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Dieses versiegelte, alte iPhone 1 ist euer digitaler Beichtstuhl

Dem niederländischen Kunstprojekt „0642764284“ könnt ihr so ziemlich alles anvertrauen, denn niemand wird eure Nachrichten je hören oder lesen können.
Bilder mit freundlicher Genehmigung der Künstler

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf The Creators Project Niederlande.

Mitten in der Galerie in der Govert Flinckstraat 145 in Amsterdam ist ein altes iPhone 1 ausgestellt. Auf einem einsamen Podest, eingehüllt in eine Plastiktüte, verschlossen in einer Gussform und angeschlossen an ein Netzteil, wartet es auf deinen Anruf.

Das ungewöhnlich Kunstwerk trägt den Titel 0642764284, der gleichzeitig die Nummer ist, um das iPhone anzurufen [Für Anrufe aus Deutschland wählt bitte statt der 0 am Anfang die Vorwahl der Niederlande 0031]. Bei Anruf ertönt eine Mailbox-Nachricht in drei verschiedenen Sprachen. Anschließend könnt ihr eure Nachricht hinterlassen. Alternativ könnt ihr natürlich auch SMS senden, aber kein Mensch wird sie je lesen. Denn das versiegelte iPhone fungiert als eine Art digitaler Beichstuhl, dem ihr eure intimsten Geheimnisse anvertrauen könnt.

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Wie die 23-Jährigen Erfinder der Installation, Noah Latif Lamp und Ciro Dublos vom Kunstkollektiv Indebt Studio, fröhlich verkünden, könne man sogar einen Mord gestehen, ohne dass jemals jemand davon erfahren würde. Ich habe in der Galerie mit den Künstlern hinter 0642764284 über ihr Kunstwerk gesprochen.

The Creators Project: Warum wolltet ihr ein Handy in eine massive Gussform stecken?

Noah Latif Lamp (N): Ich hatte noch nie ein Handy.

Ciro Dublos (C): Ich bin nicht ganz sicher, wann wir die Idee hatten. Ich glaube, wir saßen im Okura Hotel am Pool.

Erzählt schon.

C: Ja, die Location ist eigentlich unwichtig. Wir saßen da und dachten:, 'Wie krank wäre es, wenn es ein Handy gäbe, das man anrufen, aber nicht abnehmen könnte?' Zuerst hatten wir die Idee, das Telefon weit oben in einen Baum zu hängen, so dass man es zwar hören, aber nicht abnehmen könnte.

N: In einem gewissen Moment hatten wir eine Offenbarung: Wir mussten ein Handy kreieren, dass man nicht abnehmen kann, das aber ständig in der Nähe ist.

Fandet ihr es nicht nervig, dass es immer in der Nähe war?

C: Nein, überhaupt nicht. Noah hatte noch nie ein Handy.

Auch aktuell noch nicht?

N: Jetzt habe ich schon eins, aber nur für geschäftliche Dinge. Ich muss jetzt eins haben. Aber psssst… erzähl es niemandem.

C: Einmal waren wir abends an der Blauwe Plein unterwegs. Da lief ein Obdachloser rum und machte Scherze.

Was für Scherze?

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N: Wir sprachen über Apple-Verschwörungstheorien. Dass das Logo von Apple eine verbotene Frucht ist, bei der ein Biss fehlt. Wir entschieden uns bewusst für das erste iPhone. Es bezieht sich auf die verbotene Frucht. Sobald du die Frucht isst, bist du am Arsch.

Das heißt, wenn man sein erstes Smartphone kauft, ist man am Arsch?

N: Ja. Als das erste iPhone raus kam, wurde auf einmal alles total digitalisiert. Es ist also eine Art verbotene Frucht, nicht wahr? Es ist der Anfang vom Ende.

Ist dieses Kunstwerk eine kritische Stellungnahme dazu?

C: Ich weiß nicht, ob es eine Kritik ist, aber es ist vielsagend und eine Beobachtung. Davon abgesehen haben wir keine Meinung dazu.

„Gott ist die iCloud“

Es ist dennoch ein schöner Vergleich: Der Beginn einer neuen Ära.

C: Ja, eigentlich ist das eine tiefere Ebene des Werks. Zunächst einmal ist es ein Telefon, das du nicht erreichen kannst. Wenn wir das den Leuten erzählen, reicht das normalerweise an Erklärung.

N: Man kann das Telefon anrufen und eine Nachricht hinterlassen. Du kannst ihm Textnachrichten schicken, aber die bleiben alle im Phone. Niemand kann sie sehen. Man könnte sogar einen Mord gestehen.

Noah(links) und Ciro (rechts) bei den letzten Vorbereitungen.

Eine Art digitaler Beichtstuhl?

N: Ja, niemand hat Zugriff auf das Smartphone, außer über's Internet. Das Kunstwerk hat keine religiöse Bedeutung, außer dass Apple selbst eine Religion ist.

C: Wenn Leute ein Apple-Produkt haben, haben sie alle Produkte von Apple.

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N: Gott ist die iCloud.

Ist das iPhone eine Sünde? 

N: Als die Schlange Eva überredete, die Frucht zu essen, realisierten sie, dass sie nackt waren. Dann wurden sie aus dem Paradies geworfen. Sie waren sich schlagartig bewusst, dass sie Menschen waren und keine Tiere. Sie verließen die Natur und begannen sich für ihre Nacktheit zu schämen. Mit den ganzen Smartphones haben wir uns von der Natur entfernt. Die Leute sind sich dessen sehr bewusst, was sie von sich selbst preisgeben. Wir machen uns selbst zu Göttern über Social Media. Jeder zeigt nur seine beste Seite.

Abschlussfrage: Wessen Phone ist es?

C: Es gehört niemandem. Wir haben es gefunden.

Die Ausstellung in der Govert Flinckstraat 145 ist noch bis Anfang Juni zu sehen.

>> Hier geht es zur Website des Indebt Studio