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Studium

Stimmt ab: Welche ist die furchtbarste Unistadt Deutschlands?

Teure Mieten, ätzende Kommilitonen und Prügeleien mit rechten Dorfbewohnern – diese Städte sind heiße Anwärter auf den Thron.
Eine verzweifelte Studentin erträgt ihr Studium an der Goethe-Universität in Frankurt am Main nur mit Wodka
Collage: VICE || Frankfurter Skyline: imago | Volker Preufler || Goethe-Universität: imago | Jan Huebner || Studentin: imago | RelaXimages

Das Studium: für die einen die schönste Zeit ihres Lebens, für andere ein Sumpf aus Überforderung, Geldlosigkeit und stressbedingtem Alkoholismus. Es gibt viele Faktoren, die beeinflussen, ob Studieren der perfekte Übergang in eine Lebensphase wird, in der man jetzt aber richtig "erwachsen" werden muss. Eigenmotivation, die finanzielle Situation der Eltern, wie viel BAföG man bekommt und was genau man eigentlich studiert, zum Beispiel. Allem voran sind es aber die Unistädte selbst, die vorgeben, wie viel Spaß man zwischen Vorlesung und Nebenjob wirklich haben kann. Wir haben Horrorgeschichten aus fünf deutschen Studierendenstädten gesammelt – und ihr könnt abstimmen: Welche ist die schlimmste Unistadt Deutschlands?

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Alyssa, 28, Germanistik: Frankfurt am Main

Mein Studium an der Goethe-Universität in Frankfurt war eine sehr bedauerliche Erfahrung.
Das IG-Farben-Haus (man kennt geschichtsträchtige Fotos desselben aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs) mitten im Westend der Stadt beherbergt einen Großteil der Institute. Viele meiner Mitstudierenden kamen aus dem Frankfurter Umland, hatten es offensichtlich nicht an eine Privatuni geschafft und kreuzten deshalb an der staatlichen Hochschule im Anzug auf. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Uni brachten es fertig, mich zwei Semester lang eine Fächerkombi studieren zu lassen, um mir anschließend mitzuteilen: Geht so doch nicht. Da haben Sie wohl ein Jahr Ihres Lebens verschwendet. Gelernt habe ich im Studium selbst auch nicht viel. Sämtliche Seminare und Vorlesungen, an die ich mich erinnern kann, wurden fast ausschließlich mit Vorträgen der Studenten gefüllt, was mich bis heute den Sinn einer Lehrkraft nicht ganz erschließen lässt.

Meine Lieblingsanekdote ist folgende: Ich wurde zum Semesterbeginn für ein Gruppenreferat eingeteilt und mein Referatspartner sprang fünf Tage, bevor wir den Vortrag hätten halten sollen, ab. In der Sprechstunde mit dem Professor versuchte ich auszuhandeln, dass ich nur 50 Prozent des Gesamtthemas vortragen muss, also genau meine Hälfte. Als er dies vehement abwies und auf die Wichtigkeit des Themenkomplexes hinwies (Gedächtniszitat: "Ihre Kommilitonen müssen das ganze Spektrum des Themas präsentiert bekommen! Das ist klausurrelevant!"), verabschiedete ich mich aus der Sprechstunde und vom Gedanken, überhaupt irgendetwas vorzutragen. 48 Stunden vorher sagte ich meinen Vortrag per E-Mail ab, am Tag selbst setzte ich mich trotzdem in die Vorlesung. Mich interessierte, was der Professor stattdessen machen würde. Ob er wohl selbst das ach so wichtige Thema präsentierte? Nein. Er zeigte stattdessen einen Film.

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Auch Frankfurt selbst war schwierig. Nicht nur die Wohnungssuche war für mich als BAföG-Bezieherin mit Nebenjob beinahe unmöglich, die Stadt an sich ist einfach wahnsinnig teuer. In den Clubs bestellen sich Studierendengruppen mit Wappen auf dem Jackett riesige Wodka-Flaschen an reservierten Tisch. Und selbst die, die auf Understatement machten, kamen im Zweifelsfall aus einer reichen Familie. Während sie in ihrer vorlesungsfreien Zeit ausschliefen oder feierten, musste ich arbeiten, um meinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Irgendwann brach ich das Studium schließlich ab. Ich habe es nie bereut.

Sascha, 29, Medienwirtschaft: Ilmenau

Nach Ilmenau kommt wahrscheinlich niemand freiwillig. Ich hätte mit meinem Abi-Schnitt von 2,2 nirgendwo anders Medienwirtschaft studieren können. Und auch der Rest der Studierendenschaft bestand größtenteils aus Leuten aus Berlin oder München, die sonst nur eine Zusage in Bochum bekommen hätten. Ilmenau ist winzig, man kann alles zu Fuß erreichen und drumherum gibt es viel Natur. Aber eben auch gefühlt einhundert kleine Dörfer, die man als Person mit Migrationshintergrund vielleicht besser nicht betritt.

