In der Schule hab ich nie wirklich auf die Fresse bekommen. Ok, einmal wollte mich eine Gruppe fünfzehnjähriger Moped-Fahrer aus einem Dönerladen zerren, weil ich ihren Anführer beleidigt habe – aber sonst war es, dort wo ich aufwuchs, sehr friedlich.Mein Schlachtfeld war nicht der Schulhof, sondern das Battle.Net, Konsolen und PCs mit gecracktem Windows XP. Ich hab mich durch Horden von Orks geschnetzelt, habe tausende Headshots in Call of Duty verpasst, habe hunderte Einsatzpunkte in Battlefield eingenommen und Minesweeper konnte ich mit verbundenen Augen spielen. Aber in einem Spiel war ich so richtig schwach: Street Fighter 2.
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Während andere wie Konzertpianisten ihre Finger übers Pad gleiten lassen und eine präzise Attacke nach der anderen landen, drücke ich wie ein Affe auf dem Pad rum, bis was passiert. Das kann ich nicht so auf mir sitzen lassen. Ich brauche Hilfe.Mein Coach: Andreas "Big Daddy" Kraniotakes, deutscher MMA-Star. Andreas ist deutscher MMA-Meister im Schwergewicht, kämpft seit 14 Jahren und hat wahrscheinlich schon mehr Leuten die Fresse poliert, als eine Mopedfahrer-Gang Mitglieder hat. Wenn er im Ring steht, dann sehen seine Gegner ganz schön alt aus.Ausschnitte aus den Kämpfen von Andreas. Gif aus Material von YouTubeWarum ich mir ausgerechnet einen MMA-Kämpfer suche? Das ist die Sportart, die Street Fighter am meisten ähnelt. Regeln gibt es kaum. Bodenkampf ist erlaubt, Treten ist erlaubt, Boxen ist erlaubt, nur die ganz unfairen Moves darf man hier nicht bringen. Street Fighter bringt genau wie MMA Kämpfer aus der ganzen Welt zusammen, die ihren eigenen Stil kämpfen. Die Frage, die hinter MMA steht, ist die, die wir uns alle auf dem Schulhof gestellt haben: Welcher Kampfstil ist der beste? Wer würde gewinnen: Bruce Lee oder Jean-Claude van Damme? Dolph Lundgren oder Chuck Norris? Karate Kid oder Universal Soldier?MMA soll darauf endlich eine Antwort liefern."Ich hab mich so gefreut, als du mich gefragt hast, ob wir 'Street Fighter' spielen wollen."
Die Charakterwahl: Als Hass-Gegner zum Sieg
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Überhaupt ist es wichtig – sowohl im MMA als auch im Street Fighter – die Vor- und Nachteile der einzelnen Stile gegeneinander abzuwägen. "Es gibt beim MMA auch nicht diesen einen Supermove, der alles weghaut. Man muss wissen, was der kann, um selbst zu reagieren." Das heißt konkret: Andreas sollte jetzt besser nicht Chun-Li wählen. Denn die hat keine Fernattacke und ist meinen Blitzen hoffnungslos ausgeliefert. Stattdessen wählt er Zangief. Und das nicht nur, weil Zangief ein bisschen so aussieht wie er. "Der hat einen ganz ähnlichen Kampfstil wie ich. Der ist langsam, versucht seine Gegner müde zu machen und dann zuzuschlagen."So langsam werde ich nervös.
Die erste Runde: Echte Gewinner agieren statt zu reagieren
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Irgendwann erzählte ihm ein Freund von einem Sport ohne Mantel: MMA. "Dann hab' ich einen Strauß Rosen gekauft, bin zu meiner Mama und hab' gesagt: Ich würde gern bei diesem Turnier mitmachen. Wenn ich gewinne, dann hör' ich auch wieder auf, versprochen." Natürlich hat Andreas gewonnen. Und natürlich hat er nicht aufgehört. "MMA hat mir eine ganz neue Art von Lebendigkeit gebracht. Eine Intensität, die ich so vorher nie gespürt hab."Das war vor 14 Jahren. Als Entschädigung bekommt seine Mama noch einen Strauß Rosen."Kämpfen bringt dir eine Sache bei: Disziplin zahlt sich aus, egal ob im Ring oder im Büro."
