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Divers

Bisher hat sich fast niemand das dritte Geschlecht eintragen lassen

Das hat womöglich auch praktische Gründe.
Symbol drittes Geschlecht auf einer Deutschlandkarte
Collage bestehend aus: Standesamt | imago | Blickwinkel || Deutschlandkarte | Pixabay || Regenbogen | PublicDomainPictures | CC0 || Intersex-Symbol | Wikimedia Commons || Montage: VICE

Knapp drei Monate ist es her, dass einer der schlimmsten Albträume erzkonservativer Leute wahr wurde: Intersexuelle Menschen können sich seit dem 1. Januar als "divers" im deutschen Geburtenregister eintragen lassen, wenn sie sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen. Und anders, als es manche befürchteten, ist dadurch weder ein Wurf Katzenbabys gestorben, noch hat sich die Welt sonst in irgendeiner Weise zum Schlechteren entwickelt. Doch was verändert die Gesetzesänderung zum "dritten Geschlecht" für diejenigen, die sie tatsächlich betrifft? Die Nachrichtenagentur dpa hat in unterschiedlichen Bundesländern angefragt, wie oft Menschen die dritte Option bisher in Anspruch genommen haben.

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Mitte Dezember entschied der Bundestag: Menschen, die durch ihre äußeren Geschlechtsmerkmale nicht-binär sind, müssen sich auch auf dem Papier nicht für eines von zwei Geschlechtern entscheiden. Bis zum 1. Januar 2019 wurden intersexuelle Personen bei der Geburt dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet – ungeachtet dessen, wie sie sich später persönlich entscheiden würden. Heute kann man Neugeborene unter der Option "divers" im Geburtenregister eintragen und Erwachsene können ihr Geschlecht auf dem Papier ändern.

Doch dpa fand heraus: Bisher hat in vielen Bundesländern kaum jemand diese Option genutzt.


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In den meisten Standesämtern gab es noch keine Anträge für den Eintrag zum dritten Geschlecht

Sowohl bei den Standesämtern in Schleswig-Holstein, als auch in den bayerischen Städten Würzburg, Augsburg, Bamberg, Ingolstadt und Fürth habe es weder für Erwachsene noch für Neugeborene einen Eintrag unter "divers" gegeben. Das schreibt queer.de mit Verweis auf die Ergebnisse der dpa-Umfrage. Auch in Düsseldorf, Dortmund und Münster und in den baden-württembergischen Städten Karlsruhe, Freiburg, Heidelberg und Ulm hätten zumindest keine Erwachsenen Anträge gestellt.

Doch auch die Standesämter, in denen Menschen die dritte Option tatsächlich anforderten, dürften die Vorgänge nicht gerade ausgelastet haben: In Essen, München und in Hamburg haben jeweils zwei Erwachsene einen entsprechenden Antrag gestellt, in Stuttgart und Mannheim jeweils eine Person. Dafür seien im Standesamt in Regensburg drei Anträge eingegangen, in Nürnberg fünf und in Köln sechs.

Warum genau bisher kaum jemand die dritte Option in Anspruch genommen hat, erklärt die dpa nicht. Möglicherweise liegt es daran, dass Erwachsene in den meisten Fällen eine ärztliche Bescheinigung mitbringen müssen, um ihr Geschlecht in der Geburtsurkunde zu ändern. Aktivistische Gruppen hatten schon nach der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs kritisiert, dass man nicht alleine entscheiden kann, wann man seinen Geschlechtereintrag ändert. In manchen Fällen reicht nun eine eidesstattliche Versicherung der antragsstellenden Person.

Oder leben einfach nicht so viele intersexuelle Menschen in Deutschland? Genaue Zahlen gibt es nicht. Manche Experten sprechen von 100.000 Betroffenen, andere Expertinnen von bis zu 160.000. Das macht das Gesetz aber nicht weniger wichtig: Eine Bevölkerungsgruppe hätte schließlich auch Rechte verdient, wenn sie nur zwei Mitglieder hätte.

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