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420 games

Die 420 Games—mein erster Laufwettbewerb auf Weed

Um zu zeigen, dass Marihuana-Konsumenten mitnichten nur Hänger sind, wurden in Kalifornien die 420 Games ausgetragen. Dort musste man nicht nur fett sein, sondern auch fit.
Photo courtesy of 420 Games

Während die meisten Personen, die sich für die US-Legalisierung von Marihuana interessieren, mit Spannung auf die kommenden (und entscheidenden) Präsidentschaftswahlen schauen, kann man schon heute konstatieren, dass das letzte Jahr ein wichtiges war für all diejenigen, die Weed zu einer Mainstream-Sache machen möchten. Allein schon die Tatsache, dass Cannabis und Mainstream immer häufiger in einem Satz stehen, sagt schon vieles. Hempfests, also bunte Open-Air-Weed-Messen, und großangelegte Smoke-outs haben im letzten halben Jahrhundert verlässlich für großes Medieninteresse gesorgt. Das ist in den letzten Jahren noch weiter gestiegen, als sich die USA mit großen Schritten Richtung Legalisierung bewegt haben.

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Also waren die „420 Games" letzten Sommer in San Francisco—eine Laufveranstaltung über knapp 6,5 Kilometer—ein Event, das ich als leidenschaftlicher Jogger und Anwalt, der sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzt, auf keinen Fall verpassen durfte.

Marihuana konsumierende Athleten sind kein besonders neues Phänomen. Während Marihuana unter Profi- und Amateursportlern fast überall weiterhin streng verboten ist, gibt es gleichzeitig auch schon Athleten, die bereit sind, sich als Konsumenten zu outen. Als großer Fan der Boston Red Sox ist mein Idol in diesem Zusammenhang der ehemalige Pitcher Bill „Spaceman" Lee, der in den 70ern berühmt dafür war, seine Pancakes mit Weed zu bestreuen. Direkt im Anschluss machte er sich dann auf die Piste und joggte die rund acht Kilometer zum Fenway Park. Und das jeden Tag. Seitdem hat die Rhetorik zum Gebrauch von Marihuana in der Sportwelt eine Entwicklung hingelegt, die die steigende Akzeptanz in der Gesellschaft widerspiegelt. Die aktuelle Kampagne zur vollständigen Legalisierung von Cannabis hat einige Athleten, darunter auch Sprintass Usain Bolt, dazu inspiriert, den früheren Konsum von Marihuana einzugestehen. Doch mit Ausnahme von einigen wenigen lobenswerten Beispielen stießen die Sportler auf harte Strafen und noch härtere Kommentare, weswegen die meisten Athleten ihr Geheimnis lieber für sich behalten.

In Kalifornien hat die große Anzahl an Konsumenten zum Entstehen eines großen Marktes geführt, der seinerseits um ein quasi-legales medizinisches System herum aufgebaut ist. Einige Firmen werben schon heute für bestimmte Produkte, die direkt auf Sportler zugeschnitten sein sollen, wie zum Beispiel Cannabis-Kaugummis für eine höhere Ausdauer. Andere Firmen, wie etwa Koma Konfectionz, haben durch Zufall festgestellt, dass einige ihrer bereits existierenden Produkte mit hohen THC-Werten von Sportlern umfunktioniert wurden, nachdem diese festgestellt hatten, dass sie Schmerzen und Entzündungen mildern können. „Wir hatten davon keine Ahnung", so Koma-Sprecher Steve Walker, „andererseits bin ich dann doch nicht wirklich überrascht, wenn man sich anschaut, wie unterschiedlich unsere Patienten sind."

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Ein Porträt des Künstlers als junger, extrem verschwitzter und nicht ganz drogenfreier Mann. Foto: Stefan Borst-Censullo

Bevor ich anfing, für dieses Event zu trainieren, hatte ich noch nie mit Absicht Kiffen und Joggen miteinander verbunden. Durch die Teilnahme an Laufwettbewerben konnte ich in der Vergangenheit eine unangenehme Essensstörung überwinden, während das Rauchen von Marihuana mir dabei half, meine Prüfungsangst während des Jurastudiums in den Griff zu kriegen. Ich wusste also, dass jeder einzelne der beiden Mechanismen in der Lage war, mir zu helfen, jetzt ging es also darum, sie zum allersten Mal gleichzeitig auszuprobieren.

