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Extremismus

Betreiber der größten deutschen Hetzseite muss ins Gefängnis

Altermedia galt lange als wichtigste Quelle für Rechtsextreme in Deutschland – aber auch für den Verfassungsschutz.
Polizisten vor dem OLG Stuttgart, wo der Prozess stattfand | Foto: imago | Eibner

"Menschenmüll", Muslime als "Nachgeburt der Menschheit", "Kanakenabschaum": So schrieben die Autoren der rechten Webseite Altermedia. Während die Macher die Seite als "Gegengewicht zur etablierten Lügenpresse" verklärten, verabredeten sich Neonazis dort wohl auch zu Gewalttaten. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte den ehemaligen Seitenbetreiter Ralph-Thomas K. am Donnerstag wegen Volksverhetzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Er muss für zwei Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Das Urteil kommt fast zwei Jahre nach der Verhaftung, weil die Bundesanwaltschaft die Anklage übernehmen wollte.

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Altermedia war seit seiner Gründung 2003 das wichtigste deutsche Neonazi-Portal – das Leitmedium der Szene. Es gab Texte zu Themen, die rechtsradikale Leser interessieren: die NPD, Hitlers Geburtstag, Linke. Altermedia sammelte jeden Tag mehr als 7.000 Aufrufe und in der gesamten Zeit des Bestehens über 200.000 Kommentare. Weil sich einzelne Nutzer dort möglicherweise auch zu Straftaten verabredeten, lasen nicht nur Neonazis, sondern auch Verfassungsschützer mit. Der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern nannte die Seite in Anlehnung an den alten Namen ("Störtebeker-Netz") zärtlich "Störti".

Ralph-Thomas K. sagte beim Prozess, er habe eine Seite anbieten wollen, "auf der ein hoher Grad an Meinungsfreiheit" herrschen sollte. Die Hassbotschaften seien ihm "durchgerutscht". Er war von 2012 an Admin der Seite, bis der damalige Innenminister Thomas de Maizière sie 2016 verbieten ließ. In der Begründung hieß es, die Seite verbreite "rassistische, ausländerfeindliche, antisemitische, homophobe und islamfeindliche Inhalte".


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Neben K. saßen am Donnerstag noch drei Frauen vor Gericht. Eine 49-jährige Callcenter-Mitarbeiterin aus Nordrhein-Westfalen, ebenfalls Hauptangeklagte, hatte die Seite mit K. betrieben. Sie gestand und bekam zwei Jahre auf Bewährung. Die beiden anderen Frauen im Alter von 62 und 64 Jahren aus Berlin und Nürnberg erhielten wegen Volksverhetzung beziehungsweise Beihilfe zur Volksverhetzung ein Jahr und drei Monate sowie acht Monate auf Bewährung.

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Ralph-Thomas K.s wirres Verständnis von Meinungsfreiheit brachte ihn vor Gericht in Schwierigkeiten. Auf Altermedia veröffentlichte er nicht nur volksverhetzende Texte, er schaltete auch strafbare Kommentare frei. Dass man auf Altermedia seinen rechten Hass ungehindert verbreiten konnte, schätzen die Nutzer ganz besonders, schrieb das Gericht in seiner Urteilsbegründung. So habe man dort gegen Ausländer, Flüchtlinge, Muslime oder Juden hetzen und diese mit "Schädlingen, Schmarotzern, Unrat oder Krankheiten" gleichsetzen dürfen. Außerdem leugneten User regelmäßig den Holocaust und sprachen von "sechs Millionen Märchen". K. habe diese Kommentare freigeschaltet und sich somit strafbar gemacht. Der Vorsitzende Richter Herbert Anderer sagte über die Angeklagten: "Welche Schwäche muss einem Menschen innewohnen, um andere so zu schmähen?"

Die Meinungsfreiheit war K. und seinen Mitstreitern auch nur dann heilig, solange die Meinung in ihr Weltbild passte. Gemäß interner Richtlinien schalteten sie etwa keine "antideutschen Beiträge" oder Texte zur "Verherrlichung von semitischen Religionen" frei.

Neonazis nannten die Abschaltung in einem anderen rechten Forum "Staatswillkür", sprachen von "Einschüchterung" durch den Staat und riefen zu einer "nationalen Solidarität" auf, um die "Meinungsfreiheit" zu verteidigen. Bloß: Es gibt kein Recht auf Hass. Verschwunden ist er mit dem Verbot sicher nicht, jetzt müssen die Geheimdienste nur etwas mehr suchen, um ihn zu finden.

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