"Im Werk fühle ich mich besser": Johannes Piller und Stefan Sturzer über die Zukunft des Werks
Alle Fotos: Christopher Glanzl

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Interviews

"Im Werk fühle ich mich besser": Johannes Piller und Stefan Sturzer über die Zukunft des Werks

Der ehemalige Geschäftsführer der Grellen Forelle ist ins Werk gewechselt. Im Juli steht dem Werk eine komplette Renovierung samt einer hochwertigen Anlage und einer Vergrößerung um 180 qm bevor. Wir haben zum Interview gebeten.

Johannes Piller ist kein Unbekannter in der Clubszene: Spätestens als er 2014 der Booker der Grellen Forelle wurde, waren alle Augen auf ihn gerichtet. Davor war er ein erfolgreicher Veranstalter, DJ und Schreiber in Sachen Club-Politik bei The Gap . 2015 und 2016 waren die Jahre, in denen die Kantine mit internationalen Bookings den Mitbewerbern Druck gemacht hat – der einzige Club, der deren Programm halbwegs standhalten konnte, war die Grelle Forelle. Laminat – so sein DJ-Name – wird relativ bald befördert und steigt 2015 zum handelsrechtlichen Geschäftsführer der Grellen Forelle auf. Seinem Ruf nach soll er knallhart und direkt sein – nicht alle sind Fans von seinen Umgangsformen. Wollte man als Veranstalter in die Grelle Forelle, musste man abgesehen von der hohen Miete auch Sets von jedem spielenden DJ schicken. Hat er den Kopf geschüttelt, dann hat man weiterziehen müssen.

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Zum Beispiel ein paar Meter weiter ins Werk. Dort feiert und bucht Stefan Sturzer – seines Zeichens der Geschäftsführer, Gründer und Regent vom Werk. Auch er hat hohe Ansprüche an seine Veranstalter. Auch er nimmt sich nicht gerne ein Blatt vor den Mund und lässt sich in Dingen, die sein Lokal angehen, nur selten reinreden. In Interviews und Gesprächen betont er die gute Beziehung zur Grellen Forelle – nicht zuletzt wegen der Freundschaft zu Johannes. Hilfe in Not, Kooperationen und Harmonie prägen die Spittelauer Lände. Die Besucher und auch die Beiden sind sich einig: Die Lokale sind so verschieden, so anders, dass ein Gefühl der Konkurrenz auch wirklich nicht notwendig ist.

Nun sagte Johannes Piller Ende letztes Jahres "Tschüss" und ging aus dem Lokal, in dem er sich lange mit internationalen Bookings verwirklichen konnte. Und landete ein paar Meter weiter im Werk. Was er dort macht und was die neue Anlage, die neuen WCs, die neue Wandfarbe und generell die gesamte bevorstehende Renovierung mit ihm zu tun haben, wurde uns im Interview erklärt.


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Noisey: Also Stizz, wir hatten ja letzten Oktober das Gespräch über die großen Änderungen, die das Werk erwarten. Da war auch die Rede von einem Lehrbetrieb und anderen Dingen. Wie wird das Werk im August aussehen?
Stefan Sturzer: Über der Bar kommt ein Mehrzweckraum hin: Da können Leute in ordentlicher Infrastruktur Theater proben, Ausstellungen organisieren oder Seminare abhalten. Wir planen, mit der Berufsschule in Wien den zweiten Bildungs-Schritt mittels Seminaren anzubieten. Wir wollen auch Praktika anbieten – es hängt aber viel von der Berufsschule ab. Wie schnell sich das Umsetzten lässt, wird sich zeigen.

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Es kommen doch auch andere Änderungen, nicht wahr?
Johannes Piller: Ja, wir bekommen neue WC-Einheiten – da kann man seinem Geschäft in voller Würde und Pracht nachgehen.
Stefan: Ist eigentlich fast zu schick.
Johannes: Die Klos werden sehr schick, es kommt ein neuer Boden rein, wir machen die gesamte Elektrik neu. Auch die Anlage wird sich ändern.

Inwiefern wird sich die Anlage ändern?
Johannes: Es ist keine Function One. Die Bässe kommen von Lambda Labs, die Tops kommen von Alcons Audio und das Ganze macht der Wolfgang Sauter von Pro Performance.

