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Mit Nacktfotos gegen sexualisierte Gewalt

Für ihre Installation '98' lichtete die Künstlerin Maggie West unter anderem Pornodarstellerinnen und YouTube-Stars ab.

Am 1. Oktober findet der Slutwalk von Amber Rose zum mittlerweile dritten Mal statt und will auch 2017 ein Zeichen gegen Gender-Ungleichheit und Rape Culture setzen. Dieses Jahr gibt es allerdings ein ganz besonderes Zusatzprogramm: eine große Buntglasinstallation der Künstlerin Maggie West, bei der 40 Nacktporträts die Vielfältigkeit der weiblichen Sexualität zeigen – inklusive Sexarbeiterinnen, Trans-Frauen und Women of Color.

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Das Kunstwerk trägt den Titel 98, eine Anspielung auf eine Statistik des US-amerikanischen Justizministeriums, nach der alle 98 Sekunden ein sexueller Übergriff stattfindet. In Deutschland werden pro Tag 20 Vergewaltigungen angezeigt, wenn man die Zahlen für ein ganzes Jahr heranzieht. Experten gehen von einer erheblich höheren Dunkelziffer aus. Auch deswegen ist es wichtig, die Öffentlichkeit für das Thema sexualisierte Gewalt zu sensibilisieren – und ein Grund mehr, sich mit West über Heilige, öffentliche Nacktheit und die Inspiration hinter 98 zu unterhalten.

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Broadly: Wie kam es dazu, dass dein Werk beim Slutwalk dabei ist?
Maggie West: Vor drei Monaten bekam ich mit, wie Slutwalk nach Künstlern suchte, die ihre Arbeiten bei der Veranstaltung ausstellen wollen. Vergangenen November war ich schon Teil einer Benefizveranstaltung für Planned Parenthood und seitdem habe ich außerdem das Buch 23 veröffentlicht, in dem es um die Schnittmenge zwischen Gender und Sexualität geht. Deswegen hatte ich das Gefühl, dass meine Arbeiten und die Botschaft dahinter für die Veranstaltung doch sehr relevant sind.

Anna Foxxx | Alle Fotos: Maggie West

Was hat dich zu der Installation inspiriert?
Mir gefällt die Vorstellung, eine Galerie zu haben, die wie eine Gruppenarbeit von anderen Künstlern daherkommt. Wegen der Farben und der klaren Zusammenstellung in meinen Fotos funktioniert das Ganze sehr gut als Installation. Deswegen dachte ich sofort über eine Buntglaswand oder -decke nach. So kam das Konzept von 98 zustande – die Buntglasdecke wird jedoch nicht von Heiligen geziert, sondern von Frauen, die stolz auf ihre Sexualität sind.

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Bleiben wir kurz beim Buntglas: Wie bist du an das Bild der heiligen Jungfrau herangegangen und wie spiegelt sich das in der Installation wieder?
Wenn Frauen auf Buntglas abgebildet werden, dann meistens in Kathedralen. Außerdem handelt es sich dabei in 99 Prozent der Fälle um jungfräuliche Heilige. Ich habe mir viele Geschichten über diese Frauen durchgelesen, die lieber unglaubliches Leid ertrugen, als ihre Reinheit aufzugeben. Sie wurden für ihre Keuschheit gefeiert. Der Slutwalk feiert hingegen die weibliche Sexualität und den Umstand, dass wir uns sexuell ausdrücken können, ohne deswegen Gewalt erfahren zu müssen. Diese beiden Dinge wollte ich nebeneinanderstellen: das Ideal, dass Reinheit das wertvollste Gut ist, und die zeitgenössische Vorstellung, dass Frauen sich sexuell ausdrücken dürfen und diese Freiheit auch voll auskosten. Ich bediene mich quasi beim gleichen visuellen Medium – bloß mit einer ganz anderen Botschaft.

Nikki Hearts

Wie hast du die Frauen für deine Fotos ausgewählt?
Viele Models kamen schon entweder in meiner Reihe für Planned Parenthood oder in meinem Buch 23 vor. Einige Frauen wollte ich ganz bewusst dabei haben, weil mir ihre Kunst oder ihre Botschaft gefällt. Mir war ebenfalls wichtig, so viele verschiedene Frauen wie nur möglich zu fotografieren. Ich habe nämlich das Gefühl, dass quasi jede Frau schon mal in irgendeiner Form mit Belästigungen, Vergewaltigungsdrohungen oder sexueller Unterdrückung konfrontiert war. Die geschlechtliche Identität, die sexuelle Orientierung oder das Aussehen spielt dabei keine Rolle. 98 beinhaltet neben einigen Porno-Darstellerinnen auch YouTube-Stars, die mit ihren Inhalten vor allem Kinder und Teenager ansprechen. Ich wollte unbedingt beide Enden dieses Spektrums dabei haben.

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Auf was hast du geachtet, als du die einzelnen Fotos ausgesucht hast?
Ich habe die Fotos gar nicht selbst ausgewählt, diesen Job haben tatsächlich die Models übernommen. Mir ist es sehr wichtig, dass sich die Models mit den Bildern wohl fühlen und sie mit der Auswahl zufrieden sind. Ich habe ihnen die 20 besten Fotos hingelegt und jede Frau hat dann ihre Top 3 bestimmt. Ihnen sollte es gefallen, wie sie dargestellt werden. Viele von ihnen hatten vorher schließlich noch nie nackt posiert.

Sanam Sindhi

Dieses Konzept passt sehr gut zum Slutwalk, denn dabei geht es ja auch um Themen wie Einvernehmlichkeit.
Ja. Außerdem sind auf den Bildern auch verschiedene Stufen der Nacktheit zu sehen. Manche Models hatten überhaupt kein Problem damit, sich aller ihrer Klamotten zu entledigen, während andere eher wegen der Message mitmachten und sich nicht wirklich wohl dabei fühlten, sich komplett nackt zu zeigen. Aber das war vollkommen in Ordnung, da haben wir das Bild dann entweder bei den Schultern abgeschnitten oder sie hielten ihren Arm vor die Brüste. Ich habe aus Solidarität übrigens auch ein Selbstporträt beigesteuert.

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Was glaubst du, wie werden die Reaktionen auf die Fotoreihe ausfallen?
Ich hoffe, ich kann so die allgemeine Auffassung zum Thema öffentliche Nacktheit zumindest etwas zum Positiven verändern. Ich will, dass den Leuten eine Sache klar wird: Alle Frauen haben mit dem Stigma zu kämpfen, das damit einhergeht. Damit muss sich zum Beispiel auch Alaska Thunderfuck beschäftigen. In der Drag-Rolle präsentiert sich der homosexuelle Mann nämlich weiblich. Für mich ist es egal, ob man sich als Drag Queen, als Trans-Frau oder als Cis-Frau identifiziert. Wenn man sich weiblich gibt und in kurzem Rock nach draußen geht, dann betrifft dieses Stigma uns alle.

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Alaska Thunderfuck

Caroline Miner

Abella Danger

Luka Fisher

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