Dieser Text ist Teil unseres Themenschwerpunkts über nordkoreanische Zwangsarbeiter .Am 22. September 2016 unterzeichnete die polnische Stahlfirma JW Steel einen Vertrag mit dem europäischen Fonds für regionale Entwicklung. Das Dokument trägt den Namen POIR.03.02.02-00-0141/16.Hinter der Zeichenfolge verbirgt sich ein Schweißverfahren für besonders große Stahlteile. Mit der Technologie soll JW Steel dauerhaft Arbeitsplätze in der wirtschaftlich abgehängten Region um Stettin schaffen. Der EU-Fonds förderte dieses Projekt mit 4.901.639 Zloty, damals rund 1,14 Millionen Euro. Im Folgejahr lieferte JW Steel Teile für den Offshore-Windpark Arkona, den E.ON gerade vor der Küste Rügens baut.
Folgt Motherboard auf Facebook, Instagram, Snapchat und TwitterDoch die Erfolgsgeschichte von JW Steel baut auf Ausbeutung auf, wie Recherchen von Motherboard und Journalisten der Arte-Dokumentation "Dollar Heroes" ergaben. Für den Konzern schufteten nicht nur einheimische Schweißer, sondern auch nordkoreanische Zwangsarbeiter.
JW Steel berichtet auf der Firmen-Website über POIR.03.02.02-00-0141/16. Rechts in der Mitte das Logo des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung | Bild: JW Steel | Screenshot: Motherboard
Polen stellte Hunderte Visa für Nordkoreaner aus
Wer sich falsch verhält, gefährdet seine Familie in Nordkorea
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All das erzählten uns die Arbeiter nur heimlich: Wer mit Journalisten spreche, dem drohten Verhöre durch Vertreter des nordkoreanischen Geheimdienstes, sagten sie.Ob die Arbeitsbedingungen für die Redshield-Arbeiter bei JW Steel ähnlich schlecht waren, konnten wir nicht verifizieren. Als wir den JW-Steel-Chef danach fragen, gab er zu, dass Nordkoreaner für ihn arbeiteten. Weil die aber über einen Subunternehmer angestellt gewesen seien, könne er nichts darüber sagen, wie lange ihre täglichen Arbeitszeiten waren und ob sie freie Tage hatten. Ein Redshield-Vorarbeiter pries seine Arbeiter damit an, dass sie 11-Stunden-Schichten ohne Murren ableisten würden.Direkt neben dem Werksgelände von JW Steel steht ein unscheinbares Einfamilienhaus. Am Briefkasten des Hauses Nummer 71 findet sich kein Namensschild, eine Klingel gibt es nicht. Als wir an der Haustür klopften, öffnete nach mehreren Versuchen ein Nordkoreaner. Er sagte nur: "Ich mache hier Urlaub."
"Ich mache hier Urlaub"
Gardinen zu und keine Klingel: Im Haus Nummer 71 wohnen die Nordkoreaner | Bild: Rebecca Rütten | Motherboard
Polnische JW-Steel-Mitarbeiter berichten allerdings anonym, dass die Nordkoreaner in dem Haus 71 in dem Betrieb gearbeitet hätten. Nachbarn erzählen, dass die Arbeiter auf dem Werksgelände angeschrieen und eingeschüchtert worden seien.Die Angestellten von Redshield verdienten laut Vertrag etwas weniger als 500 Euro im Monat und damit den polnischen Mindestlohn. Davon bekamen sie vermutlich aber nur einen Bruchteil. Arbeiter aus anderen Firmen berichteten von weniger als Hundert Euro.In einem Interview von Videojournalisten für die Dokumentation "Dollar Heroes" berichtet ein hochrangiger nordkoreanischer Ex-Diplomat, dass bei nordkoreanischen Gastarbeitern normalerweise der Großteil des Lohnes als "Revolutionssteuer" an das heimische Regime floss. Experten bezeichnen dieses Modell als Zwangsarbeit.
Die Arbeiter müssen "Revolutionssteuer" für das Regime zahlen
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Ob Redshield diese "Steuer" abführt, konnten wir nicht prüfen. Die Firma war für eine Anfrage nicht zu erreichen.POIR.03.02.02-00-0141/16 war das erste von insgesamt drei Förderprojekten von JW Steel. Im November 2016 überschrieb die EU 63.000 Euro an die Firma und im Dezember desselben Jahres noch einmal rund 543.000 Euro. Insgesamt bekam JW Steel knapp 1,75 Millionen Euro.Ein Bruchteil dieser EU-Gelder floss vermutlich über JW Steel und die Redshield-Zwangsarbeiter in die Kasse des nordkoreanischen Regimes.Diktator Kim Jong-un kauft mit seinen Devisen unter anderem Raketentechnologie auf dem Schwarzmarkt.Die EU-Kommission verwies auf die Charta der europäischen Grundrechte, die Sklaverei und Zwangsarbeit verbietet, selbstverständlich auch für geförderte Projekte. Sie schob die Verantwortung nach Polen weiter: Die örtlichen Behörden müssten dafür sorgen, dass sich geförderte Projekte an Charta und europäische Gesetze halten. "Wir haben Kontakt zu dem relevanten Mitgliedsstaat aufgenommen und prüfen, ob die Vorwürfe stimmen", teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.Grundsätzlich hat die EU bei der Auswahl der Projekte kaum Einfluss. Sie schießt Mittel zu staatlichen Subventionen in strukturschwachen Regionen zu, wenn die Projekte ökologischen Standards genügen – bei Windkraftanlagen offenbar kein Problem. Eingreifen kann die EU nur, indem sie das gesamte Förderbudget für Polen kürzt.
Insgesamt zahlte die EU knapp 1,75 Millionen
EU kontaktiert Polen wegen JW Steel
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Im Herbst 2017 verschärften die Vereinten Nationen ihre Sanktionen gegen Nordkorea noch einmal: Ab dem 11. September ist es verboten, neue Arbeitserlaubnisse für nordkoreanische Arbeiter auszustellen. Wenig später beendete JW Steel offenbar die Zusammenarbeit mit Redshield.Eine neue UN-Resolution von Ende Dezember sieht außerdem vor, dass die nordkoreanischen Arbeiter innerhalb von 24 Monaten in ihre Heimat zurückkehren müssen. Polnische Arbeiter sagten im Januar, sie hätten länger keine Nordkoreaner mehr auf dem Firmengelände gesehen. Die Nordkoreaner organisierten sich gerade Flugtickets nach Pjöngjang, sagte der Chef von JW Steel Anfang 2018. Irgendwann Ende Januar sollten sie verschwinden.Filmemacher der Dokumentation "Dollar Heroes": Tristan Chytroschek, Carl Gierstorf, Katarzyna Tuszynska & Sebastian Weis.Redaktionelle Mitarbeit: Max Hoppenstedt & Sebastian Weis.