Eine Person überblendet mit bunten Farben; Symbolbild für MDMA-Rausch

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Wie man ganz legal ein Kilogramm reines MDMA kauft

Die Multidisziplinäre Gesellschaft für Psychedelische Studien hat ein Ziel: Bis 2021 soll MDMA als verschreibungspflichtiges Medikament zugelassen werden.

In einem schmucklosen Gebäude in einer verschlafenen Kleinstadt des US-Bundesstaats Massachusetts liegt fast ein ganzes Kilogramm MDMA mit 99,9 % Reinheitsgrad. Das ist mehr als genug, um das gesamte Berghain ein Wochenende lang so richtig drauf zu schicken.

Das MDMA gehört der Multidisziplinären Gesellschaft für Psychedelische Studien (MAPS). Die Non-Profit-Organisation tut genau das, wonach ihr Name klingt: Sie studiert den möglichen medizinischen Nutzen psychedelischer Drogen. Die MAPS hat bereits LSD, Ayahuasca und Ibogain untersucht, doch MDMA ist von besonderer Bedeutung beim Erproben neuer Formen der Psychotherapie, die post-traumatische Belastungsstörungen mit Unterstützung von Psychedelika behandeln.

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„Denkt dran, dass gewisse Drogen legal sind, wenn man sie in der Forschung einsetzt."

Das MDMA, das die MAPS bereits besitzt, kann sie dafür aber leider nicht benutzen. Um die dritte und entscheidende Testphase der Therapien vorzubereiten (sie soll 2017 beginnen), muss die Gesellschaft laut den Vorschriften der US-amerikanischen Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde FDA MDMA verwenden, das über ein Zertifikat der „Guten Herstellungspraxis"- ein sogenanntes GMP— verfügt. Das Kilogramm, das derzeit bei der MAPS rumliegt, erfüllt die entsprechenden Kriterien leider nicht. Also muss die Gesellschaft sich irgendwie ein neues Kilogramm reines MDMAs besorgen.

Auf illegale Art und Weise geht das sehr schnell. Doch auf dem Schwarzmarkt findet man GMP-Qualität und 99-prozentige Reinheit nicht. Stattdessen steht dem MAPS eine Odyssee durch das Labyrinth der Bürokratie, Regulierungstellen und behördlichen Aufsicht bevor.

Alles beginnt mit einer Anfrage an die Regierung, ob man bitte ein bisschen MDMA kaufen könne.

Schritt 1: Erlaubnis bekommen

„Denkt dran, dass gewisse Drogen legal sind, wenn man sie in der Forschung einsetzt", erklärte einmal Dr. John Halpern. Der Psychiater von der Uni Harvard hat die Wirkungen von LSD und pschoaktiven Kakteen studiert. Alle Drogen, die für therapeutische Zwecke in Frage kommen, werden von der US-Drogenvollzugsbehörde DEA als Schedule II klassifiziert. MDMA gehört derzeit noch zur Kategorie Schedule I.

Das macht die ganze Sache viel aufwändiger als zum Beispiel bei Adderall oder Ritalin, die bereits zu Schedule II gehören. Der erste Schritt zur Erlaubnis, MDMA kaufen zu dürfen, ist der schriftliche Entwurf einer Studie. Man braucht einen Plan, wie die Forscher ihre Untersuchungen durchführen wollen. Dieser Plan wird dann von einem institutionellen Gremium bewertet, einem unabhängigen Komitee, das alle klinischen Studien begutachtet, bei denen Menschen involviert sind. Wenn eine solche Studie neben Menschen auch eine Schedule I-Droge beinhaltet, müssen sich die Forscher, nachdem der Planals ethisch vertretbar anerkannt wurde, für eine sogenannte IND-Nummer bei der Arzneimittelbehörde FDA bewerben. (IND steht dabei für Investigational new drug, also eine neue Droge für Forschungszwecke).

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„Je nachdem, um welche Substanz es sich handelt, kann es ziemlich viel Arbeit sein, diese IND-Nummer zu bekommen", so Halpern.