"Wir können und wollen auch niemals von heute auf morgen die Passage werden."

Das klingt nach einer teuren Sache, die ihr da vorhabt.
Johannes: Extrem teuer.
Stefan: Ich hab ja im letzten Gespräch gesagt, dass der Umbau diesen Sommer passieren kann oder wegen auslaufender Verträge erst 2020. Wer mich jetzt aber wirklich dazu "genötigt" hat, war Wolfgang Sauter, der mir gesagt hat, dass ihm das Werk so taugt und dass er auch gerne mithelfen würde. Er hat das Chaya Fuera, das im April zugesperrt hat, mit der Anlage ausgestattet. Ich habe ihm auch gleich klargemacht, dass ich nicht zu seinem normalen Kundenstock gehöre: Ich kann nicht mit Geld herumschmeißen, weil ich es von meinen Eltern habe. Er hat mir ein super Angebot gemacht. Finanziell ist das Ganze trotzdem eine riesige Investition. Aber wir machen es, weil so ein Angebot für so eine Anlage, bekommt man im Leben kein zweites Mal. Danke dafür, Wolfi.

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Das klingt nach einer Professionalisierung. Als Club habt ihr ja doch zusammen mit Flex und Fluc eine ziemliche Underground-Stellung in Wien. Welche Stimmung soll nach dem Umbau verbreitet werden? Wollt ihr andere Gäste oder Veranstalter anziehen?
Johannes: Beides. Der Charme, den das Werk hat, soll auf jeden Fall erhalten bleiben. Es sollen auch dezidiert einige markante Stellen im Club genauso bleiben, wie sie sind. Der Backstage-Bereich zum Beispiel.
Stefan: Oder die angemalte Wand an der Bar.
Johannes: Die Türen. Wir wollen daraus keinen Schicki-Micki Laden machen. Am Investieren kommt man nur nicht vorbei.
Stefan: Ja, wir können und wollen auch niemals von heute auf morgen die Passage werden. Das glaubt uns ja ka Sau und das sind wir auch nicht. Wir wollen mehr Komfort für die DJs, Gäste und alle Beteiligten. Und obwohl wir Underground sind, sind wir ein sauberer Club. Es wird die ganze Zeit gewischt, die Heisl werden geputzt, es stinkt nicht – wir achten schon drauf. Es kommen 180 qm Fläche dazu. Es kommen sehr coole architektonische Industrial-Elemente rein. Es kommen auch Graffiti-Künstler, die die Wände verzieren werden. Bei der Eröffnung werden zum Vergleich Fotos vom alten Werk ausgestellt.

Es wird oft kritisiert, dass es im Werk zu wenige Sitzflächen gibt. Wird dahingehend etwas gemacht?
Johannes: Die Sitzgelegenheiten werden auf das Dreifache aufgestockt.
Stefan: Im Barbereich kommen viele Sitzgelegenheiten hin. Schön verbaut und rustikal. Wie in einer Hamburger Kneipe.
Johannes: Über den großen Floor kommt eine Galerie, samt Couches und niedrigen Tischen hin. Da wird es in Richtung Lounge gehen.
Stefan: Draußen wird ein bedachter Garten für die Raucher gebaut – samt Efeu, wildem Wein und Sitzgelegenheiten. Insgesamt werden zwölf Firmen am Umbau mitarbeiten.

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Wird das Werk rauchfrei bleiben?
Stefan: Absolut. Das ist extrem gut angekommen und es ist auch immer super, das Gegenteil von dem zu machen, was die ( Anm.: die schwarz-blaue Regierung) sagen. Wir sind seit über zwei Jahren rauchfrei.

Bei der Marke Lambda Labs denkt man schon eher an internationale, kommerzielle Bookings. Ist das für die Zukunft angedacht?
Johannes: Ist absolut ein Teil dessen, was wir in den nächsten fünf Jahren vorhaben. Acts, die zirka 1000 Euro kosten, sind schon angedacht. Teurere Acts machen keinen Sinn, weil wir dann den Eintritt so anheben müssten, dass es den Werk-Charme verliert. Das wollen wir nicht und das funktioniert auch gar nicht so sehr.
Stefan: Wir haben ab 2019 um zwei, drei neue Clubbings erweitert, wobei drei Viertel der bekannten Veranstaltungen bleiben.

