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FIGHTLAND

Wie die Rousey-Demontage der MMA-Szene Bescheidenheit beibrachte

Obwohl Großmaul Rousey ihre Gegnerin als „Fake Humility Bitch" beschimpfte, wählte Holm nach ihrem Sensations-K.o. überraschend milde Worte. Kein Wunder, will sie nicht das nächste Bashing-Opfer werden.
Photo by Christopher Capozziello/Zuffa LLC

Die einen hassen sie, die anderen lieben sie, wiederum andere spüren ihr gegenüber eine große und schwer auszudrückende Ambivalenz. Gemeinsam ist wohl allen, dass sie zugeben werden, dass Ronda Rousey eine echte Vorreiterin war. Sie war der erste weibliche UFC-Champion, sie hat das MMA der Frauen auf die große Bühne gebracht und dafür gesorgt, dass der Sport dort blieb. Bei allem Respekt vor den cineastischen Karrieren von Randy Couture und Chuck Liddell war sie wohl trotzdem der erste große Crossover-Star der MMA. Sie wurde zu einer echten Popkultur-Ikone, die dank ihrer atemberaubenden Geschwindigkeit und Intensität das Mainstream-Publikum zu fesseln wusste. Und selbst mit ihrer Niederlage beschritt sie neue Wege: Sie wurde zur Zielscheibe eines noch nie da gewesenen Bashings in der MMA-Szene.

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Im Rückblick war das Ganze wohl unausweichlich. Popkultur hat nämlich streng kannibalistische Tendenzen, die bewirken, dass Stars genauso schnell wieder fallengelassen werden, wie sie hochgejubelt wurden. Um diesen unaufhaltsamen Kreislauf zu verstehen, musste man am Sonntag nur die Golden-Globes-Verleihung gesehen haben: Das gleiche Publikum, das einst dafür gesorgt hat, dass bestimmte Schauspieler zu Halbgottheiten erhoben wurden, sah jetzt mit schadenfreudigem Grinsen zu, wie Moderator Ricky Gervais sie in Stücke riss („Diese Brie Larson wirkt so bodenständig! So wie früher auch mal Jennifer Lawrence!"). Und die MMA-Szene hat den Ruf, mindestens genauso ruppig mit Schwäche oder Überheblichkeit zeigenden Stars umzugehen. Rousey war schon lange vor ihrer Niederlage gegen Holly Holm bei UFC 193 als hochnäsig abgestempelt worden. Da konnte ihr auch nicht mehr helfen, dass sie im Frühjahr 2015 einer geschlagenen Cat Zingano von der Matte hochhalf und öffentlich erklärte, dass diese einen Rückkampf verdient habe. Also selbst, wenn Rouseys Siegesserie nicht gerissen wäre—und sie ihre unbestritten große Klappe unter Kontrolle bekommen hätte—, wäre sie früher oder später zum Bashing-Abschuss freigegeben geworden.

Der Moment, als das Rousey-Bashing so richtig losging.

Trotzdem war die Vehemenz ihrer öffentlichen Demontage unerwartet. Genauso wie die massive Schadenfreude, die ihr aus der ganzen Welt entgegenschlug. Denn genauso wie sie anderen Frauen den Weg in den Sport geebnet hatte, diente sie ihnen jetzt auch als warnendes Beispiel dafür, wie schnell sich die Öffentlichkeit gegen einen wenden kann. Vor allem im Fall einer Frau, die ihren Platz in einem von Männern dominierten Sport nie gefunden hat.

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Rouseys Absturz war ihren Kolleginnen offensichtlich eine Lehre, die sich auffällig vorsichtig über den Star der Szene äußern und genauso achtsam ihre Worte wählen, wenn sie über sich selbst sprechen sollen. Das wurde beispielsweise deutlich, als die olympische Silbermedaillengewinnerin von Athen und heutige MMA-Kämpferin Sara McMann nach ihrem Erstrundenaus gegen Rousey bei UFC 170 ein Interview gab, in dem sie Rouseys Stehaufqualitäten überschwänglich lobte.

„Als jemand, der selbst eine Olympiamedaille gewonnen hat, finde ich das komplett beleidigend", sagte McMann in Bezug auf die von vielen Medien verbreitete Vermutung, dass Rouseys Erstrundenaus gegen Holm den Star der Szene „gebrochen" haben könnte. „Das zeigt nur, dass die Leute nicht verstanden haben, zu was Ronda vorher alles fähig war. Sie gewann Bronze bei den Olympischen Spielen, was jedoch im Umkehrschluss bedeutet, dass sie ihren Traum von einer Goldmedaille begraben musste. Obwohl für sie also eine Welt zusammengebrochen war, hat sie sich in nur wenigen Stunden gesammelt und am Ende noch Bronze geholt. Denkt also nicht, dass sie nicht widerstandsfähig ist und sich nicht an die neue Situation anpassen kann."

Im Anschluss betonte McCann außerdem, dass sie die öffentliche Reaktion auf Rouseys Überraschungs-K.o. unfair fand.

„Als Sportlerin hat sie sich für all das, was sie erreicht hat, eine Menge Respekt verdient. Seid also nicht so respektlos ihr gegenüber. Sie hat viel Blut und Schweiß gelassen und verschiedene Operationen durchstehen müssen, um so weit zu kommen."

Es waren Beiträge wie diese, die Rousey bei vielen nicht gerade beliebt gemacht haben. Screenshot via Instagram

Auch Holly Holm, der neue Stern am (weiblichen) MMA-Himmel, fand vor Kurzem überraschend milde Worte:

„Ich glaube, dass niemand so etwas verdient. Ich glaube aber schon, dass sie sich selbst in diese Lage gebracht hat. Sie hat ja auch gesagt, dass es ihr komplett egal ist, wenn ihre Art bei Leuten nicht gut ankommt. So ist sie nun mal und sie behauptet von sich ja auch nicht, jemand anders zu sein. Ich habe nichts gegen sie. Viele Leute denken, dass ich das sollte, aber für mich wäre das nur Energieverschwendung."

Verdammt diplomatische Worte von einer Kampfsportlerin, die von Rousey vor dem Fight als „Fake Humility Bitch" beschimpft wurde. Die Reaktionen von McCann und vor allem von Holm zeigen, dass beide verstanden haben, welche Art von Auftreten nun gefordert ist, um nicht selber die Wut der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Sie müssen Rouseys Fehlverhalten kritisieren, aber gleichzeitig die mediale Hexenjagd verurteilen. Sie müssen selbstbewusst auftreten, dürfen dabei aber nicht arrogant rüberkommen. Denn in ihrer Position sind Verwundbarkeit und Hochnäsigkeit zwei gleich gefährliche Risiken. Ihnen ist bewusst, wie kurzlebig eine Karriere als MMA-Kämpferin sein kann, weswegen es umso wichtiger ist, ihre Worte genauso sorgsam auszuwählen wie ihre Schläge und Tritte. Denn seit Ronda Rousey ist jetzt deutlicher als jemals zuvor, dass im MMA-Zirkus eine falsche Entscheidung verheerende Folgen haben kann—im wie außerhalb des Käfigs.