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Warum es heuchlerisch ist, dass Dynamo Dresden in "Hate Racism"-Trikots aufläuft

Den Kampf gegen rechte Hooligans gewinnt man nicht mit einer PR-Kampagne.
Ein Trikot auf dem "Love Dynamo. Hate Racism" steht vor Fans von Dynamo Dresden
Collage bestehend aus: Trikot: Twitter || Fans: imago | Robert Michael 

Mit Fremd- und Selbstwahrnehmung ist das so eine Sache. Sind sie deckungsgleich, wirkt man authentisch. Klaffen sie aber auseinander, ist man unglaubwürdig. Und damit wären wir bei Dynamo Dresden, einem Traditionsverein, der aktuell in der 2. Fußball-Bundesliga kickt. Während Dynamo-Anhänger und –Anhängerinnen bei rechtsextremen Aufmärschen in Chemnitz, Cottbus und Köthen unlängst noch fremdenfeindliche Parolen skandierten, legt der Verein nun eine nette PR-Kampagne gegen Rassismus neu auf.

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Dynamo Dresden wird am Freitag beim Sachsenderby gegen Erzgebirge Aue Trikots tragen, auf denen die Aufschrift "Love Dynamo. Hate Racism" prangt. Die Trikots gehen auf das antirassistische Fanbündnis 1953international zurück; 2011 feierte die Aktion Premiere.

Hooligans mit Haltung

Dynamo Dresden hat seit Jahrzehnten ein Problem mit Neonazis in der Fanszene. In den 90er-Jahren machte die NPD Sächsische Schweiz Werbung im Stadion. Zu Beginn der Jahrtausendwende arbeiteten verurteilte Neonazis aus Kameradschaften als Security im Stadion. 2002 stachen Dynamo-Hooligans einen Ungarn nieder. Gegenüber der Polizei gaben sie zu, dass ihr Motiv Ausländerhass, ihr Ziel die Tötung gewesen war. Bis heute gibt es etwa 600 gewaltbereite Rechtsextreme im Umfeld sächsischer Fußballvereine; Dynamo Dresden stellt davon die meisten. Auch deshalb begannen Verein und Fanbeauftragte vor ein paar Jahren, die Szene für das Problem zu sensibilisieren. Initiativen, die sich für eine weltoffene und tolerante Fanszene engagieren, wurden gestärkt, Workshops gehalten, Rechtsextreme ausgeschlossen und isoliert. Heute steht auf den Dynamo Dresden-Eintrittskarten: "Rassismus ist kein Fangesang". Die Aktion steht in dieser Tradition und ist zunächst ein richtiges und wichtiges Zeichen.

Dynamo Dresden konnte auch Erfolge im Kampf gegen Rechtsextremismus feiern: Die Gruppierung "Hooligans Elbflorenz" wurde 2015 verurteilt, nicht wegen Körperverletzung oder Landfriedensbruch etwa, sondern wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung – ein Präzedenzfall, der dazu führte, dass sich die Hooligans Elbflorenz auflösten. Als PEGIDA-Gründer Lutz Bachmann ein Jahr später versuchte, die Fanszene für seinen Protest zu vereinnahmen, entrollten Ultras kurzerhand Banner, auf denen "Bachmann Abschieben" zu lesen war. Dynamo Dresden reagierte auf Social Media und stellte sich Bachmann entgegen. Und als der schwarze Spieler Erich Berko letztes Jahr rassistisch beleidigt wurde, reagierten die Fans mit einem "Einer von uns"-Transparent. Hooligans mit Haltung also, es gibt sie auch.

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"Dynamo hat wirklich eine engagierte Fanbetreuung", sagt ein Szenekenner, der namentlich nicht genannt werden möchte, "man würde es sich zu einfach machen, wenn man auf sie einfach draufschlägt."


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Gut gemeint ist nicht gut genug

Doch nicht überall wo "Hate Racism" draufsteht, ist auch wirklich "Hate Racism" drin. Oft genug hat der Verein die Gelegenheit verpasst, sich klar von Rassisten zu distanzieren. Eine kleinere Auswahl aus den letzten zwei Jahren:

Im Zusammenhang mit den Straftaten fällt immer wieder der Name "Faust des Ostens", einer militanten und offen rechtsextremen Gruppierung, die gerne mal gegen "Kanacken" wütet oder "Judenschweine" angreift. Seit 2013 ist eine Anklage gegen fünf Rädelsführer von "Faust des Ostens" bei der Staatsschutzkammer des Dresdner Landgerichts anhängig. Zur Verurteilung kam es nie. Auch weil sich die Köpfe von "Faust des Ostens" auf freiem Fuß befinden, konnten sich Mitglieder an rechtsextremen Aufmärschen in Cottbus und Chemnitz 2018 beteiligen. Dass dies der Fall war, bestätigen mehrere Beobachter der rechtsextremen Szene gegenüber VICE. Auch in diesen Fällen wartete man auf eine Distanzierung von Dynamo vergeblich.

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Die Wahrheit ist: Es ist verdammt schwer, gegen eine Szene vorzugehen, die heterogen und polarisiert ist. Neonazis erkennt man nicht ohne weiteres bei Einlasskontrollen, erst recht nicht, wenn sie Fan-Outfits tragen. Auch linke oder unpolitische Fans können die Haare kurz geschoren tragen. Auch wenn Dynamo Dresden Stadionverbote ausspricht, schaffen es rechtsextreme Dynamo-Hools immer wieder sich einzuschleichen. Die Wahrheit ist auch: Es ist verdammt unbequem, gegen eigene Fans vorzugehen, die den Verein materiell, ideell, finanziell und im Stadion unterstützen. Auch deshalb gibt sich der Verein nach außen hin unpolitisch.

Deutlich wurde das in den Anfangsmonaten von PEGIDA, lange bevor "Bachmann Abschieben"-Banner 2018 im Stadion prangten. Als Hunderte Fans von Dynamo Dresden im Januar 2015 an den Aufmärschen teilnahmen und Gegendemonstranten bedrohten, sagte der damalige Geschäftsführer Robert Schäfer, der Verein positioniere sich nicht zu Pegida. "Als Dynamo Dresden steht es uns gar nicht zu, diese Veranstaltungen zu bewerten." Man sei unpolitisch.

Manchmal ist "gut gemeint" nicht gut genug. So lobenswert die Kampagne von Dynamo Dresden sein mag: Um den rechtsextremen Auswüchsen innerhalb der organisierten Fanszene Einhalt zu gebieten, bräuchte es eine konsequente Strategie: Eine strikte Durchsetzung von Stadionverboten, eine konsequente Distanzierung von rechtsextremen Aktivitäten und eine enge Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden. Bis all das nicht umgesetzt ist, bleibt "Love Dynamo. Hate Racism" nichts weiter als PR.

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