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Viel Lärm um kleine Kisten: Warum Lootboxen gerade die Gaming-Welt spalten

Die Bezahlsysteme in 'Schatten des Krieges', 'Battlefront II' und 'Forza 7' machen Gamer wütend – und die Studios reich.
Bild: Electronic Arts

Am vergangenen Wochenende hatten Fans die Chance, die Beta-Version von Star Wars Battlefront II zu testen, das Ende November erscheinen wird. Daher stürmten tausende Gamer den Thronsaal von Naboo, unternahmen einen Testflug mit Poe Damerons X-Wing und machten als Boba Fett Jagd auf Rebellen. Auch wenn die Reaktionen auf das Spiel größtenteils positiv ausfielen, gab es einen Aspekt, der die Spieler wütend machte: Der Spielspaß hängt zu großen Teilen von Lootboxen ab.

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Lootboxen enthalten zusätzliche Gegenstände wie Waffen, Kostüme oder Karten. Sie können normalerweise mit Ingame-Währung oder Echtgeld erworben werden. Vor allem kostenlose Spiele finanzieren sich darüber, dass Spieler für kleine Beträge immer wieder kostenpflichtige Items erwerben – diese Bezahlvorgänge werden auch als Mikrotransaktionen bezeichnet. Doch in letzter Zeit kommt es immer häufiger vor, dass sich auch bei Vollpreis-Games der Spielverlauf durch Lootboxen beeinflussen lässt – und das empfinden viele Spieler als extrem unfair. Unter den meistgelesenen Beiträgen im Star Wars Battlefront Subreddit und /r/games Subreddit finden sich derzeit zahlreiche Diskussionen von Fans, die wütend darüber sind, dass es kostenpflichtige Lootboxen in einem sowieso schon teuren Game gibt. Ausgehend von der Beta-Version fürchten sie, dass der Spielfortschritt in Battlefront II an den Kauf von Bonus-Gegenständen geknüpft sein wird.

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Die Aufregung um das neue Star Wars Game ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Videospielproduzenten Lootboxen einsetzen, um zusätzliches Geld aus ihren Kunden zu quetschen. Die neu erschienenen Spiele Forza Motorsport 7, Mittelerde: Schatten des Krieges und Assassin's Creed: Origins ernteten in den letzten Wochen Kritik für die Bezahlsysteme in den sowieso schon alles andere als billigen Vollversionen. Als Protestreaktion versuchen einige vehemente Gegner der Lootboxen, allen den Spielspaß zu verderben, indem sie andere Spieler spoilern – so hoffen sie, die Verkaufszahlen zu drücken und den Studios zu schaden.

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Aus der Beta-Version von Battlefront II wird ersichtlich, dass der Hersteller Electronic Arts den Spielfortschritt der Spieler komplett an die Lootboxen gekoppelt hat. Wie in früheren Spielen können Spieler Waffen und Mods zwar freispielen, aber nun erhalten sie auch nach jedem Match Credits, die sie für Lootboxen einsetzen können. Mit dem Inhalt der Kisten können Spieler spezielle Karten oder Waffen kaufen.

Die Anzahl der Credits scheint sich jedoch nicht an der Performance der Gamer zu orientieren. Als ich das Spiel am Wochenende mit meinen Kumpels spielte, hatten sie teilweise doppelt oder dreifach so viel Punkte wie ich – aber am Ende des Matches erhielten wir alle dieselbe Anzahl an Credits.

Mit diesen Credits können Spieler Lootboxen kaufen, in denen drei zufällig ausgewählte Items enthalten sind: Waffen, Crafting-Teile oder Mods. Nachdem ich das Spiel ungefähr zehn Stunden gespielt hatte, hatte ich 160 Crafting-Teile gesammelt. Damit könnte ich mir zwar ein paar einfache Sternkarten kaufen, die Waffen, die bei 600 Crafting-Teile losgehen, bleiben für mich aber unerreichbar. Und genau darum lohnt sich das neue Spielfortschrittsystem für EA. Denn wenn ich das lästige Punkte-Sammeln umgehen will, kann ich auch einfach mein Echtgeld für die Lootboxen einsetzen.

Leider tragen auch die Spieler eine Mitschuld: Denn sie haben den Studios erst gezeigt, dass sie bereit sind, für die Extra-Goodies Geld auf den Tisch zu blättern.

