Frauke Petry will sich bei 'Maischberger' neu erfinden – und scheitert
Foto: WDR | Max Kohr

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Popkultur

Frauke Petry will sich bei 'Maischberger' neu erfinden – und scheitert

Die Noch-AfD-Chefin gibt vor Millionen Zuschauern zu, dass sie mit den Inhalten ihrer so verhassten Partei eigentlich keine Probleme hat.

Wer sich seit Jahren wünscht, dass die deutsche Politiklandschaft mal ordentlich durchgewirbelt wird, der dürfte mit dem Ausgang der Bundestagswahl 2017 recht zufrieden sein. Der Rest … nicht so. Es muss sich etwas ändern, sind sich Politiker, Presse und Öffentlichkeit größtenteils einig. Nur was genau?

Unter dem Titel "Wutwahl: Haben die Volksparteien ausgedient?" wollte Sandra Maischberger genau dieser Frage nachgehen – mit mäßigem Erfolg. Spannend war allerdings die Besetzung. Neben Gregor Gysi von der Linken, Grünen-Politikerin Renate Künast, ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, dem Hamburger SPD-Veteranen Klaus von Dohnanyi und Markus Söder von der CSU war nämlich auch die Frau da, welche die Schlagzeilen der letzten Tage dominierte: Frauke Petry. Und dass die sich selbst neu erfinden möchte, zeigte sich bereits in den ersten Minuten des Maischberger-Talks.

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Ja, sie habe trotz all ihrer Kritik AfD gewählt, erklärt sie entspannt und mit scheinbarem Verständnis für die Ablehnung der Anwesenden. Ihr sei es wichtig gewesen, dass eine Oppositionspartei in den Bundestag einziehe, um dort für eine "vernünftige Kontroverse" zu sorgen. Nur wenige Stunden nach der Wahl hatte die Noch-AfD-Chefin überraschend angekündigt, der Bundestagsfraktion ihrer Partei nicht angehören zu wollen. Einen Tag später erklärte sie, die AfD komplett zu verlassen, und stieß mit dieser Entscheidung verständlicherweise bei ihren Wählern nicht unbedingt auf Gegenliebe. Am Dienstagabend wurde dann auch bekannt, dass sich Petry bereits Anfang Juli die Domain dieblauen.de gesichert hatte – ein Hinweis darauf, wo die AfD-Gallionsfigur zukünftig die von ihr angekündigte "vernünftige" Politik machen möchte?


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Für die Nachfrage, wie viel "Vernunft" denn überhaupt noch in einer Partei zu finden ist, die sich zunehmend am rechten Rand radikalisiert, scheint in der Talkshow keine Zeit zu sein. Erstmal geht es nämlich um die Versäumnisse der etablierten Parteien. Das gibt Petry den Raum, sich als gemäßigte Konservative darzustellen, die einfach nur mal ein bisschen Schwung in den Laden bringen wollte.

Dieses Mal scheint die 42-Jährige nicht hier, um den zunehmend radikaler werdenden Kurs ihrer Noch-Parteigenossinnen und -genossen zu verteidigen. Dieses Mal möchte sie ihre vermeintliche Neugeburt als Politikerin feiern, die so gar nichts mehr mit Leuten gemein hat, die gegen Ausländer hetzen, das Positive am Dritten Reich hervorkehren und Rapefugees-Plakate durch die Straßen tragen. Das tut sie, indem sie Kuschelkurs statt Konfrontation fährt. Eine Zeit lang funktioniert das tatsächlich.

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Statt die Gunst der Stunde zu nutzen und ihre politischen Gegner triumphierend anzugreifen, während die sich zähneknirschend die eigenen Unzulänglichkeiten eingestehen, nickt Petry verständig oder hebt höchstens Mal die Augenbraue. Als Renate Künast erzählt, am Wahlabend nach einem Glas Wein frühzeitig ins Bett gegangen zu sein, lächelt sie ihr derart offen zu, dass man eigentlich nur noch auf ein High-Five wartet. Mit dem per Video zugeschalteten CSU-Politiker Söder ist sie beim Thema Geflüchteten-Obergrenze sowieso ganz auf einer Linie. Würde man als politisch unbeleckte Person zuschalten, man käme nicht auf den Gedanken, dass hier eine Frau sitzt, die Migranten mit Abfall vergleicht.