Diese Arbeit besteht hauptsächlich darin, eine sogenannte Wirkstoff-Stammdokumentation, auf Englisch Drug Master File (DMF), vorzulegen. Dabei handelt es sich um ein umfassendes Dossier von allem, was jemals über diese Drogen veröffentlicht wurde—von seiner chemischen Grundzusammensetzung bis zu bekannten Risiken. Wenn es tatsächlich das erste Mal ist, das jemand überhaupt diese Droge studiert, ist es ein riesiges Unterfangen: Eine DMF umfasst schnell mal Hunderte von Seiten. Glücklicherweise (für die MAPS) liegt der Arzneimittelbehörde für MDMA bereits eine solche Dokumentation vor. Sie wurde der Behörde bereits 1986 von der MAPS selbst vorgelegt und wird seitdem einmal im Jahr aktualisiert.

Desweiteren muss eine Forschungsbeschreibung eingereicht werden, in der erklärt wird, wie viel der Droge zu welchen Zwecken verabreicht werden soll. Bei früheren Testbehandlungen entdeckte die MAPS, dass MDMA den Patienten helfen kann, sich mit dem Kern ihres Traumas auseinanderzusetzen, ohne es auf dieselbe tief sitzende und schmerzvolle Art und Weise wieder durchleben zu müssen, wie es nüchterne Patienten tun.

Anhand dieser schriftlichen Ausführungen entscheidet die FDA dann, ob die Studie von öffentlichem Interesse ist oder nicht. All diese Schritte sind erforderlich , wann immer ein Mensch mit irgendeiner Droge therapiert werden. Handelt es sich um eine Schedule I-Droge, stellt die DEA noch ein paar Ansprüche mehr.

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Für das MAPS ist in diesem Fall Dr. Michael Mithoefer tätig, ein Psychiater aus North Carolina. Seit mehr als einem Jahrzehnt erforscht er den Einsatz von MDMA in Psychotherapien. Mithoefer ist natürlich bereits im Besitz einer Schedule I-Lizenz. Um sie zu bekommen, musste er der DEA nicht nur ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, sondern auch seine Praxis inspizieren lassen, den Ort, an dem die Drogen aufbewahrt und eingesetzt werden. Aufgrund der entsprechenden Auflagen gleicht Mithoefers Praxis jetzt eher dem Tresor einer Bank.

„Nicht, dass ich noch ungewollte Aufmerksamkeit errege."

„Wir haben einen 1.000 Kg-Safe, der alarmgesichert sein muss, genauso wie die Türen des Raums, in dem der Safe steht und das Gebäude, in dem sich der Raum befindet", erklärt Amy Emerson, Geschäftsführerin und Leiterin der klinischen Forschung der MAPS Public Benefit Corporation. „So viel also zum Thema Sicherheit."

Nachdem also der ganze Papierkram erledigt, die Auflagen erfüllt und die Praxis des Therapeuten in den CIA-Tresor aus Mission Impossible verwandelt worden ist, fehlt eigentlich nur noch der Stoff. Doch die MAPS kann natürlich nicht einfach den Walter White des MDMA anrufen und eine besonders große Bestellung aufgeben. Die US-Regierung hat ihre eigene Drogensammlung, die für Forscher zugänglich ist. Allerdings steht sie nur denjenigen Wissenschaftlern offen, die sich mit den gefährlichen Auswirkungen von Drogen und Abhängigkeiten beschäftigen und nicht einem möglichen Nutzen. Glücklicherweise gibt es zumindest ein pharmazeutisches Unternehmen, das gewillt und in der Lage ist, eine große Ladung an den Start zu bringen.

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Schritt 2: Ein Rezept für MDMA

Irgendwo auf dem englischen Land an der Nordseeküste gibt es nun also diese Firma, die vertraglich damit beauftragt ist, für die MAPS MDMA herzustellen. Ein Experte des Unternehmens freute sich ziemlich, mit mir über seine Arbeit zu plaudern, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sein Name, der Name der Firma sowie der Firmensitz strikt geheim bleiben. Denn wenn man vorhat, 1.000 hochqualitative und zu 99 Prozent reine Gramm einer beliebten Partydroge herzustellen, muss man einfach ein paar Vorsichtsmaßnahmen treffen.

„Nicht, dass ich noch ungewollte Aufmerksamkeit errege", erklärt sich mein Kontakt.