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Bisher ist noch nicht bekannt, wieviel EA für eine Lootbox verlangen wird. Aber eigentlich ist es auch egal, ob der Preis bei einem oder bei hundert Euro liegt. Die Gamer auf Reddit und YouTuber wie Angry Joe und TotalBiscuit regen sich über das zugrundeliegende Prinzip auf: EA hat ein ehemals lineares Fortschrittsmodell in ein System verwandelt, bei dem Spieler durch Mikrotransaktionen immer mehr Geld ausgeben müssen, um zu gewinnen.

Mittelerde: Schatten des Krieges | Bild: Warner Bros.

Die Kontroverse um Mikrotransaktionen und Lootboxen ist allerdings nicht neu, sondern ein Phänomen, das sich über die letzten zehn Jahre hinweg entwickelt hat. Doch einige Bezahlmodelle haben die Debatte in den letzten Tagen eskalieren lassen.

Das beliebte Rennspiel Forza Motorsport 7 zog sich den Zorn der Fans zu, als herauskam, dass die teurere VIP-Version des Spiels nur eine Anzahl begrenzter Mods enthalten soll – möchte man mehr Mods, muss man sie durch den Kauf von Lootboxen erwerben. Auf die überwältigende negative Kritik hat der Forza-Entwickler Turn 10 inzwischen reagiert und entschuldigt sich bei den VIP-Fans mit vier zusätzlichen Autos und einer Million Credits.

Der wohl gemeinste Protest gegen Lootboxen: Spoiler posten, damit alle keinen Spaß mehr am Spiel haben

Mittelerde: Schatten des Krieges ist ein weiteres großes Game, das diese Woche erscheint. Auch bei diesem Spiel ist ein Bezahlsystem integriert. Wenn Gamer noch ein paar Euro drauflegen, können sie Kisten mit seltenen Orks oder anderen Extras erwerben. Zwar fallen die meisten Bewertungen des Spiels bisher positiv aus, aber sie bemängeln auch, dass man das Finale des Spiels nur durch einen mühsamen 20-stündigen Grind erreicht; also durch die lästige Wiederholung immer wieder gleicher Aufgaben. Spieler, die diese monotone Arbeit gerne überspringen möchten, werden dazu ermutigt, ihr Geld für die teuren Lootboxen hinzublättern.

Einigen Gamern stößt diese Masche vom Spielehersteller so sauer auf, dass sie nun aus Protest versuchen, allen den Spaß am Spiel zu verderben. Im Subreddit /r/shadowofmordor verschicken sie Spoiler über das Spiel an andere Fans und raten ihnen vom Kauf ab. Im Steam-Forum bombardieren User den Hersteller mit negativen Spielkritiken, ein Vorgehen, das auf Englisch als "review bombing" bezeichnet wird. Auch auf der Facebookseite des Spiels diskutieren die Fans heftig über den Sinn und Unsinn der Mikrotransaktionen bei Vollpreistiteln.

"Jetzt wird sich zeigen, ob wir bereit sind, diese Dinge in unseren Spielen zu akzeptieren", sagt der YouTuber TotalBiscuit in seinem Video über die Lootboxen in Battlefront II. "Leider halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass wir sie einfach hinnehmen."

Wird es Kritikern wie TotalBiscuit und wütenden Reddit-Nutzern gelingen, die Einstellung der Videospielindustrie gegenüber Lootboxen zu ändern? Wahrscheinlich nicht. Immerhin wird diese Debatte schon seit über einem Jahrzehnt geführt. Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Gamer selbst maßgeblich zu dem Erfolg der Bezahlsysteme in Games beigetragen haben. Denn das Verhalten der Spieler ist für die Entwickler wichtiger als ihre kritischen Beiträge in Foren. Und in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Spieler durchaus bereit sind, Geld für Lootboxen auf den Tisch zu packen. Tatsächlich kaufen sie so viele Lootboxen, dass sie sich für die Studios zu einer lukrativen Einkommensquelle entwickelt haben.

Activision hat im vergangenen Jahr durch den Verkauf von Bonus-Items über 3 Milliarden Euro verdient. EA gibt an, 2016 zusätzlich etwa eine Milliarde Euro mit extra Inhalten verdient zu haben. Solange die Spieleentwickler weiterhin so viel Geld mit Lootboxen verdienen können, werden die Kisten Teil der Spielwelt bleiben – egal, wie viele negative Kommentare es deswegen hagelt.