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Basketball

Kyle Korver bleibt der Zen-Meister der Dreipunktewürfe

Er wirkt zwar wie ein Körperklaus, doch sein Wurf von außen ist eine tödliche Waffe. Und die werden die Hawks gegen die Wizards noch gut gebrauchen können.
Photo by Dale Zanine-USA TODAY Sports

Wenn man sich diese Saison Spiele der Atlanta Hawks anschaut, sieht man vor allem eins: einen Kyle Korver, der wie ein Irrer die Dreierlinie auf und ab flitzt, bis er den nötigen Platz hat, um einen seiner viel gefürchteten Würfe von außen zu nehmen. Irgendwann muss er doch mal stehenbleiben, lautet die Logik—und Hoffnung—der Verteidiger, oder doch zumindest langsamer werden. Doch Korver rennt einfach weiter. Korver ist dieses Jahr einfach nicht zu bremsen.

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Lasst uns ein paar Worte zu seinem Wurf verlieren, denn der folgt stets nach demselben Schema. Erst löst er sich von seinen Bewachern, fängt den Ball und setzt dabei schon zum Wurf an. Beim nächsten Ballbesitz seiner Hawks sehen wir das Gleiche. Selbst dann, wenn Korver beim Werfen zurückfällt und er gleich zwei Verteidiger vor der Nase hat, schafft er es fast immer, mit den Schultern zum Korb zu stehen. Die Spielsituationen mögen sich verändern, doch sein zielgenauer Wurf bleibt immer gleich.

Bei großen Spielern sehen schwierige Aktionen kinderleicht aus. Dirk Nowitzki schafft es, dass sein einbeiniger Fade-Away-Jumper irgendwie halbwegs elegant, aber auf jeden Fall extrem lässig rüberkommt. Steph Currys Dreier sind von solch fließender Bewegung, dass man glatt vergisst, wie schwer diese Würfe eigentlich sind. Im Gegensatz dazu wirkt einfach alles, was Kyle Korver macht, extrem unbeholfen und äußerst kompliziert.

Jeder Wurf, jeder Screen, jeder Sprint sieht bei ihm nach einer echten Herkulesaufgabe aus. Ganz so, als würde ihm jeder Atemzug unsägliche Mühe bereiten und er jederzeit zusammenklappen können. Doch stattdessen spielt er immer weiter und wirft und rennt und wirft und rennt und…

Das diesjährige Offensivspiel der Hawks wird bestimmt durch schnelles Rotieren des Balls, bei dem man lieber einmal zu viel als zu wenig passt und stets nach dem noch besser positionierten Mitspieler Ausschau hält. Korver ist ein wichtiger Baustein dieser Taktik. Und selbst wenn es bei ihm mal nicht so gut läuft und die Dreier ausnahmsweise nicht fallen wollen, muss die gegnerische Defense dennoch stets auf ihn aufpassen, sodass Freiräume für seine Mitspieler entstehen.

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Korver bei seiner absoluten Lieblingsbeschäftigung. Foto: Dale Zanine—USA TODAY Sports

Korvers Leistung glich in dieser Saison einer einzigen Erfolgsdauerschleife. Bis die Playoffs anfingen. Denn die Brooklyn Nets, der mittlerweile ausgeschaltete Erstrundengegner der Hawks, haben es wie zuvor noch kein anderes Team in der laufenden Saison geschafft, dem 2-Meter-Mann den Zahn zu ziehen. In den ersten Spielen der Postseason gelangen ihm 17 Dreier bei 48 Versuchen, was zwar einer immer noch starken Quote von 35 Prozent entspricht, aber gleichzeitig Lichtjahre entfernt ist von seiner fast schon historischen Quote von 49,2 Prozent aus der Regular Season. Was bei Korver einst nur schwierig aussah, war es plötzlich auch für ihn—zumindest für seine astronomischen Verhältnisse. Nicht zuletzt wegen dieser Tatsache hatten die Hawks—der uneingeschränkte Herrscher einer ingesamt mal wieder enttäuschenden Eastern Conference—gegen die Nets mit ihrer bescheidenen 38:44-Bilanz mehr Schwierigkeiten als erwartet.

Die Nets legten gegen Korver ein extrem physisches Spiel aufs Parkett. Das war auch einer der Hauptgründe dafür, warum die Hawks, die während der Regular Season noch die sechsbeste Offense der Liga hatten, in Runde 1 der Playoffs von 16 Teams nur noch den zehntbesten Angriff stellten.

Doch all das sieht man Kyle Korver eh nicht an. Denn der setzt am liebsten sein Pokerface auf und zeigt uns Zuschauern fast nie seine Emotionen. Deswegen kommt es auch nur selten vor, dass wir mal so etwas wie eine geballte Faust oder ein enttäuschtes Kopfschütteln von ihm zu sehen bekommen.

Auch wenn man sagen muss, dass sein Pokerface nicht unbedingt Coolness ausstrahlt. Oder übermäßige Gelassenheit und Zuversicht, was das betrifft. Es ist vielmehr das Gesicht eines konzentrierten Kämpfers. Jeder Schütze kennt sowas wie Schwächephasen, ob es nun an einer gut aufgestellten Verteidigung oder einem selbst liegt. Am Ende kann auch ein Korver nicht komplett kontrollieren, ob der Ball im Korb oder auf dem Ring landet. Das Einzige, was er tun kann, ist, sich freizulaufen, die Passwege seiner Mitspieler zu erahnen, mit dem Oberkörper richtig zum Korb zu stehen und den Mut nicht zu verlieren, wenn seine Würfe mal nicht fallen wollen. Glücklicherweise ist er aber eh ein Spieler, der stets an seinen Wurf glaubt und bis zur letzten Sekunde an ihm festhält. Und auch wenn Spiel 1 der zweiten Playoffrunde gegen die Washington Wizards für Korver nicht gerade nach Plan verlief („nur" 3 von 11 Dreiern, 3P%: 27,3), können wir davon ausgehen, dass der Körperklaus schon sehr bald von Downtown zurückschlagen wird.