Welche kommen dazu, welche bleiben?
Johannes: Die Neuen wollen wir noch nicht verraten.
Stefan: Es bleibt hausgemacht, Salon Magika, Ficken Plus, Kodama und andere Evergreens. Es gibt ja immer wieder Abgänge, weil die Veranstalter Kinder bekommen, oder keine Zeit mehr haben. So werden automatisch Plätze frei. Im Grunde wird sich im Werk, was die Veranstaltungen betrifft, nicht wirklich viel ändern.

Im letzten Interview meintest du, dass das Werk ab September mehr in Richtung Live-Bands gehen wird und die elektronischen Veranstaltungen nur noch maximal vier Mal im Monat stattfinden werden. Jetzt sitzt Laminat an deiner Seite – bleibt es beim Plan?
Stefan: Nachdem ich über den Winter meinen Segelschein gemacht habe, habe ich das Ganze wieder über Bord g’haut .
Johannes: Wir werden am Wochenende schon eher elektronische Partys machen. Wir wollen Konzerte von Sonntag bis Donnerstag forcieren und Bands sowie Künstlern eine Möglichkeit geben, unsere Räumlichkeiten zu nutzen, um den Kunst- und Kulturverein zu fördern.

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"Ich habe keinen Kontakt mit der Grellen Forelle mehr auf der Führungsebene."

Na gut, kommen wir zum Elefanten im Raum. Johannes, dich hat man in den letzten Jahren in der Grellen Forelle angetroffen. Dort warst du zuerst Chef-Booker, dann Geschäftsführer. Was machst du im Werk? Die Gerüchte sagen, dass es Zerwürfnisse auf verschiedenen Ebenen gab.
Johannes: Die Gesellschafter der Grellen Forelle haben gemeint, dass sie eine Änderung auf der Führungsebene haben wollen. Dem wollte ich nicht im Wege stehen. Weil ich nun mal ein pragmatisch denkender Mensch bin, wollte ich nicht mit meinem Klumpert nach Hause gehen, sondern bin zum Direktor nebenan. Wir wollten es uns erst mal ansehen, aber wir haben uns extrem schnell eingegroovt.
Stefan: Ja, sehr. Wir denken sehr ähnlich, was toll ist. Und Johannes ist super beim Team angekommen.

Wie wird dein Wechsel wahrgenommen?
Johannes: Ich habe keinen Kontakt mit der Grellen Forelle mehr auf der Führungsebene. Ein paar Menschen konnten mit gewissen Änderungen nicht umgehen, was auch OK ist. Das hast du in einer Kleingartensiedlung und wirklich überall, wo Menschen zusammenkommen. Ich dachte mir, dass wir alles junge Menschen sind, aber trotzdem gab es ein paar festgefahrene Köpfe, wie in einem Pensionistenheim.

Was sind deine konkreten Pläne im Werk? Was ist hier dein Aufgabenbereich?
Johannes: Ich kümmere mich um das Programm, das natürlich mit Stizz abgesprochen wird. Ich begrüße die Veranstalter an den Abenden und unterstütze sie vor Ort. Ich versuche, Stizz eine rechte Hand zu sein und ihm viel Kleinscheiß abzunehmen. Handwerker bin ich keiner, ich arbeite eher ideell.
Stefan: Wir haben aber nicht nur auf dieser Ebene einen Personalwechsel gehabt, sondern auch das Bar- und Security-Personal angepasst und vor allem mehr Frauen eingesetzt. Wir haben jetzt eine Security-Chefin.
Johannes: Wir haben eine 50-50 Quote in den leitenden Positionen. Ich denke nicht, dass es das in einem anderen Wiener Club gibt.

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Forelle- und Werk-Veranstalter sind oft nicht dieselben, die Gäste haben auch andere Ansprüche. Willst du dich da adaptieren oder Sachen ändern?
Johannes: Ich achte auf die Dinge, auf die man hier immer achten musste: Brandschutz, dass eben nicht gebohrt und genagelt wird. Da gibts manchmal Reibereien, aber das sind Einzelfälle. Sonst schau ich natürlich, dass es den Veranstaltern gut geht. Bisher komme ich damit gut beim Team und den Veranstaltern an.
Stefan: Extrem gut. Und die Kommunikation ist sehr gut – im Team und nach Außen hat sie sich wesentlich verbessert. Wir unterstützen uns da sehr – das Personal und die Veranstalter sind so gut informiert wie noch nie.