Das Mindset MMA: Was tun, wenn man in die Ecke gedrängt wird?
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Ok, Gewinner-Mindset. Das klingt ein bisschen nach FDP, aber Wurscht. Ich muss das jetzt wuppen. Mit Dhalsim springe ich über meinen Gegner und versuche, von hinten Treffer zu landen. Aber Andreas dreht sich immer im richtigen Moment um und zimmert mir eine rein. Kein Suplex, kein Body Check, kein Ellbogen-Move landet da, wo er soll.Es wird Zeit für Plan B: Ich hole meine Geheimwaffe raus, es gibt jetzt Hadouken Reporter-Style: Ich stelle so viele Fragen, wie ich kann. Und für einen Moment scheint das zu funktionieren: "Was ich beim Kämpfen über mich gelernt hab? Ähm… Fleißig sein, weil wenn du nicht fleißig bist…ähm… ich muss mich mal kurz auf dich hier konzentrieren."Ha! Ich nutze den kurzen Moment der Schwäche und… scheitere kolossal. Ich bin und bleibe einfach ein Körperklaus, der noch nicht mal die einfachsten Moves drauf hat. Andreas stört das nicht. Während ich mir einen auf dem Pad abwürge, erzählt er mir, dass Kämpfen sich nicht nur für den Ring lohnt. "Kämpfen bringt dir eine Sache bei: Wenn du Arbeit in ein Projekt steckst, dann wirst du dafür belohnt. Disziplin zahlt sich aus, egal ob im Ring oder im Büro."
Psychologische Kriegsführung: Warum Höflichkeit beim Siegen helfen kann
Ich merke, ich bin schlecht vorbereitet. Disziplin, Fleiß, das bringt jetzt alles nichts mehr. Ich brauche dirty Tricks. Gibt es psychologische Tricks, die er benutzt? "Ich persönlich bin vor Kämpfen immer total freundlich. Ich lächle, halte dem Gegner die Tür auf, so dass der sich fragt: 'Will der überhaupt gegen mich kämpfen?' Ich bin da ein bisschen Old School. Der Gegner ist für mich nur eine Leinwand, die es mir erlaubt, mein Können zu zeigen."
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Wäre ich eine Leinwand, ich wäre grün, blau und blutrot.Auch die nächsten Runden bekomme ich nur auf die Fresse. Ich frage Andreas, was er jetzt an meiner Stelle machen würde. "Ich würde mich fragen, ob ich im Training alles richtig gemacht hab'. Denn wenn ich das ausschließen kann, dann muss der Fehler im Kopf sein. Dann hole ich mir einen Mental Coach."Ich hole noch mal alles aus mir raus und wähle Chun-Li. Und plötzlich läuft alles wie am Schnürchen. Es hagelt Rending Kicks, dann ein Ascension Kick und dann noch ein Spinning Bird Kick. Andreas liegt am Boden. Ich habe gewonnen! Zwar nur eine Runde von gefühlt 50, aber egal: Ich habe gewonnen und Andreas ist ein kleines bisschen beeindruckt. Ganz bestimmt."Solche Spinning Kicks galten beim MMA lange Zeit als ineffizient. Aber erst in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass man damit doch Kämpfe gewinnen kann und sogar KOs schafft."Den Pokal hole ich an diesem Tag nicht mehr. Aber: Ich habe mir selbst bewiesen, dass in mir ein kleiner Kämpfer steckt – Chun-Li sei Dank. Andreas hat solche Situationen in seiner Karriere schon oft gesehen. "Ich würde noch nicht einmal zehn Euro auf einen Kampf wetten. Du weißt beim MMA nie, wer gewinnt. Stell dir einfach vor, du hättest deine mündliche Abiturprüfung. Aber halbnackt und du müsstest um deine körperliche Unversehrtheit bangen. Ach ja, 15.000 Leute schauen auch noch zu. So ist MMA. "Und Street Fighter auch.