel Barbès ging, stieß ich auf eine ziemlich interessante Entdeckung.

Ich versuchte mir meinen Weg durch Stände mit iPhones, die vom Laster gefallen sind, und illegale Straßenverkäufern zu bahnen, und landete plötzlich bei MC Omar, einem kleinen Imbiss, dessen Angebot ein wenig aus dem Rahmen fiel: Wo sich sonst auf dem Grill ein Hähnchen windet, drehen hier ein paar Schafsköpfe mit hervorstehenden Augen und Zähnen ihre Runden. Erst hat mich der Anblick total überrascht, dann mischten sich dazu noch Angst, Ekel, aber auch ein bisschen Neugier. Ich fasste allen Mut zusammen und entschied mich ein paar Minuten später, einen dieser ungeheuerlichen Köpfe zum Frühstück zu verspeisen.

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Ein älterer Stammgast bei seinem Festmahl. Alle Fotos vom Autor

Ich will hier nicht um den heißen Brei reden: Schafskopf ist nunmal nicht gerade das appetitlichste Gericht der Welt. Außerdem heißt es, man weiß gar nicht recht, was man als erstes essen soll.

Im Laden war nur ein einziger Kunde, ein älterer Herr aß gerade am Tisch einen der Schafsköpfe—später erfuhr ich, dass er zwei bis drei Stück pro Woche isst. Hinter der Theke stand Hamza, der mir bereitwillige erzählte, welche Teile man vom Kopf essen kann: „Man isst alles! Hirn, Augen, Backen, sogar die Zunge."

In Frankreich gibt es ein Sprichwort, dass man frei übersetzen könnte mit: „Alles ist fein am Schwein".

In Frankreich gibt es ein Sprichwort, dass man frei übersetzen könnte mit: „Alles ist fein am Schwein". Dieser Spruch schießt mir bei diesem Anblick sofort in den Kopf und gleiches gilt wohl auch, wie ich heute herausfinden werde, für Kollege Schaf. Auch wenn der Schafskopf, der sich gerade langsam auf dem Spieß dreht, optisch nicht gerade ermutigend auf mich wirkt, wage ich den Versuch und zahle die sechs Euro.

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Der rohe Schafskopf, bevor er auf den Spieß kommt

Hamza erzählt mir im Gespräch, dass Schafs- und Lammfleisch untrennbar zur arabischen Küche gehören—oder auch zur „orientalischen" Küche überall zwischen Marokko und dem Irak. Es gibt so viele verschiedene Rezepte und Zubereitungsarten und das Fleisch wird in allen Formen gegessen. Insbesondere zum Opferfest, dem höchsten islamischen Fest, wird Schafsfleisch im Überfluss gegessen.

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In Hamzas Imbiss wird der Schafskopf aber im einfach Adamskostüm serviert: Nachdem die Haut abgezogen wurde, wird der Schädel einfach aufgespießt, „dann dreht er ungefähr eine Stunde lang seine Runden im Grill. Unserer funktioniert aber nicht so gut, deshalb bleiben die Köpfe anderthalb Stunden drin", erklärt mir Hamza und greift nach einem riesigen Küchenbeil, wie in einem Splatterfilm. Dann holt er aus und spaltet Schädel entzwei, Dämpfe steigen auf. Wie eine aufgespaltene Kokosnuss liegt er auf dem Tisch und vor mir breiten sich die grauen Zellen des Schafs aus: ein Fleischkuddelmuddel mit verschiedenen Texturen und Farben, das ich mir lieber nicht so lange anschaue, da mir sonst möglicherweise der Appetit vergeht.

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Hamza, das Fleischermesser und der Schafskopf

Ich nehme also allen Mut zusammen und setze mich mit meinem gespaltenen Schädel an einen Tisch. Bis auf meinen Sitznachbarn, den älteren Herrn, der entschlossen scheint, kein Gramm Fleisch von seinem Schafskopf übrig zu lassen, sind keine weiteren Gäste da und ich stehe meinem Schicksal ganz allein gegenüber.

