So schmeckt ein 100 Tage alter Burger

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Burger

So schmeckt ein 100 Tage alter Burger

Hundert Tage altes Fleisch für einen Burger? Gegammeltes für viel Geld?
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Alle Fotos von Javier Cabral

„Wenn man Fleisch trocken reift, geht immer ein bisschen was verloren, ähnlich wie beim Whisky", erklärt mir Koch Ryan Riedy. „Von einem dreienhalb Kilo schweren Rib Eye bleiben nach dem Reifen noch gut drei Kilo übrig."

Ich stehe an der heißen Grillplatte in der Küche von Belcampo Meat Co. hinter ihrem Stand im Grand Central Market in Los Angeles. Fasziniert beobachte ich (mir fallen fast die Augen raus), wie Küchenchef Ryan eine rote Scheibe aus 100 Tage altem Rindfleisch aus Grasfütterung mit unglaublicher Marmorierung sanft auf die heiße Platte legt.

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Einen kurzen Moment lang übertönt das Zischen des bratenden Fleischs—überwiegend Stücke aus der Hochrippesogar die Hintergrundmusik und die Menschenmassen, die sich an einem Freitagnachmittag auf dem Markt tummeln. Durch das verbrennende Fett aus dem Rindfleisch und der Butter, mit der Ryan Riedy das Fleisch bestreicht, entstehen wohlriechende, dicke, weiße Rauchschwaden, die das Belüftungssystem fast überfordern.

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Ich unterziehe mich freiwillig dieser Geduldsprobe, um herauszufinden, wie ein Burger aus 100 Tage altem Fleisch schmeckt und vor allem, wie man Rindfleisch im Wert eines Viertels meiner Miete richtig zubereitet. Diese wuchtigen Cheeseburger von Belcampo sind quasi Gold wert, dazu gibt es selbst gemachte Pommes.

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Der Gourmetburger (auf der Karte unter „Steak Burger" zu finden) wird noch mit einer dicken Scheibe Raclette-Käse, Aioli mit körnigem Senf, karamellisierten Zwiebeln, Rucula und einem Spritzer 57-prozentigem Whisky zwischen zwei fluffigen Sesam-Burgerbrötchen serviert.

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Während einer Woche ihres Burger Awareness Month hat Belcampo diese Köstlichkeiten für nicht einmal 15 Dollar [umgerechnet 13 Euro] verkauft, normalerweise kosten sie 23 Dollar [20 Euro].

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Man könnte sagen, dass Fleisch beim Dry-Aging quasi für ein besonderes Geschmackserlebnis vergammelt. Spätestens seitdem ich Magnus Nilsson bei Mind of a Chef gesehen habe, wo er ein saftiges, fünf Monate altes Rib-Eye-Steak mit einem käsegelben Fettrand bestaunt, schneidet und schließlich brät und mit Zuckertang serviert, bin ich davon fasziniert.

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Auch wenn das Fleisch von Belcampo nicht ganz so alt ist, kann ich so zumindest ansatzweise herausfinden, wie so etwas wohl schmeckt.

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Als umweltbewusster Fleischesser habe ich schon länger ein Auge auf Belcampo geworfen, weil sie auf nachhaltige Tierzucht setzen. Ihre Farm liegt im Tal des Shasta River in Kalifornien, in etlichen Dokumentationen wurde schon gezeigt, wie sie in traditioneller Weise Rinder und auch andere Tiere auf besten Weideflächen züchten. Die zwei Restaurants von Belcampo haben sich bereits in der Burgerszene einen Namen gemacht, einige Food-Größen L.A.s haben sogar behauptet, dass der Belcampo-Burger besser ist als der aktuelle Champion der Stadt, Father's Office.

Und, war er das?

Randy Riedy, der zuvor für einige der Top-Locations in L.A. wie Spago, Maude und AOC gearbeitet hat, beschreibt den Geschmack des bewusst vergammelten, 100 Tage alten Burgers als „fettig mit einer leicht ranzigen Note".

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Die zehn Minuten Wartezeit—fünf Minuten für jede Seite—kommen mir wie eine Ewigkeit vor, dann muss ich mich noch ein bisschen länger gedulden und das Fleisch etwas ruhen lassen, damit seine Säfte schön austreten können. Dann der erste Biss. Das Burger-Patty ist englisch angebraten, mit Tendenz zu blutig. Ich erwarte einen ranzigen Geschmack, wie wenn man ein altes Stück Fleisch isst, das ein bisschen zu lange im Kühlschrank lag, aber nichts. Es schmeckt nur ein bisschen grasig. Es ist zwar eine umami Bombe, aber gleichzeitig ist es irgendwie doch auch pflanzlich-mild. Ein wunderbarer Geschmack, aber nicht unbedingt das, was man erwartet, wenn man die Worte „100 Tage alt" hört.

Ryan Riedy erklärt mir, dass ein bisschen was von dem eigensinnigen Geschmack beim Faschieren verloren gehen kann, aber das ist mir egal. Trotzdem verschlinge ich den Burger innerhalb von nur fünf Minuten. Ob ich wiederkommen würde und den vollen Preis von 23 Dollar für den Burger zahlen würde? Vielleicht, um mir oder Freunden was Gutes zu tun. Und mit was könnte man sich besser gönnen als dem leckersten nachhaltigsten Burger Kaliforniens.

Trotzdem will ich immer noch das fünf Monate alte Rindfleisch von Nilsson probieren.