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Physikern gelingt die bisher präziseste Messung von Antimaterie

Forscher des CERN konnten sogar das Farbspektrum der Antimaterie untersuchen. Mit künstlich hergestelltem Antiwasserstoff wollen sie eine grundlegende Frage unseres Universums beantworten.
SS
Übersetzt von Sandra Sauerteig
Jeff Hangst vor der "Antimaterie-Fabrik" am CERN
Jeff Hangst vor der "Antimaterie-Fabrik" am CERN | Bild: CERN

Unser Universum besteht wohl fast ausschließlich aus Materie. Warum das so ist, stellt Physiker bis heute vor ein Rätsel, denn beim Urknall müssten Materie und Antimaterie eigentlich zu gleichen Teilen entstanden sein. Mehr noch: Wenn Materie und Antimaterie aufeinandertreffen, "zerstrahlen" sie sich in einer Annihilationsreaktion und setzen pure Energie frei. Wie kann es also sein, dass Materie die Zeit unmittelbar nach dem Urknall überlebte, während Antimaterie heute so extrem selten vorkommt?

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Forscher vermuten, dass es zwischen Materie und Antimaterie einen kleinen Unterschied geben muss, der für dieses Ungleichgewicht verantwortlich ist. Eine Studie, die am Mittwoch in Nature veröffentlicht worden ist, bietet die bisher präziseste direkte Messung von Antimaterie. Wie CERN bekannt gab, zeigt die Untersuchung erstmals die Spektrallinien von Antimaterie, also ihr Farbspektrum. Um etwas mit bloßem Auge zu sehen, war der Untersuchungsgegenstand natürlich viel zu klein.

Das ALPHA-Team von CERN benutzte für das Experiment Antiwasserstoff, also das Gegenstück zu Wasserstoff. Da Wasserstoff in der Vergangenheit bereits ausführlich untersucht worden ist, bietet er eine gute Grundlage für die Antimaterieforschung.


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Um Antiwasserstoff zu generieren, erzeugten die Physiker mit dem Antiproton Decelerator am CERN Antiprotonen und verbanden sie mit Positronen. Damit sich der Antiwasserstoff nicht sofort mit der Materie annihilierte, mussten die Forscher ihn in einem Magnetfeld sichern. Anschließend beschossen die Forscher den Antiwasserstoff mit einem Laserstrahl, um ihn dazu anzuregen, seinen Zustand zu ändern.

Antiwasserstoff und Wasserstoff sehen offenbar gleich aus

Bereits 2016 führte das ALPHA-Team ein ähnliches Experiment durch, um Antiwasserstoff spektroskopisch zu vermessen. Die Messung des neuen Experiments war laut CERN jedoch hundertmal genauer. Den Forschern gelang es, die Spektrallinie, also die Farbverteilung, von Antiwasserstoff zu bestimmen – sowohl im Ruhezustand als auch im angeregten Zustand. Das Ergebnis: Antiwasserstoff und Wasserstoff sehen einander zum Verwechseln ähnlich.

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ALPHA: Das CERN kündigt ein neues Zeitalter der präzisen Antimaterie-Forschung an | Video: CERN/YouTube

Der Physikprofessor Scott Menary, der mit dem ALPHA-Team zusammenarbeitet, bezeichnete diese Messung im Gespräch mit Motherboard als die bisher präziseste in der Geschichte der Physik. Er fügte hinzu, dass Antiwasserstoff und Wasserstoff "leider" gleich aussehen. Schon der kleinste sichtbare Unterschied in ihrer Beschaffenheit könnte Forscher zu neuen Experimenten inspirieren. Der Physiker Makoto Fujiwara sagte 2016 gegenüber Motherboard: "Materie und Antimaterie sind grundlegend für die physikalischen Gesetze. Falls wir einen signifikanten Unterschied der beiden finden, müssten wir die Geschichte des Universums umschreiben."

Die Ergebnisse, die nun in Nature veröffentlicht wurden, stellen laut ALPHA-Sprecher Jeffrey Hangst einen "Paradigmenwechsel" dar, auf den die Wissenschaft drei Jahrzehnte lang hingearbeitet hat. Die Forscher sind optimistisch, dem Rätsel um die Antimaterie bald auf die Spur zu kommen, da die Messungen immer genauer werden.

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