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Fischerei

Die deutsche Fischmafia lässt Autos explodieren und bastelt Bomben

Bombendrohungen, Schlagstöcke und Säureangriffe sind einige der extremen Mittel, mit denen die „Fischmafia" ihre Monopolstellung in Stralsund verteidigen und die Konkurrenten in die Flucht schlagen wollte.
Hilary Pollack
Los Angeles, US

Es ist ja allseits bekannt, dass man sich mit dem Mob nicht anlegen soll. Egal, ob es um Geld, die Familie oder Respekt geht, ein Konflikt mit der Mafia handelt dir mit fast 100 prozentiger Sicherheit irgendwelche Schwierigkeiten ein, sei es nur eine unangenehme Drohung oder doch ein Besuch bei den Fischen des nächstgelegenen Flusses. In einem Sack. Am Flussbett. Manchmal sind es aber auch die Fische, die sich im Mittelpunkt von Streitigkeiten befinden.

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Ein 31-jähriger Mann aus Stralsund wurde kürzlich zu zwei Jahren und einem Monat Gefängnis verurteilt, weil er 2012 den stellvertretenden Bürgermeister der Stadt Heinz-Dieter Hartlieb brutal angegriffen hatte. Der Täter ging auf Hartlieb mit einem Schlagstock los und verletzte ihn schwer an Kopf und Beinen. Das Motiv? Der Mann wollte seine Dominanz des lokalen Fischbrötchen-Markts sicherstellen.

Die Geschichte des sogenannten „Fischbrötchen-Kriegs" geht aber noch weiter. Mit einem einfachen Schlagstock-Angriff wegen eines Herings mit Zwiebeln in einem Brötchen war es noch nicht getan. Ein 36-jähriger Mann, vermutlich der Komplize des Angreifers, wurde zu neun Monaten Haftstrafe verurteilt, weil er eine Bombenattrappe im städtischen Bauamt platziert hatte. Die Bombe hatte zwar Sprengstoff, aber keine Sprengkapsel—stattdessen war ihr ein Drohbrief an Hartlieb beigelegt. Der Komplize sitzt nach einem Urteil aus dem Jahr 2013 bereits eine dreieinhalbjährige Haftstrafe wegen räuberischer Erpressung ab.

Bei all diesen bösartigen Taten dreht sich alles um den Fischbrötchen-Markt am Hafen von Stralsund, der sehr gewinnträchtig sein kann, zum Verkauf benötigt man jedoch eine Konzession. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, die beiden Kriminellen seien Teil einer „Fischmafia" und befolgen lediglich die Anweisungen eines großen Hais, der die Fäden hinter den Kulissen ziehe.

Als Motiv der Tat gilt, dass Hartlieb die Zahl der Konzessionen für heimische Fischverkäufer und Fischer erhöhen wollte, um eine größere Vielfalt zu schaffen und die Monopolstellung der wenigen, die den lukrativen Markt dominieren, zu schwächen. Ein Fischerboot kann jährlich bis zu 200.000 Euro Gewinn durch den Verkauf von Fischbrötchen an die riesigen Touristenschwärme der Küstenstadt einbringen.

Hartlieb steht mittlerweile unter polizeilichem Schutz. Obwohl die Vorfälle schon drei Jahre zurückliegen, wurde der Fall neu aufgerollt, weil die Staatsanwaltschaft die ursprünglichen Urteile wegen fehlerhafter Beweiswürdigung aufgehoben hatte.

Die Verteidigung konnte das Gericht davon überzeugen, die Anklagen wegen Einschüchterung und Wettbewerbseliminierung fallen zu lassen, trotzdem geht es in diesem Minigewerbe aber scharf zu, um es gelinde auszudrücken.

Eine Familie, die sich kürzlich ein lukratives Stück vom Fischbrötchenmarkt abschneiden wollte, bereute ihre Entscheidung vermutlich, als ihr Boot und ihr Auto in Brand gesetzt wurden und ein Buttersäureangriff auf das Hotel der Familie verübt wurde. Der von der Fischmafia verursachte Schaden belief sich auf ca. €60.000—nicht gerade Kleingeld.

Bomben, Schlagstöcke, Säureangriffe: In dieser Szene müssen sich die kleinen Fische vor den Haien hüten.