Der Großteil der Ilmenauer Bevölkerung besteht aus Studenten – ja, männlichen, weil die Hochschule eine Technische Universität ist. Ich habe in fünf Jahren kaum jemanden in meinem Alter gesehen, die oder der nicht zur Uni gehörte. Das einzige Nachtleben bestand aus Studentenpartys. Abgesehen vom "Hühnerhof", einer Bierhalle, in die jeden Freitag die jungen Menschen aus den umliegenden Dörfern kamen. Und die hatten ein echtes Problem mit uns. Gerade wenn Stadtfest war, kamen lauter Leute zusammen, die sich prügeln wollten und Studierende nicht cool fanden.

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Aber zumindest die Wohnsituation war super. 270 Euro für ein 35-Quadratmeter-Zimmer in einer WG mit anderen Studenten. Schwierig war's nur im Winter: In Ilmenau fängt es im November an zu schneien und es hört im Mai erst wieder auf. Einmal sind wir an Weihnachten durch kniehohen Schnee zum Club gelaufen. Wir waren quasi sechs Monate am Stück eingeschneit – was noch mehr zu dem Eindruck beiträgt, dass man in Ilmenau wirklich isoliert ist. Auch deswegen war das letzte Jahr für mich wirklich hart. Eine Zeit Lang geht das, in Ilmenau zu leben, aber dann reicht es einfach. Wenn du zwischenzeitlich in anderen Städten warst, merkst du, dass das einfach zu klein ist. Du gehst da mental ein.


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Yasna, 29, Berlin: Museumskunde

Eines vorneweg: Abgesehen von absurd hohen Mieten, absurd schlechter Bezahlung und absurd großem Wettbewerb um die wenigen nicht-menschenunwürdigen Studierendenjobs ist Berlin keine schlechte Stadt, um Student zu sein. Man findet immer jemanden, der sich mit einem betrinkt, der Lebensunterhalt abseits überteuerter WG-Zimmer ist generell ziemlich erschwinglich und im Sommer muss man nicht einmal in einer Bar oder einem Restaurant sitzen, sondern kann es sich am Ufer zwischen Ratten und Dönerresten bequem machen. So abgefuckt, so Berlin. Wenn man denn einen Studienplatz kriegt. Das Problem an der Hauptstadt ist nämlich: Jeder will hier hin. Was bedeutet, dass man für besonders gefragte Studiengänge einen NC im Minusbereich braucht. Um dann anschließend den Großteil seiner Zeit sowieso nicht vor Büchern, sondern in irgendwelchen Clubs oder bei Einweihungspartys in hoffnungslos überfüllten Altbauwohnungen zu verbringen.

Berlin lässt dich nicht in Ruhe, Berlin will immer irgendetwas von dir. Es mag für Menschen, die im gesellschaftlichen Nirgendwo studieren, ein absolutes Luxusproblem sein. Aber setzt euch mal konzentriert an eine Hausarbeit, wenn ihr theoretisch jeden Abend woanders abstürzen könntet. Und wenn man nicht während des Studiums abstürzt, wann dann? Wenn man anschließend 40-Stunden-Wochen in einem Büro runterreißt oder zunehmend verzweifelt Bewerbungen schreibt, weil sich der einzige Studiengang, für den man einen Platz bekommen hat, als komplett nutzlos herausgestellt hat? Wohl kaum.

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An meiner Hochschule gab es sogar einen Professor, der regelmäßig verkatert und mit riesigen Pupillen in den Seminarraum geschlappt kam, um dann anschließend halbkomatös seine Zeit abzusitzen. Wer in Berlin an einer staatlichen Fachhochschule studiert, kann sich nämlich gleich die 15 studienrelevantesten Wikipedia-Einträge ausdrucken. Viel mehr Wissensvermittlung wird sowieso nicht stattfinden. Studiert, wenn ihr es möchtet, aber tut es nicht in Berlin. Ihr werdet mit zitternder Hand, als körperlich zerstörtes Wrack euer Bachelor-Zeugnis entgegennehmen und beim ersten Bewerbungsgespräch dann doch von jemandem ausgestochen werden, der in Lübeck studiert hat – behütet, ausreichend qualifiziert, ausgeruht und mit zwei noch voll funktionsfähigen Nieren.

