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Gekauftes Geld

Die PARTEI hat dem Staat vor Gericht eine saftige Niederlage verpasst

"Die Richterin bekommt ein Jahresabo der Titanic", sagte Martin Sonneborn nach dem Prozess.
Foto: imago | Commonlens

"Das kann man doch nicht einfach so machen, Geld verkaufen", entrüstet sich einer der Anwälte, die den deutschen Staat vertreten. Die vorsitzende Richterin antwortet: "Aber genau das haben sie doch gemacht". Lachen im Gerichtssaal.

Am Donnerstag lief am Berliner Verwaltungsgericht die Verhandlung zwischen der Bundestagsverwaltung und der Partei Die PARTEI. So unterhaltsam der Prozess auch war, der Anlass war ziemlich ernst: Die Bundestagsverwaltung warf der Partei vor, fälschlicherweise 70.000 Euro vom Staat bekommen zu haben und forderte das Geld zurück, plus einer Strafzahlung von 384.000 Euro. Dagegen hatte Die PARTEI jetzt geklagt. Für sie ging es um die Existenz. Sollte die Bundesverwaltung Recht bekommen, wäre das das Ende für Martin Sonneborns Partei.

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Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Die PARTEI hatte 2014 mit der Aktion "Geld kaufen" auf eine rechtliche Grauzone im Parteienfinanzierungsgesetz aufmerksam machen wollen. Bis das Gesetz Ende 2015 geändert wurde, erhielten Parteien auf erwirtschaftete Umsätze – nicht auf die Gewinne – staatliche Förderungen. Die AfD stieg daraufhin groß in den Goldhandel ein. Und Die PARTEI parodierte das mit ihrer "Geld kaufen"-Aktion: Man schickte Geld an die Partei, bekam etwas weniger Geld zurück und dazu zwei Postkarten (das findest du auch in aller Ausführlichkeit hier). Die PARTEI konnte den Umsatz 2014 so auf 200.000 Euro steigern und 183.000 Euro staatliche Fördergelder beziehen. Das war illegal, behauptete später die Bundestagsverwaltung. Obwohl damals noch das alte Gesetz galt, sei für Die PARTEI nur der Gewinn von etwa 12.000 Euro ausschlaggebend gewesen, weil es sich bei "Geld kaufen" um keinen Handel, sondern um einen Tausch gehandelt habe. Damit müsse auch die Fördersumme geringer sein.

Beim Prozess am Donnerstag stellt das Gericht fest, dass die Partei pro Tausch sieben Cent Gewinn gemacht hatte. "Satire zielt immer auf die rote Linie, hier wurde haarscharf daneben gehauen", argumentiert Christian Kirchberg, der gemeinsam mit zwei weiteren Anwälten die Bundestagsverwaltung vertritt. Die Aktion sei "pfiffig gemacht", aber trotzdem illegal. "Wir haben alle herzlich gelacht, als wir davon zum ersten Mal gehört haben." Trotzdem sitze man nun hier – vor Gericht.

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Wer wann von der Aktion gewusst hat, ist für die Entscheidung, die heute gefällt werden soll, nicht ganz unerheblich. Denn der Rechenschaftsbericht, in dem Die PARTEI ihre Einkünfte auswies, wurde eigentlich 2015 schon genehmigt, die Entscheidung später aber zurückgenommen. Erst nach dem "Triumphgeheul" – so nennen es die Anwälte des Bundes in der Verhandlung – über den positiven Bescheid sei der Bundestagsverwaltung laut ihren Anwälten klar geworden, dass sie getäuscht worden war. Von dieser öffentlich zur Schau gestellten Freude seien die Prüfer der Bundesverwaltung laut ihrer Anwälte auch persönlich enttäuscht gewesen: "Die PARTEI nimmt eine höhere Moral für sich in Anspruch", da erwarte man in der Behörde auch, dass der Bescheid ordentlich sei. Eine Erklärung dafür, dass sie nicht genau hingeschaut haben wollen, ist das nicht. Genauso wenig wie der Hinweis der Bundesverwaltung, man habe unter Personalmangel gelitten.

Sonneborn, der sich vom Jura-Professor Martin Morlok vertreten lässt, nimmt das alles schweigend zur Kenntnis. Nur einmal geht er dazwischen. "Das wird mir jetzt alles zu unseriös hier", ruft er, als sich die Anwälte darüber austauschen, was passiert wäre, wenn man ein Bild von Sonneborn auf die Geldscheine gemalt hätte. Im Gericht wird oft gelacht. Die Anwälte der Bundestagsverwaltung tun sich mit ihrer Argumentation schwer. Die Vorsitzende Richterin Erna Viktoria Xalter wirkt skeptisch und stellt viele Nachfragen in Richtung der Anwälte der Bundestagsverwaltung.

Nach zwei Stunden Verhandlung folgt schließlich das Urteil: Die PARTEI bekommt Recht, keine Rück- oder Strafzahlung. Applaus im Saal von einer Handvoll Anhänger der Partei, den die Richterin unterbindet. Die Partei habe in Gewinnabsicht gehandelt, sagte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Damit habe sie für den Betrag auch Anspruch auf die Aufstockung durch den Staat, die das Parteiengesetz vorsieht. Trotzdem waren sich alle Beteiligten einig, dass hier das Gesetz zurecht nachgebessert worden ist. Aber eben erst, nachdem die Partei mit ihrer Aktion den Fehler aufgezeigt hatte.

"Ich empfehle keine Revision", sagt Martin Sonneborn, mit dem Justizsystem scheint er zufrieden zu sein. "Wir haben hier keine polnischen oder türkischen Verhältnisse." Endlich könne man jetzt wieder Politik machen und müsse sich nicht mehr mit "Verwaltungskram" rumschlagen. Dann lobt er noch die Richterin für ihre Intelligenz und ihren Humor und sagt: "Sie bekommt ein Jahresabo der Titanic."

Aber war der ganze Aufwand wirklich gerechtfertigt? "Ja", sagt Sonneborn im Gespräch mit VICE. "Bei der Parteienfinanzierung geht es um 160 Millionen im Jahr." Zumindest 2013 war es tatsächlich in etwa so viel. "Alles was wir nicht bekommen, bekommt die CDU", sagt Sonneborn und fügt vor seinem Abgang noch hinzu: "Außerdem ist der Goldhandel der AfD nach der Gesetzesänderung auch am Ende und damit hatte die AfD immerhin Millionen Euro verdient."

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