Der pharmazeutische Hersteller—nennen wir ihn jetzt einfach mal Firma X—wird das MDMA nicht in Pillenform produzieren; denn das Zeug soll ja auch nicht auf der Fusion verkauft werden. Stattdessen wird Firma X den Arzneimittelwirkstoff herstellen, die 99 Prozent reine, pulverisierte Form der Droge. All die Füllstoffe und Bindemittel, die wir in den Pillen haben, brauchen wir in der Therapie ja nicht.

Das Grundrezept für die Herstellung von MDMA findet man in der chemischen Literatur: Reaktionsschemata, die den Chemikern von Firma X zeigen, welche Inhaltsstoffe sie in welcher Weise kombinieren müssen, um das Zielmolekül zu kreieren. Man findet diese Informationen schon über eine einfache Google-Suche. Um allerdings MDMA herzustellen, das GMP-Standards erfüllt, braucht man schon ein paar mehr Details.

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Und da man diese Details nicht in den Reaktionsschemata findet, brauche es einfach etwas Zeit, um den Herstellungsprozess weiterzuentwickeln und zu verfeinern, erklärt mir mein Gesprächspartner. Ihm kommt dabei zu Gute, dass andere Firmen diesen Verfeinerungsprozess bereits hinter sich haben und gewillt sind, ihre Erkenntnisse für einen bestimmten Preis zu teilen. Die MAPS hat ein derartiges „kommentiertes Rezept" natürlich gekauft und Firma X so einiges an Starthilfe gegeben, um das perfekte, GMP-zertifizierte MDMA herzustellen.

Nur weil die MAPS das MDMA dann in den Händen hält, darf sie es aber noch lange nicht ihren Patienten verabreichen.

GMP-zertifiziert bedeutet im Grunde genommen, dass man jeden Schritt im Herstellungsprozess der Droge belegen kann— von der Einrichtung, die die Ausgangschemikalien produziert bis zum finalen Verpackungsprozess. Alles erfolgt nach einer strikten Prozedur, die gewährleistet, dass eine sichere und konsistente Droge hergestellt wird. Das erfordert eine sorgfältige Dokumentation und Aufsicht seitens des Drogenherstellers. Jederzeit kann ein Inspekteur vorbeikommen und den Hersteller auffordern, ihm einen spezifischen Teil des Produktionsprozesses zu erläutern—zum Beispiel, wie ein Becher gesäubert wird, in den der Hersteller eine Chemikalie füllt. Die MDMA-Herstellung ist ein sehr präzisionslastiges Unterfangen. Doch diese Präzision garantiert schlussendlich nicht nur die Sicherheit und Reinheit der Droge, sondern auch, dass anschließend jede neue Bestellung identisch zur ersten Ladung ist.

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Am Ende des Produktionsprozesses gibt es dann außerdem noch jede Menge Sicherheitsvorkehrungen. Firma X verfügt bereits über eine Lizenz, mit der sie Schedule I-Drogen herstellen können, musste aber trotzdem zahlreiche Auflagen erfüllen, um die ursprünglichen Inhaltsstoffe besitzen zu dürfen. So musste das Unternehmen die Ausrüstung seiner Anlage mit Sicherheitssystemen nachweisen und der britischen Regierung ausführlich erläutern, was die Firma tut, wohin die Produkte gelangen und wofür sie verwendet werden. Und da das MDMA die Grenzen der USA passiert, braucht die Firma natürlich auch noch eine besondere Genehmigung von der FDA und der DEA.

Firma X ist derzeit noch dabei, anhand kleinerer Proben die Produktion von MDMA nach GMP-Kriterien zu produzieren. Sobald das Produkt alle Standards erfüllt, wird die Firma das gesamte Kilogramm produzieren und an die MAPS schicken. Voraussichtlich ist es irgendwann im nächsten Jahr so weit.

Nur weil die MAPS das MDMA dann in den Händen hält, darf sie es aber noch lange nicht ihren Patienten verabreichen.

Schritt drei: Dosierung

Auch wenn es all die Sicherheitsvorkehrungen und den MDMA-Tresor gibt, sieht der Ort, an dem die Experimente stattfinden, eher beschaulich aus. Die MAPS-Klinik ist kein kaltes, steriles Labor: Das Beratungszimmer erinnert mit seinen Plüschsesseln, neutralen Teppichen und heiteren Gemälden an der Wand eher an gehobenes Seniorenheim.