Clara, 35, Theaterwissenschaft: Bayreuth

Studieren in Bayreuth ist so ein bisschen wie Leben im Altersheim. Man kommt an, aber man fühlt sich immer fehl am Platz. Die Stadtbevölkerung erscheint einem extrem überaltert, tagtäglich miesepetrig und unfassbar irrational. Die Irrationalität reicht vom Querulantentum (ich bin in der Fußgängerzone schon vom Fahrrad gezerrt worden), über beamtenmäßige Sturheit, auf die jeder Esel neidisch wäre, bis zu bäuerlicher Grobschlächtigkeit, vor der jede politische Korrektheit in die Knie geht. Silberstreifen am Horizont bildeten im Grunde nur zwei Dinge: eine bestimmte Kassiererin beim örtlichen Discounter, die nie die Fassung oder ihr freundliches Gesicht verlor, und studentische Initiativen wie das Glashaus, das seinerzeit fantastische Bands ins beschauliche Bayreuth zu locken vermochte.

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Grundsätzlich blieb einem nur, sich so schnell wie möglich eine Handvoll guter Freunde zu suchen, mit denen man was starten konnte. Ohne Freunde: totaler Boreout. Das Gute daran war aber, dass die besten Freundschaften daraus entstanden. Das geteilte Leid und die viele gemeinsame Zeit, in der man ausschließlich auf sich selbst gestellt und aufeinander angewiesen war, schweißten sehr zusammen. Wenn man Bock hatte, auf eine Party zu gehen, musste man sie eben selbst veranstalten. Wir wurden im Verlauf des Studiums immer kreativer, was die Partykonzepte anging, was in seiner Exzessivität am Ende aber auch dazu führte, dass in gewissen Einrichtungen wie Wohnheimen gar keine Partys mehr gefeiert werden durften. Was uns aber eher weniger störte.

Matthäus, 31, Germanistik: München

München ist eine wunderbare Stadt für unglückliche Studenten. Wer sich unbedingt sehr schlecht fühlen will, sollte dort studieren. Meine Empfehlung! Man sieht die ganze Zeit nur grinsende Reiche mit goldgelber Lederhaut, die auf polierten Segelschuhen durch polierte Straßen federn, und will ihnen, leicht gereizt vom leeren Magen, einfach nur in die Fresse hauen.

Die Straßen tragen liebliche Namen wie "Blütenstraße" und "Adalbertstraße" und man wundert sich, dass hier alle so gut gelaunt sind in Anbetracht der Tatsache, dass Hitler in diesen netten Straßen einst seinen Siegeszug begann. Auf dem Viktualienmarkt beobachtet man die Leute, wie sie Rosmarin-Schinken im Wert eines Semestertickets kaufen, und die Wut steigt täglich. Man hat einfach keinen Bock drauf, das eigene Unglück in dieser weiß-blauen Bussi-Kulisse aufgeführt zu sehen. Jeder Scheißcappuccino, den man über den Durst trinkt, stößt einen in die Privatinsolvenz. An der Uni dominierten schneidige Juristen, die sich über Ferienhäuser unterhielten und laut telefonierend durch die Gänge der Ludwig-Maximilian-Uni bewegten, als interessiere es irgendwen, dass sie "am Wochenende wahrscheinlich in Kitzbühel dabei sind". Überall standen Instagram-Models herum, obwohl es damals noch gar keine Instagram-Models gab. Und alle trugen große, kalifornische Sonnenbrillen, selbst in den Vorlesungen.

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Ich wohnte auf acht Quadratmetern in einem Arbeiterwohnheim, in dem es jeweils eine Dusche und eine Toilette für den kompletten Flur gab. Die Frau von der Hausverwaltung kam bei der Besichtigung mit einem Mercedes CLS vorgefahren und schämte sich wenigstens ein bisschen für die Karre. Nachts wachte ich vom Husten der Arbeiter auf. Ich lernte, 24 Hustenarten zu unterscheiden. Trockener Husten, schleimiger Husten, holpernder Husten, kratzender Husten, explodierender Husten, röchelnder Husten. Und wenn ich mich dann mal aus dem Fenster lehnte für ein bisschen Frischluft, zwinkerte mir die Sonne höhnisch zu.

Um ein bisschen Geld zu verdienen, arbeitete ich als Fahrgastbefrager bei den Verkehrsbetrieben. Ich kam viel rum und sah viel Elend. Vor allem dort, wo man es nicht erwartet. Das größte soziale Elend begegnete mir in den Villenvierteln: Man behandelte uns Fahrgastbefrager wie den letzten Dreck. Eine aufgedunsene Botoxbombe sagte mir, sie sehe es nicht ein, "jedem Dahergelaufenen" etwas über ihr Fahrverhalten zu erzählen. Ich wollte sie auf der Stelle in einen Porsche Cayenne setzen und in den Starnberger See schieben. Insgesamt blieb ich ein Semester in dieser verfluchten Stadt. Seit ich mir einen Cappuccino leisten kann, mag ich München ganz gerne. Aber für Studenten ist diese Stadt die absolute Hölle.

Und jetzt könnt ihr abstimmen: Wo sollte niemand jemals studieren?*

*Wenn ihr die Abstimmung nicht seht, könnte das an eurem Adblocker liegen

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