Stefan, in deinem Interview meintest du, dass ihr euch oft ausgeholfen habt und eine sehr gute Beziehung hattet. Nun ist Johannes weg, die Führungsebene ist ausgewechselt. Besteht noch eine gute Beziehung zur Forelle?
Stefan: In erster Linie mische ich mich nicht ein. Das war Johannes Entscheidung und er hat absolut das Beste draus gemacht. Ich bin sehr glücklich darüber, weil es mir jetzt auch wieder sehr viel Spaß macht. Johannes bringt einfach sehr viel Know How und gute Kontakte ins Werk. Wie man so jemanden gehen lassen kann, verstehe ich nicht. Und natürlich ist es jetzt anders mit der Grellen Forelle. Früher waren meine Freunde involviert, jetzt sind alle weg. Ich verstehe mich auch mit Stefan Maurer ( Anm: ein Gesellschafter der Grellen Forelle) und den Anderen. Der Kontakt und Austausch war damals aber definitiv häufiger als heute. Ich wurde trotzdem gefragt, ob wir nicht wieder ein gemeinsames Fest in der Spittelau veranstalten. Das freut mich natürlich, weil das auch Sinn macht und da wäre ich fix wieder dabei.

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"Wie man so jemanden gehen lassen kann, verstehe ich nicht."

Johannes, was fehlt dem Werk noch? Du kommst ja immerhin aus einem High-End-Club. Gab’s etwas in der Forelle, das du hier vermisst?
Johannes: Bis auf den Buchhalter und die Grafikerin eigentlich nichts. Nein, überhaupt nicht. Das Schöne ist ja, dass man hier aus wirklich wenigen Mitteln das absolute Maximum herausbekommt. Und das man hier einfach macht. Wir machen hier vieles selbst, so etwas habe ich eigentlich so noch nie gesehen.

Fühlst du dich hier besser?
Johannes: Definitiv. Das Miteinander ist einmalig und niemand ist sich zu schade, anzupacken. Wenn ich jemanden aus dem Team frage, ob er mir dies oder das holen kann, dann hilft mir auch tatsächlich jeder. Es geht hier nicht so sehr ums Geld, sondern um den Zusammenhalt.
Stefan: Das ist auch eine wirkliche Stärke vom Werk. Das Team und die Stimmung untereinander. Was wir hier aufgebaut haben, ist ja mit wenig finanziellen Mittel gemacht.

Man könnte vermuten, dass die bevorstehende Renovierung und Professionalisierung deine Handschrift trägt, Johannes. Ist dem so?
Johannes: Es hat sich sehr günstig ergeben. Es schaut jetzt natürlich eventuell so aus, dass ich hier versuche, meinen Stempel aufzudrücken. Aber wir haben uns extrem schnell verstanden und als klar war, dass wir eine neue Anlage holen, haben wir auch beschlossen, den kompletten Wahnsinn in fünf Wochen durchzuziehen. Wir halten auch alle zusammen.

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Wird die doch sehr starke Anlage den behördlichen Begrenzungen – ich denke da an Anrainer und Lärmbelästigung – standhalten können?
Johannes: Absolut. Es kommt nicht nur eine Anlage, es werden auch Absorber und Bassfallen integriert. Das wird der Gast nicht sehen, aber es wird den kristallklaren Sound ausmachen. Trotzdem wird es nicht steril klingen.

Es gab im Werk Hausveranstaltungen, die von der Führung veranstaltet wurden. Werdet ihr nun wieder eigene Techno-Veranstaltungen anbieten?
Johannes: Ja. Ab September haben wir dann ein eigenes, monatliches Format. Das heißt "Werk statt Raum". Da werden wir eigene Konzepte probieren: Das kann mal eine Live-Veranstaltung sein, Pop, harter Techno oder auch House. Was das Genre betrifft, wollen wir uns nicht festnageln lassen. Wir wollen stark mit der Wiener-Szene zusammenarbeiten.

Am 30.6 findet im Werk das Abrissfest vor der Renovierung statt. Am 10.8 eröffnet das Werk in neuer Pracht mit Kunst am Kanal wieder.

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