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Schulz vs. Merkel

Mit diesen 13 Fragen kannst du den nächsten Kanzler vorhersagen

Ein amerikanischer Forscher liegt damit seit über 30 Jahren bei jeder Wahl richtig.
Foto Merkel: Armin Linnnartz | Foto Schulz: Foto-AG Gymnasium Melle

Fußball-WM 2010: Paul wird innerhalb weniger Wochen zur berühmtesten Krake Deutschlands, weil er alle Spiele der deutschen Mannschaft richtig vorhersagt. Der Paul der USA heißt Allan Lichtman und ist Historiker an der American University in Washington. Seit 1984 hat er alle Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in den USA prophezeit. Als alle Umfragen dagegen sprachen, war er sich sicher: Donald Trump wird der nächste Präsident. Seine Methode: Lichtman hat 13 Richtig/Falsch-Aussagen entwickelt, die man beantworten muss, um den nächsten Präsidenten zu ermitteln. VICE hat mit Lichtman über seine Methode gesprochen und die Fragen so umgewandelt, dass sie auch in Deutschland funktionieren. Und selbst schonmal den nächsten Kanzler bestimmt.

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Wenn mindestens acht Aussagen richtig sind, gewinnt die CDU und Merkel bleibt Kanzlerin. Ansonsten gewinnt die SPD mit Martin Schulz.

1. Merkel ist als Spitzenkandidatin der CDU konkurrenzlos.
Richtig! Merkel hat sich lange Zeit gelassen mit ihrer Entscheidung, erneut zu kandidieren. Gegenkandidaten gab es dann aber keine. Ihr schärfster innerparteilicher Konkurrent ist ein 74-Jähriger, der eine Spendenaffäre in seinem Leben hinter sich hat, Finanzminister Wolfgang Schäuble. Die CDU wählte Merkel beim Parteitag im Dezember 2016 mit 89,5 Prozent erneut zur CDU-Chefin, das neunte Mal in Folge. In ihren Worten: Sie ist alternativlos.

2. Der Spitzenkandidat der CDU ist der jetzige Kanzler.
Richtig!

Allan Lichtman: "Ich glaube, dass es bei Wahlen nur darum geht, die bisherige Regierung abzuwählen oder zu bestätigen. Die 13 Fragen drehen sich also um die Leistung der Regierung, die noch an der Macht ist."

3. Keine dritte Partei hat ernsthafte Chancen, den Kanzler zu stellen.
Richtig! Laut aktueller Forsa-Umfrage kommen FDP, Grüne, Linke und AfD momentan jeweils auf sieben bis acht Prozent.

"Umfragen sind nicht immer falsch. Aber sie sind nur Snapshots eines bestimmten Zeitpunktes. Umfragen werden als Wahlvorhersagen missbraucht, aber eigentlich sind sie es nicht. Es ist wie ein Pferderennen, mit Kandidaten, die nach vorne sprinten oder zurückfallen, obwohl eigentlich noch niemand gewählt hat."

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Allan Lichtman hat die Methode "The Keys to the White House" zusammen mit einem russischen Erdbebenforscher entwickelt | Foto: Sam Lichtman

4. Die deutsche Wirtschaft schwächelt nicht.
Richtig! Es gibt mehrere Kennzahlen, die zeigen, wie gut es der Wirtschaft gerade geht. Eine davon: das Bruttoinlandsprodukt (BIP), der Wert aller Waren und Dienstleistungen, die im Laufe eines Jahres in einem Land produziert werden. Die Bundesregierung erwartet für dieses Jahr einen Anstieg des BIP um 1,5 Prozent. Die Wirtschaft wächst also. Ein anderer Faktor: die Arbeitslosenquote. Sie liegt aktuell bei 5,6 Prozent. Das ist, trotz Sommerloch, einer der niedrigsten Werte der vergangenen zehn Jahre. Ein weiterer Hinweis: der DAX. Während er im Mai vergangenen Jahres noch bei rund 10.000 Punkten lag, liegt er aktuell bei rund 12.000 Punkten. Merkels maximal inhaltsloser Wahlkampfslogan lautet: "Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben" – aber die Union hat schon Recht, so schlecht geht es der deutschen Wirtschaft wirklich nicht.