Während einer Sitzung nimmt ein Patient mit posttraumatischer Belastungsstörung eine Dosis MDMA (ohne, dass er weiß, wie viel es ist), lehnt sich zurück und wartet auf die Wirkung. Es ist ein sehr personalisierter Prozess. Der Trip ermöglicht es dem Patienten, traumatische Momente in seiner Erinnerung wieder hervorzuholen, liebevoll gedämpft durch die psychedelischen Effekte des MDMA. Eine Sitzung dauert dabei mehrere Stunden und erfordert eine Übernachtung des Patienten in der Klinik. Die Übergänge zwischen geführter Therapie und stiller Reflexion sind dabei fließend. Letztendlich geht es darum, tiefe seelische Wunden zu heilen—mit Hilfe von MDMA.

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Der Großteil des für ärztliche Zwecke verwendeten MDMA-Pulvers kann nicht allein in Mithoefers Büro gelagert werden. (Es ist nämlich sehr, sehr viel MDMA). Die MAPS lagert ihr MDMA deshalb aktuell mit Hilfe einer Firma namens Organix —genau, das nichtssagende Gebäude vom Anfang des Texts. Organix besitzt eine Lizenz zur Lagerung und Verschiffung der Droge.

Allerdings ist die Pulverform, in der Organix das MDMA lagert, für Therapiezwecke nicht besonders geeignet. Pulver ist zu unhandlich, um es präzise zu verabreichen—genau darum geht es aber in der Therapie. In den bisherigen Phasen der Studie bekamen die Patienten MDMA-Dosen von 30, 75 und 125 Milligramm verabreicht—und zwar komprimiert in einer Kapsel.

Bisher schickt Organix also das Pulver im guten alten Fedex-Pappkarton direkt in Mithoefers Büro. Der muss das Paket persönlich annehmen, packt es aus und ist verpflichtet, es sofort in seinem Tresor zu verschließen.

Nun wird es zum letzten Mal etwas knifflig. Mithoefer hat zwar die Lizenz, um das MDMA zu verabreichen, allerdings darf er es nicht selbst verkapseln. Also muss ein Apotheker in Mithoefers Büro kommen, um das MDMA in die Kapseln zu pressen, die dann den Patienten verabreicht werden.

Da die MAPS mit doppelblinden Studien (d.h. weder Patient noch Arzt kennen die verabreichte Dosis) arbeitet, darf Mithoefer auch gar nicht wissen, welcher Patient welche Dosis bekommt. Trotzdem schreibt seine Lizenz vor, dass er während der Verkapselung des MDMAs immer im Raum bleiben muss. Es kommt also ein Pharmazeut in Mithoefers Büro, ohne dass dieser wissen darf, wie viel MDMA er in welche Kapsel steckt. Mithoefer steht laut Emerson deshalb während der Verkapselung tatsächlich hinter einer Trennwand aus Pappe. Sollten der bisher noch relativ kleine Umfang der Studien in Zukunft ausgebaut werden, braucht die MAPS aber wohl eine Art Packstation, wo die Dosen vorbereitet werden.

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Sobald der Pharmazeut die Dosen verpackt und beschriftet hat, kann Mithoefer mit seiner Therapie beginnen.

Am Ziel

Auch wenn die Vorschriften, die man für die Durchführung derartiger Studien einhalten muss, ziemlich mühsam erscheinen, hat sich niemand der Personen, mit denen ich gesprochen habe, beschwert.

MDMA per Crowdfunding

„Es kann manchmal mehrere Monate dauern, bevor etwas fertig ist, aber ich denke nicht, dass Wissenschaftler deshalb vor einer Schedule I-Studie zurückscheuen, wenn sie von der Sache fasziniert sind", so Halpern.

Und die Forscher der MAPS sind ganz eindeutig fasziniert. 30 Jahre Forschung und fast 20 Millionen US-Dollar hat die Gesellschaft schon bereitgestellt, um ihr Ziel zu erreichen, MDMA bis 2021 zu einem von der FDA genehmigten, verschreibungspflichtigen Medikament zu machen.

Sobald sie das geschafft haben, müssen Forscher und Wissenschaftlicher wesentlich weniger Hürden nehmen, um ihre Tests machen zu können. Zur Zeit müssen springen sie allerdings noch geduldig hinüber—und das tun sie auch gerne, wenn es darum geht, ein besseres Verständnis für diese bewusstseinserweiternden Drogen zu bekommen.