Und das ist auch das ganz große Problem an ihrem angestrebten Image-Wandel: Petry ist eben nicht Madonna, die sich alle paar Jahre komplett neu erfinden kann. Schließlich war die Sächsin eine der Hauptverantwortlichen dafür, dass sich die AfD überhaupt in eine derart rechtsextreme Richtung entwickeln konnte. Es geht hier also nicht bloß um einen Wechsel der Haarfarbe. Da winkt man nicht mal kurz mit schiefem Lächeln ab, sagt "Schwamm drüber!" und lässt die Gute beim nächsten Deutschen Fernsehpreis bei irgendeinem fragwürdigen Sketch mitwirken (Hi, Sean Spicer!).

Umso besser ist es, dass nach knapp 45 Minuten Gespräch das Thema dann eben doch noch auf Frauke Petrys aktuelles Verhältnis zur AfD kommt. Und erst hier scheint ihr vollends klarzuwerden: Die Rolle der konservativen Politikerin, die ja nur ein bisschen näher am "Volk" sein wolle und mit Rechtsextremismus so absolut gar nichts zu tun habe, nimmt ihr niemand ab. Ob es ihr nicht leidtue, dass sie den "gemäßigten Herrn Lucke" damals "weggebombt" habe, will di Lorenzo von ihr wissen, nachdem sie sich bereits geweigert hatte zu erklären, wann genau sie den Entschluss gefasst hatte, die Fraktion zu verlassen. "Sie waren bei Le Pen, sie waren bei Wilders, sie sind genau so rechts wie die anderen!", schiebt Gysi nach und trifft den Nagel auf den Kopf.

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Petry gibt sich empört und unwissend, grenzt sich immer wieder ab und will sich unter gar keinen Umständen den Schuh anziehen lassen, die Wähler mit ihrer nachträglichen Austrittsentscheidung bewusst getäuscht zu haben. Ins Schwimmen gerät Petry erst richtig, als Dohnanyi sie ganz konkret fragt, zu welchen Inhalten der AfD sie denn nach wie vor stehe. Da muss die Parteichefin nämlich zugeben, dass sie mit den Kerninhalten der Rechten nach wie vor kein Problem hat. Nur mit den wirtschaftlichen Programmpunkten, die seien ihr nämlich etwas zu sozialdemokratisch.

Als ein Einspieler ihre radikalen Positionen und Äußerungen der Vergangenheit Revue passieren lässt, ist Petry dann wieder vollkommen im Rechtspopulisten-Modus – einfach alles leugnen, auch die offensichtlichsten Dinge. Die Infos aus dem Einspieler, so die Dresdnerin, seien falsch: "Sie machen sich unglaubwürdig beim Wähler, weil es nicht stimmt!"

Am Schluss der Runde bleibt vielleicht vor allem im Gedächtnis, wie entschieden sich Alt-SPDler Klaus von Dohnanyi für einen Rücktritt von Martin Schulz aussprach. Frauke Petry dürfte allerding noch länger darüber nachgedacht haben, ob sie sich vielleicht etwas zu zuversichtlich auf ein Leben nach der AfD gefreut hat. Man kann sich nicht von heute auf morgen von einer Bewegung lossagen, die man überhaupt selbst mit ins Leben gerufen hat, und glauben, dass das nicht auf einen zurückfällt.

Die letzte Hintergrundgrafik im Studio zeigt den Bundestag bei Nacht, die Logos der Parteien mit Strahlern in den Himmel geworfen, wie das Batman-Symbol. Die AfD ist mittendrin – auch wegen Frauke Petry. Und der Anblick tut immer noch weh.

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