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Gericht

In Deutschland wurde zum ersten Mal ein Mann wegen Stealthing verurteilt

Er soll während des einvernehmlichen Sex heimlich das Kondom abgenommen haben. Jetzt wurde er zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt.
Finger, die nach einem Kondom greifen
Foto Gefängnis: imago | Michael Schick || Kondom: imago | PhotoAlto

Chlamydien, HIV, eine ungewollte Schwangerschaft. Das sind nur einige der Dinge, die passieren können, wenn du unverhüteten Sex mit jemandem hast. Ein guter Schutz könnte ein Kondom sein – blöd nur, wenn der Typ ein Arschloch ist, sich nicht an Abmachungen hält und es heimlich wieder abzieht. Jetzt ist es offiziell strafbar. In Berlin wurde zum ersten Mal ein Mann wegen Stealthing verurteilt.

Am 17. Oktober 2017 lernen sich Lukas*, ein 37-jähriger Polizist, und die 26-jährige Mara* über eine Dating-App kennen. Sie treffen sich, trinken Tee und quatschen – so erzählt es Lukas zumindest vor Gericht. Wenig später haben sie bei ihm zu Hause einvernehmlichen Sex. Mara fragt ihn, ob er ein Kondom hat. Hat er. Sie haben Sex in der Missionarsstellung und anschließend im Doggy-Style. Lukas sagt, er hätte seinen Penis rausgezogen, kurz bevor er kam, um mit der Hand weiter zu machen. Dabei habe er das Kondom abgezogen, weil es gerissen sei. Mara habe ihn gefragt, ob er das Kondom extra abgezogen habe. Er sagte zwar Ja, aber nur, um sich besser befriedigen zu können, behauptet er vor Gericht. Mara habe daraufhin "wutentbrannt die Wohnung verlassen".

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Die Staatsanwaltschaft hingegen wirft ihm Vergewaltigung vor. Der Sex habe auf Maras "ausdrückliches Verlangen" mit Kondom stattgefunden. Trotzdem soll Lukas das Kondom während dem Sex unbemerkt abgezogen und weitergemacht haben. Laut Staatsanwaltschaft sei ihm bewusst gewesen, dass der "herbeigeführte ungeschützte Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen erfolgte", zitiert die BZ.

Seit November 2016 gilt im Sexualstrafrecht: Nein heißt Nein. Das heißt, ein sexueller Übergriff ist dann strafbar, wenn er gegen den erkennbaren Willen einer Person ausgeführt wird, so steht es im Strafgesetzbuch. Im § 177 heißt es außerdem, dass ein besonders schwerer Fall in der Regel dann vorliegt, wenn "der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung)". Die Mindeststrafe bei Vergewaltigungen beträgt zwei Jahre.

Klar, Mara hatte einvernehmlich Sex mit Lukas. Aber nur unter der Bedingung, dass er dabei ein Kondom benutzt. Sie hat also Nein zu Sex ohne Kondom gesagt. Und Nein heißt Nein. Eigentlich eine klare Sache. Trotzdem kommt es immer wieder zu dem sogenannten "Stealthing", dem heimlichen Abziehen des Kondoms entgegen der Absprache. Und trotzdem fühlen sich viele Opfer nach solchen Übergriffen schuldig.

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In einem Forum berichtet eine junge Frau von einer Nacht mit einem Typen, den sie kennengelernt hat. Sie habe ihm zehnmal gesagt, dass sie ohne Kondom nicht mit ihm schläft. Erst nachdem er bereits in sie eingedrungen war, hätte er ihr gestanden, dass er gar keine Kondome da hat. Sie schreibt: "Ich hätte ihm nie vertrauen sollen … ich bin so dumm!!"

In einem anderen Forum erzählt ein Mann, wie sein One-Night-Stand heimlich das Kondom abzog, obwohl er ihn ausdrücklich darauf hingewiesen hätte, eines zu tragen. Er bemerkte das Stealthing erst, als er in ihm kam. Er schreibt: "Ich frage mich jetzt auch selber irgendwie, ob das meine eigene Schuld war, hätte man sowas merken können?"

Im Fall von Lukas entschied sich das Gericht für eine Verurteilung wegen sexueller Nötigung – sein Vergehen wurde nicht als Vergewaltigung eingestuft. Man verurteilte ihn zu acht Monaten auf Bewährung und 3.000 Schmerzensgeld, die er Mara zahlen muss. Das ist die erste Verurteilung in Deutschland wegen Stealthing. Der Angeklagte hat jetzt eine Woche Zeit, um das Urteil anzufechten, danach ist es rechtskräftig.

*Namen wurden geändert.

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