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Hamza sieht mich belustigt an: „Siehst gut aus", ruft er mir zu und bringt mir eine Zitrone und einen Batzen Servietten weil man dieses Ding „mit den Fingern essen muss". Um mir die Sache einfacher zu machenund eine kulinarische Enttäuschung zu verhindern, frage ich auch nach ein bisschen Harissa. Im schlimmsten Fall ist dann die Paprika mein geschmacklicher Rettungsanker.

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Der Teil des Kopfes, der mich am meisten reizt und gleichzeitig ekelt, sind die Augen. Also fange ich damit an. Ich stecke meinen Finger in die Augenhöhle des Tiers und hole eine Art zäh-klebrige Masse raus, in deren Innern sich eine kleine schwarze, murmelgroße Kugel befindet. Keine Zeit groß nachzudenken, ich nehme alles auf einmal in den Mund und beginne zu kauen. Auch im Mund fühlt es sich leicht klebrig an und überraschenderweise hat die kleine „Murmel" (eigentlich die Linse) dieselbe Konsistenz wie eine halbgekochte Kichererbse. Ich schlucke alles in einem Zug herunter, aber das zweite Auge bleibt dann doch lieber dort, wo es ist.

Die Zunge ist definitiv der leckerste Teil des Schafkopfs, der jetzt einäugig und fast komplett entleert auf meinem Teller ruht.

Als nächstes kommt das leicht gräuliche Hirn. Die zwei Hirnhälften sind noch gut in der Schädelhöhle erkennbar, also raus damit. Anders als gebratenes Hirn wurde dieses quasi im Schädel dampfgegart. Deshalb ist es auch weniger knusprig und hat nicht diese leichte Rauchnote: Die Textur erinnert eher an die von Leber, auch wenn es etwas labbriger ist und damit eher was von Knochenmark hat. Trotz des sanften Geschmacks kündigt sich bei mir langsam ein Brechreiz an. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Hamza hämisch grinst. Ich wage mich nicht einmal an die zweite Hirnhälfte, sondern gehe lieber gleich zum nächsten Teil über.

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Alle wichtigen Teile des Schafskopfs: Gehirn, Augen, Zunge und Backen

Die Zunge. An der Spitze ist sie gut durchgebraten, weil die beim Grillen leicht aus dem Schädel herausguckt. Am Ende ist sie jedoch noch halb roh. Die Textur ist etwas komisch, aber hey, es ist immerhin so, wie man sich Zunge vorstellt. Allerdings muss es einem halt schmecken: Nachdem ich sie aus dem Mund herausgerissen habe und in ein bisschen Harissa getunkt habe, habe ich sie so schnell runtergeschluckt, wie es nur ging.

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Der letzte Teil ist zweifellos der beste: die Backen. Wie bei den meisten Tieren—für mich sind das Tiere, die man auch beim Fleischer kaufen kann, Krokodilsbacken habe ich noch nie probiert—ist dieser Teil extrem weich und ich freue mich richtig darauf.Auch wenn der Geschmack hier prägnanter ist als beim Schwein, ist das definitiv der leckerste Teil des Schafkopfs, der jetzt einäugig und fast komplett entleert auf meinem Teller ruht.

Mit fettigen Händen und befriedigter Neugier schaue ich Hamza an, der mich amüsiert fragt: „Und? War's gut?"

Schwierig, das zu bejahen. Aus Höflichkeit winde ich mich ein bisschen drumherum: „Die Backen und die Zunge waren lecker, aber der Rest war etwas schwierig herunterzubekommen."

„Weißt du, die Augen mag ich auch nicht so sehr … Selbst die Älteren essen die nicht unbedingt", gab er schließlich zu.

Auch schön, wenn man den leicht bitteren Geschmack eines Schafsauges später noch einmal zu spüren bekommt, weil es im Hals querliegt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf MUNCHIES FR.

Auf der Suche nach kulinarischen Besonderheiten im alltäglichen Leben bereist Florian die Welt. Ihr könnt ihn auf seiner Reise auf Facebook begleiten.