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Wohnungsmarkt

Mönche kaufen Haus für Obdachlose und verhökern es an Immobilienhai

Nächstenliebe sieht irgendwie anders aus.
Foto zur Verfügung gestellt von Fiftyfifty

Eigentlich haben sie dasselbe Ziel: Sie wollen Düsseldorfer Obdachlosen helfen. Die Obdachlosen-Hilfsorganisation Fiftyfifty vermittelt Wohnungslosen unbefristete Wohnungen und unterstützt sie dabei, Schulden, Sucht oder Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Die Mönche der Armen Brüder predigen "Achtsamkeit, Respekt und Toleranz gegenüber allen Lebensentwürfen". Doch die Sozialarbeiter von Fiftyfifty glauben, dass es die Mönche mit diesen moralischen Werten oft nicht so genau nehmen. Und eben das könnte dazu führen, dass am Ende 21 Obdachlose, die eigentlich ein Zuhause hatten, wieder auf der Straße landen.

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Das vierstöckige Backsteinhaus in der Lessingstraße 25, zwischen einem Metzger und einem Spielplatz gelegen, gab den ehemals Wohnungslosen seit 18 Jahren ein Zuhause. Damals hatten die Armen Brüder das Haus gekauft, unterstützt durch Spendengelder von Fiftyfifty. Eingenommen hatten sie diese durch den Verkauf von gespendeter Kunst und Privatspenden, die gezielt für den Hauskauf bestimmt waren. Doch im vergangen Jahr haben die Armen Brüder das Haus an ein großes Berliner Immobilienunternehmen weiterverkauft – ohne das vorher mit Fiftyfifty zu besprechen. Und dieses Immobilienunternehmen will die Obdachlosen nun offenbar loswerden.

Collage bestehend aus: Figur (Foto: pxhere | CC0); Geldscheine (Foto: imago | imagebroker)

"Sie haben es an den erstbesten Käufer abgegeben", sagt Johannes Dörrenbächer, Sozialarbeiter bei Fiftyfifty, gegenüber VICE. Den Immobilienunternehmer müsse man nur einmal bei Google eingeben. "Dann weiß man, dass er nur auf Profit aus ist und kein langfristiges Mietverhältnis anstrebt." Verkauft haben die Armen Brüder das Haus für rund 700.000 Euro – und das ist wiederum ein ziemlicher Spottpreis für ein 20-Parteien-Haus in Düsseldorf-Oberbilk.

Die katholische Ordensgemeinschaft der Armen Brüder des heiligen Franziskus wurde 1857 in Aachen gegründet. Die weltweit 70 Mönche leben nach dem Franziskanischen Prinzip: in Solidarität mit den Armen und Ausgegrenzten. 2014 machten sie allerdings bereits mit einem Finanzskandal Schlagzeilen. Bei riskanten Anlagegeschäften hatten sie 7,2 Millionen Euro an den dubiosen Finanzdienstleister Infinus verloren. Daraufhin beendete Fiftyfifty die jahrelange Zusammenarbeit mit den Mönchen. Sie und andere Spender hatten das Vertrauen verloren.

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Im letzten Jahr knallte es aber erneut zwischen der Hilfsorganisation und den Mönchen, als diese das gemeinsam erworbene Haus an einen Berliner Immobilienbesitzer verkauften – Eytan Daniel Halfin von HMS II. In den vergangenen zehn Jahren war er als Geschäftsführer verschiedener GmbHs eingetragen, überwiegend Immobilienfirmen und Wettbüros. Unter seinen Geschäftspartnern: Lior Mamrud und Josif Smuskovics, die in der Vergangenheit bereits durch Mieterhöhungen von 100 Prozent bei Wohnungen in Berlin-Wedding auf sich aufmerksam gemacht haben. In diesen Wohnungen wohnten vor allem Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Für Fiftyfifty ist der Verkauf des Düsseldorfer Hauses ein Skandal. "Die Ordensgemeinschaft hat das Haus damals einfach verkauft, weil sie selbst Finanzprobleme hatte", sagt Dörrenbächer zu VICE.

Dirk Buttler ist Vorsitzender und Sprecher der Armen Brüder, die sich seit 2018 die "Franzfreunde" nennen. In einem Interview mit der Rheinischen Post sagte er kurz nach dem Verkauf: "Der Investor hat uns garantiert, dass er weder Luxussanierungen noch eine Veränderung der Mietstrukturen beabsichtigt." Obwohl Dirk Buttler Rechtsanwalt ist, sagt er, dass er vertraglich aber nichts dergleichen festgehalten habe, die Zusicherung sei nur mündlich erfolgt. Und nun scheint der neue Eigentümer alles andere als daran interessiert zu sein, sein neues Häuschen günstig an ehemalige Wohnungslose zu vermieten. "Ab dem Moment, in dem das Haus verkauft wurde, gab es Probleme. Mieten wurden erhöht, die Sanitärräume in der vierten Etage wurden geschlossen und jetzt wird den Mietern Geld geboten, um Aufhebungsverträge zu vereinbaren. Der Vermieter will das Haus ganz klar leer ziehen", sagt Dörrenbächer von Fiftyfifty.

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Der erste Mieter soll kommende Woche gehen

Gerade bei der Abfindungssumme wird es problematisch: Viele der Bewohner beziehen staatliche Leistungen. Sollten sie die teilweise angebotenen 2.500 Euro vom neuen Eigentümer annehmen, würden diese als Einnahmen angerechnet werden, bestätigt ein Mitarbeiter des Amts für Soziales in Düsseldorf gegenüber VICE. Sie hätten also de facto nichts von dem Deal und wären zusätzlich noch wohnungslos. Es sei denn, sie hätten letzte Woche zufälligerweise den Mietvertrag für eine schicke Altbauwohnung mit Balkon unterschrieben. Für Obdachlose ist die Wohnungssuche allerdings oft besonders schwer.

Fiftyfifty hätte das Haus nach eigenen Angaben selbst von den Armen Brüdern zurückgekauft – hätte die Organisation von dem Verkauf gewusst. So hätte auch die Zwangsräumung verhindert werden können, die einem der Bewohner kommende Woche aufgrund von Mietschulden bevorsteht. "Als das Haus noch der Ordensgemeinschaft gehörte, wurden die Bewohner zusätzlich vor Ort betreut. Zu solchen Schwierigkeiten wäre es damals vielleicht auch gekommen, aber die hätte man dann lösen können", sagt Dörrenbächer. Rein rechtlich ist der jetzige Eigentümer jedoch auf der sicheren Seite. Der Gerichtsbeschluss ist durch. Und sollte der Vermieter nicht bis nächsten Mittwoch davon abrücken, wird der erste Bewohner wieder auf der Straße landen.

Fiftyfifty hat mittlerweile juristisch prüfen lassen, ob der Verkauf des Hauses durch die Ordensgemeinschaft ohne Rücksprache mit der Obdachlosenhilfe überhaupt rechtens war. Leider ja. In den Knast wird dafür also niemand kommen, in die Hölle vielleicht schon.

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