Jim McAlpine—der die 420 Games ins Leben gerufen hat, um Marihuana zu entstigmatisieren—wollte genau dasselbe verwirklichen. An fast jedem Wochenende gibt es in Kalifornien verschiedenste Mottoläufe sowie auch eine große Anzahl an Konzerten und Festivals, die sich für eine Legalisierung aussprechen. Das soll aber nicht heißen, dass es bei dem „420 Games"-Lauf darum ging, auf der Strecke einen Joint zu rauchen. Ganz im Gegenteil. Der Marihuana-Konsum während des Rennens war ausdrücklich verboten (auch wenn sich ein paar wenige daran nicht halten wollten). Stattdessen futterten wir Teilnehmer schon lange vor dem Start unsere essbaren Cannabis-Produkte.

Als es dann endlich losging mit dem eigentlichen Lauf, musste ich feststellen, dass die Strecke alles andere als einfach war. Das offizielle Motto der 420 Games lautete „Everything in moderation except sweat" („Bis aufs Schwitzen alles in Maßen") und die vielen Hügel, die von den Organisatoren in den Streckenverlauf integriert wurden, waren ein Zeugnis dessen. Im Zielbereich lockten verschiedene Sponsorenstände. Neben kleineren Firmen waren auch die Schwergewichte der Industrie vertreten. Also Unternehmen wie Kiva Chocolates und Eaze, die sich selber als „Uber but for Weed" vermarkten und erst vor Kurzem ein großes—und hochmediatisiertes—Investment von Snoop Dogg an Land ziehen konnten.

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Das hört sich nach einem stereotypischen „Only in California"-Event an und zu einem gewissen Grad ist es das auch wohl. Doch wie mit so vielen Dingen, die mit Drogen und dem Golden State zu tun haben, ist die Realität weitaus komplexer, als sie in den traditionellen Medien dargestellt wird. Denn der legale Vertrieb von Marihuana gilt schon heute als das am schnellsten wachsende Geschäft in den USA, mit jährlichen Einnahmen von über drei Milliarden Dollar. Jetzt, wo auch Cannabis-Unternehmen den guten alten US-Räuber-Kapitalismus für sich entdeckt haben, macht es nur Sinn, dass sie versuchen, ihre Legitimität über das amerikanische Ideal sportlicher Exzellenz auszubauen.

So sehen Sieger aus. Mit freundlicher Genehmigung von 420 Games

Die Stimmung war erwartungsgemäß ausgelassen, aber immer noch familientauglich und vor allem kein bisschen exzessiv. Firmenvertreter von Eaze standen am Streckenrand und feuerten die Teilnehmer an. Eine Mitarbeiterin von PureCure, die sich hauptberuflich um das Wohl von Hanfsamen kümmert, war die erste Frau im Ziel. Angestellte von Harborside Medical, ein weiteres Unternehmen für Cannabis-Produkte, zogen ihre ebenfalls in San Francisco sitzenden Rivalen von BPG auf, weil diese im Zielspurt keine Chance hatten. Ein MMA-Kämpfer überquerte die Ziellinie und wurde sofort von Frau und Kind in den Arm genommen. Es war ein rundum gelungenes, friedliches, gemeinschaftliches und eigentlich auch recht unspektakuläres Rennen. Ein Rennen wie jedes andere.

Darum werden auch die einzigen Leute, die vom Event enttäuscht waren, die zahlreichen Medienvertreter vor Ort gewesen sein. Die waren nämlich größtenteils gekommen, um eine echt verrückte Feature-Story mit noch verrückteren Protagonisten schreiben zu können. Doch statt Hasch- hieß es für sie nur Pustekuchen.

Als ich die Ziellinie überquerte, machte ich mir keinerlei Gedanken darüber, ob Veranstaltungen dieser Art das Ende vom sogenannten „Drug on War" einläuten könnten. Besonders high war ich auch nicht. Ich hatte einfach nur das Gefühl einer Person, die mehr als sechs Kilometer in den Beinen hatte. Mit anderen Worten, es war einfach nur schön, draußen und mit Gleichgesinnten Sport treiben zu können.

McAlpine sah das ähnlich. „Die richtigen Leute sind heute aufgekreuzt", erzählte er mir. „Jeder einzelne von den Teilnehmern hat die Mission dahinter verstanden. Es war ein Sportevent für eine—wie wir finden—gute Sache, es war aber kein Cannabis-Event."