5. Jetzt wird es etwas komplizierter: Die reale BIP-Wachstumsrate in dieser Wahlperiode ist genauso groß wie oder größer als das Durchschnittswachstum in den vergangenen zwei Wahlperioden.
Richtig! Wir haben nachgerechnet. Die BIP-Wachstumsrate liegt in der jetzigen Wahlperiode bei durchschnittlich 1,43 Prozent. In den vergangenen zwei Wahlperioden lag sie genau so hoch. Ein weiterer Punkt für Merkel.


Auch bei VICE: Donald Trumps USA Freedom Kids


6. Die CDU hat bedeutende Veränderungen in der nationalen Politik bewirkt.
Hier gibt es natürlich keine eindeutige Antwort. Zumindest wird der Kanzlerin oft eine Stillstand-Politik vorgeworfen. Die Autorin dieses Texts würde bei der Frage mit falsch! antworten. Schließlich ist die Kanzlerin eher dafür bekannt zu reagieren, als das Land grundlegend zu reformieren.

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7. Es gibt keine dauerhaften sozialen Unruhen während der aktuellen Legislaturperiode.
Richtig! Natürlich gibt es seit 2014 die Pegida-Demonstrationen. Laut der Welt hat sich deren Anhängerschaft in Dresden aber auf etwa 1.500 Menschen pro Woche eingependelt. Von dauerhaften sozialen Unruhen, die bundesweit Menschen bewegen, kann also keine Rede sein.

"Wenn man ein Erdbeben vorhersagt, muss man zwischen zwei Dingen unterscheiden: Stabilität oder Aufruhr. Das gleiche gilt in der Politik. Man unterscheidet zwischen Stabilität (die regierende Partei bleibt) und Aufruhr (die regierende Partei verliert die Wahl)."

8. Die Regierung hat keinen wirklich großen Skandal zu verantworten.
Gab es etwas wie eine zweite CDU-Spendenaffäre? Eher nicht. Merkel gilt neben den Trumps, Berlusconis und Hollandes, die sie in ihrer Amtszeit er- und überlebte, als vergleichsweise skandalfrei. Sie versetzt das Land normalerweise nur in Wallung, wenn sie seit über 20 Jahren denselben Kimono trägt oder ihrem Mann zu wenig Streusel auf den Kuchen streut. Was man ihr tatsächlich vorwerfen kann: Die Ehe für Alle kam trotz und sicherlich nicht wegen ihr. Und als Lösung für die Flüchtlingskrise präsentierte sie nicht viel mehr als den Satz: "Wir schaffen das!" Am Ende ist es aber so: Niemand könnte sich je vorstellen, dass Merkel in den Panama Papers auftaucht, sich ein nettes virtuelles russisches Wahlkampfteam aufbaut oder Erdoğan Nazimethoden vorwirft. Deshalb: Richtig!, den einen großen Skandal hat es unter Merkel nicht gegeben.

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9. Die CDU hat außenpolitisch und militärisch nichts katastrophal falsch gemacht.
Die Frage ist natürlich subjektiv. Ob man das Verhalten von Merkel in der NSA-Affäre, der Finanzkrise Griechenlands, der Flüchtlingskrise oder dem Konflikt in der Ukraine als katastrophal falsch sieht, muss jeder selbst entscheiden. Wir sagen: Merkel würde zumindest nie mit "fire and fury" antworten. Verglichen mit der Trump'schen Außenpolitik sind die Fehler nicht gigantisch: Richtig!

