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Fremdenfeindlichkeit

In Warschau wurden deutsche Jugendliche verprügelt, weil sie Deutsch sprachen

"In Polen spricht man Polnisch", soll ein Angreifer gerufen haben. Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art.
Foto: imago/Eastnews

Auf St.Pauli in Hamburg und Berlin-Mitte schießen Pierogi-Restaurants aus dem Boden wie Steinpilze nach dem ersten Herbstregen, im deutschen Privatfernsehen singt Mark Foster polnische Weihnachtsschnulzen und 2014 wurden Lukas Podolski und Miroslav Klose mit Deutschland Weltmeister. 73 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs scheinen Deutsche und Polen in vielerlei Hinsicht ausgesöhnt. Aber nicht alle Polen mögen ihren Nachbarn.

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Die linksliberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza berichtet, dass in Warschau mehrere Polen deutsche Jugendliche zusammengeschlagen haben sollen. Der Vorfall ereignete sich in der Nacht von Freitag auf Samstag, als die Gruppe die zentral gelegene Poniatowski-Brücke überquerte und sich dabei auf Deutsch unterhielt. Plötzlich soll sich ein Pole der Gruppe genähert und geschrien haben: "In Polen spricht man Polnisch!"


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Anschließend habe der Mann begonnen, auf einen der Jugendlichen einzuprügeln. Das erzählte eines der Opfer, der 19-jährige Christian, der Gazeta Wyborcza. Als er dazwischen gehen und schlichten wollte, kamen laut dem Bericht drei weitere Männer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren und begannen, auf die Gruppe einzudreschen. Auch als sie schon auf dem Boden lagen, traten die Angreifer weiter auf die Jugendlichen ein. "Wir haben es schließlich geschafft, in einen Laden zu fliehen, wo der Verkäufer die Polizei rief", so Christian. "Wir haben am ganzen Körper Wunden und blaue Flecken."

Christian lebt seit 18 Jahren in Polen und ist einer von etwa 150.000 Deutschen in dem Land. Der 19-Jährige spricht Polnisch, war an diesem Abend aber mit Freunden aus Deutschland und Österreich in Warschau unterwegs. Wie sein Vater der Zeitung sagte, sei der Familie von Anfang an klar gewesen, dass sie Polnisch lernen und sich integrieren müssen. "Für uns war es selbstverständlich, dass wir die Sprache des Landes sprechen, in dem wir leben."

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Nur 29 Prozent der Deutschen finden das Land Polen sympathisch

Es ist nicht das erste Mal, dass es in Polen zu fremdenfeindlichen Übergriffen gegen Deutsche kommt. Im September 2016 wurde der Historiker Jerzy Kochanowski von der Universität Warschau zusammengeschlagen, weil er in einer Warschauer Straßenbahn Deutsch sprach. Im vergangenen Juni wurden muslimische Jugendliche der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule aus Berlin-Moabit auf einer Klassenfahrt in Lublin bespuckt, rassistisch beleidigt und bedroht.

Vorurteile gegenüber Polen gibt es allerdings auch in Deutschland. Erst jüngst veröffentlichte die Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam mit der Körber-Stiftung das "Deutsch-Polnische Barometer". Daraus geht hervor, dass 56 Prozent der Polen Sympathien für Deutschland hegen, aber nur 29 Prozent der Deutschen Polen sympathisch finden. "Das ist schon überraschend, wenn man daran denkt, wie oft man in den regierungsnahen polnischen Medien etwas Schlechtes über Deutschland hört", sagt Agnieszka Łada vom polnischen Institut für Öffentliche Angelegenheiten dem MDR. Aber: 70 Prozent der Deutschen, die schon in Polen waren und 68 Prozent der Polen, die Deutschland besucht haben, finden das jeweilige Nachbarland sympathisch.

Ob die Prügelnden aus Warschau je in Deutschland waren, ist nicht überliefert. Vielleicht sollte die EU sich beeilen, kostenlose Interrail-Tickets für alle 18-Jährigen einzuführen.

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