Man könnte ja denken, die Lage ist so ernst, dass sich jetzt alle Demokraten zusammenreißen, immerhin sitzen im Weißen Haus ein narzisstischer Möchtegern-Autokrat und eine rechtspopulistische Partei in fast allen überregionalen deutschen Parlamenten. Man könnte auch denken, dass eine Regierung, die drei Monate gebraucht hat, bis sie zusammenfindet, nichts lieber möchte, als nun die Probleme des Landes zu lösen. Aber beides ist offenbar nicht der Fall.
Die vergangene Nacht war die innenpolitisch eskalativste seit Jahrzehnten. Es geht darum, ob das deutsche Parteiensystem so bleibt, wie wir es kennen, ob die Regierung weiter Bestand hat, ob Angela Merkel Kanzlerin bleibt und ob die Bundesregierung weiterhin einigermaßen konstruktiv mit anderen EU-Ländern zusammenarbeitet. Die lange Verhandlungsnacht erklärt in 10 Tweets:
Die Frage der Nacht: Tritt Horst Seehofer zurück oder nicht?
Um kurz vor 23 Uhr bot Seehofer seinen Rücktritt an, die CSU lehnte den ab. Die SZ fasst treffend zusammen, dass das ganze Spektakel wenig mit politischen Inhalten zu tun hat:
Der Rücktritt ist nicht abgeblasen, sondern nur verschoben, je nachdem, was heute Abend passiert:
Merkel hat dann die Wahl: Entweder sie verrät ihre Überzeugungen oder sie riskiert sie den Bruch der Regierung. Momentan wirkt sie eher so:
Die Ausgangslage sieht für die CSU denkbar schlecht aus:
Um Sachfragen geht es nicht wirklich, denn Merkel verhandelte auf dem EU-Gipfel am vergangene Woche eigentlich ganz im Sinne der CSU:
Die Kernfrage für Seehofer ist, ob Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden können, die zuvor in anderen EU-Staaten registriert wurden. Die CSU beharrt auf Zurückweisungen. Die Kanzlerin darauf, dass so ein Vorgehen mit den EU-Partnern abgestimmt werden muss.