10. Die Regierung hat außenpolitisch oder militärisch einen großen Erfolg errungen.
Auch hier wird es vermutlich unterschiedliche Ansichten geben. Nachdem eines der Hauptanliegen Merkels – ein europäischer Verteilungsschlüssel als Lösung für die Flüchtlingskrise – nicht geklappt hat, würde die Autorin urteilen: Falsch!

11. Angela Merkel ist charismatisch oder eine nationale Heldin.
Ebenfalls streitbar. Merkel ist in Deutschland momentan die drittbeliebteste Politikerin nach Wolfgang Schäuble und Sigmar Gabriel. Schulz kommt nur auf Rang acht. Zudem nehmen laut Politbarometer vom Juli 42 Prozent der Bürger Merkel als sympathischer und glaubwürdiger wahr als Schulz. Und im Ausland wird sie mehr gefeiert als zu Hause. Das Time Magazin kürte sie 2015 sogar zur "Person of the Year". Und Ex-Präsident Obama sagte über sie, sie sei die "wichtigste Beziehung, die wichtigste Freundschaft", die er in seiner Amtszeit hatte. Reicht das, um als Charismatikerin oder nationale Heldin zu gelten? Nein. Denn egal wie einflussreich sie sein mag, Interviews mit Merkel dienen als gutes Hilfsmittel bei Schlafstörungen und ihre Neujahrsansprachen sind allenfalls als Trinkspiele unterhaltsam. Deshalb: Falsch!

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"Wahlkampagnen können keine Wahlen drehen. Aber sie sind trotzdem wichtig. Das Problem ist, dass die meisten Politiker den Wahlkampf falsch führen: mit Werbung, Tricks und negativen Attacken. Stattdessen sollten Kandidaten genau darlegen, welche Politik sie machen werden, welche Gesetze sie durchbringen wollen und welchen Leuten sie hohe Ämter anvertrauen werden."

12. Martin Schulz ist nicht charismatisch und auch kein nationaler Held.
Ein nationaler Held ist Martin Schulz nicht. Ob er charismatisch ist, hätte man vielleicht vor einem halben Jahr noch anders beantwortet. Immerhin wurde der Typ zeitweilig als eine Art Messias gefeiert.

Andererseits würden sich bei einer Direktwahl aktuell nur 30 Prozent für Schulz entscheiden. Und er selbst erzählt, dass er öfter zu hören bekommt: "Du hast das Charisma eines Eisenbahnschaffners!" Wir sagen also: Richtig!

"Wahrscheinlich kann Martin Schulz nicht viel tun, um noch Kanzler zu werden. Er sollte aber versuchen, für etwas Konkretes zu stehen. In dem Moment, wo die regierende Partei, in dem Fall die CDU, wackelt, gibt es dann zumindest eine echte Alternative."

13. Die Union stellt heute in mehr Bundesländern den Ministerpräsidenten als in der vergangenen Legislaturperiode.
Richtig! Die CDU/CSU stellt aktuell in sieben Bundesländern den Ministerpräsidenten. Ende der vergangenen Legislaturperiode waren es sechs.

Das Ergebnis: Zehn Aussagen sind richtig. Merkel bleibt Kanzlerin!

Falls ihr einige Fragen anders beantwortet habt, könnte das Rennen für euch aber spannender bleiben. Und egal, welches Ergebnis aus den 13 Aussagen folgt: Man sollte berücksichtigen, dass sie von Allan Lichtman für das US-Wahlsystem entwickelt worden sind. "Meine Methode ist grundsätzlich überall auf der Welt anwendbar", sagt er zwar. "Man würde in einem anderen Land aber nicht bei genau den gleichen Fragen landen wie ich." Die Originalfragen könnt ihr hier nachlesen.

Und wen dieser Artikel und die Aussicht auf weitere vier Jahre Angela allzu deprimiert zurücklassen: Für die USA hat Lichtman bereits seine nächste Vorhersage getroffen: "Trump wird des Amtes enthoben. Und zwar noch vor den nächsten Wahlen."

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