Warum ist "Mr. Brightside" von den Killers immer wieder in den Charts zu finden?

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Warum ist "Mr. Brightside" von den Killers immer wieder in den Charts zu finden?

Seit 2004 war "Mr. Brightside" von den Killers jedes Jahr in den Charts. Aber warum? Wir haben nachgeforscht.

Foto: Screenshot von YouTube aus dem Video "The Killers - Mr. Brightside" von TheKillersVEVO

Außerhalb von Las Vegas interessierte sich 2003 niemand für The Killers, als sie zum ersten Mal ihren Song "Mr. Brightside" veröffentlichten. Mit dem Re-Release der Sinlge 2004 kam es allerdings zu einem globalen Sinneswandel und auf einmal interessierten sich alle sehr für The Killers. Plötzlich waren die vier geschmackvoll gekleideten Herren eine der größten Bands des 21. Jahrhunderts – und das mithilfe eines Indiedisco-Klassikers über Untreue, Paranoia und Eifersucht. Oder eine heimliche gleichgeschlechtliche Beziehung, die zu einem Mord aus Leidenschaft führt. Kommt ganz drauf an, wen ihr fragt.

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Aus unerklärlichen Gründen ist "Mr. Brightside" auch heute noch, 13 Jahre nach seinem Erscheinen in den britischen Charts zu finden. Und zwar auf Platz 93 – eingebettet zwischen einem Song der Vamps und dieser ZAYN-Taylor-Swift-Kollaboration für Fifty Shades of Grey – Gefährliche Liebe. Aber warum dieser Song? Und warum jetzt? Ushers "Yeah!" ist auch 2004 erschienen und wo ist der? Warum nicht "Hey Mama" von den Black Eyed Peas? Oder "Drop It Like It's Hot"? Welche Kräfte haben gerade "Mr. Brightside" zurück zur Relevanz verholfen und es zu einem der 100 lukrativsten Lieder 2017 gemacht?


Mehr vom echten Mr. Brightside: "Guitar Moves mit Motörhead Bassist Lemmy Kilmister"


Wenn ihr euch die britischen Charts der letzten Jahre anseht, werdet ihr überrascht feststellen, dass es kein einziges Jahr gab, in dem die Single "Mr. Brightside" seit ihrem Erscheinen nicht in den Top 100 zu finden war – ganze 166-mal, um genau zu sein. Zwischen Juli 2016 und März 2017 sogar 35 Wochen AM STÜCK. FÜNFUNDDREISSIG! In Januar dieses Jahres erreichte "Mr. Brightside" mit Platz 49 seine höchste Position der letzten drei Jahre. "Mr. Brightside" von den Killers war 2017 eine Top-50-Single und ist aktuell immer noch in den Charts! Es ist einfach un-fucking-glaublich!

Wir haben lange darüber nachgedacht und sind schließlich auf einige Theorien gestoßen, warum dieses Lied immer noch (oder wieder?) so groß ist. Und natürlich lassen wir euch daran teilhaben, denn ihr seid uns wichtig.

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Studentenpartys mit post-ironischem Spotify-DJing

Im Mai geht in Großbritannien das Semester zu Ende. Das bedeutet, dass in den WGs und Wohnheimen des Landes ausgelassener und hemmungsloser gefeiert wird, als im ganzen Jahr davor. Die leeren Energie-Drink-Dosen, die die Flure während der Prüfungsphase geschmückt haben, wurden mit zerbeulten Cider- und Bierdosen ersetzt. Die konzentrierte Stille wurde von einem Haufen 19-Jähriger abgelöst, die den ganzen Tag nur noch saufen, knutschen, grölen und noch mehr saufen. Abendliche Gelage beginnen traditionell mit Saufspielen und werden musikalisch immer von einem Typen namens Paddy untermalt, der seine Herrschaft über das Aux-Kabel notfalls mit den Fäusten verteidigt und obendrein großer "Mr. Brightside"-Fan ist.

Wenn ihr gerade studiert, seit ihr wahrscheinlich ein bisschen zu jung, um euch an "Mr. Brightside" zur Zeit seiner Veröffentlichung zu erinnern. Ihr kennt den Song wahrscheinlich nur, weil er Freitags immer in der Indie-Disco eures Vertrauens gespielt wird. Diese ganze 2000er-Indie-Fan-Nostalgie geht also vollkommen an euch vorbei. Aber das ist vollkommen OK so, denn für euch bedeutet "Mr. Brightside" etwas anderes – und wahrscheinlich etwas besseres.

Für euch ist "Mr. Brightside" immer dieser etwas-kitschige-aber-irgendwie-auch-zügellose-Freude-verursachende Song gewesen, der wie bestellt gegen Ende einer durchzechten Nacht läuft, wenn ihr gerade damit anfangt, wahllos Menschen zu umarmen, die ihr vom Sehen aus irgendwelchen Vorlesungen kennt. Lallend brüllt ihr ihnen ins Gesicht, dass ihr euch "uuuunbedingt mal auf einen Kaffee treffen" solltet. "Also wirklich! Das sage ich nicht nur, weil ich betrunken bin", obwohl ihr sehr betrunken seid und nur weil ihr sehr betrunken seid. Und während euch diese alkoholgeschwängerten Sympathiebekundungen über die Lippen kommen, hat Paddy schon den nächsten Track angemacht und ihr hört die Anfangsakkorde von "Mr. Brightside". Aus lauter Begeisterung, den Song zu erkennen, reißt ihr und die Person, die ihr gerade noch umarmt habt, die Arme nach oben und kleckert dabei die arme Sau daneben mit schalem Bier voll . Sofort verspürt ihr den unglaublichen Drang, euch in das Getümmel der Party zu stürzen und zu diesem großartigen Song zu tanzen. Für euch ist "Mr. Brightside" nie wirklich cool oder uncool gewesen, sondern hat euch einfach immer nur dieses tolle Gefühl gegeben. Eure einzige Verbindung zu dem Lied ist unendlicher Spaß und genau deswegen will ihn jeder Student in Großbritannien nach der Prüfungsphase hören – kurz nach "Tubthumping" und ein bisschen vor "Wonderwall". Und genau deswegen ist "Mr. Brightside" gerade wieder in den britischen Charts. – Lauren O'Neill

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Die zeitlose Bequemlichkeit von Nostalgie

"Mr. Brightside" ist ein Song, der mit den gleichen Qualitäten wie Genres a la UK Garage und Disco gesegnet wurde. Tief in seinen Sound ist dieses Gefühl von Menschen eingebettet, die geliebt und verloren haben – und trotzdem alles noch einmal von vorne mit jemand anderes machen wollen. Es ist der Sound zweier Pole: der von feucht werdenden Gesichtern auf der Tanzfläche und der von bleierne Stille in einem Auto, das zu später Stunde eine gottverlassene Autobahn entlangheizt. Es ist eine Brust, die mit dem Gewicht tagelangen Regens, gequälten Lächelns, dem Bedürfnis nach mehr, und halbgaren Ausreden gefüllt ist. Wenn diese ganzen Gefühle Überhand nehmen, landet der Song wieder in den Top 100. Was eigentlich genau passiert ist, lässt sich jedoch kaum sagen. Müssen wir es wissen? Ich antworte mal mit einem Zitat von Yves Saint Laurent: "Mode vergeht, Stil ist für immer." Was ich damit sagen will? Diese ganzen Gefühle wird es immer geben und deswegen ist das Lied einfach zeitlos. – Ryan Bassil

Technischer Fehler

Auch wenn ich damit Gefahr laufe, wie ein verstrahlter Hippie zu klingen, aber findet ihr es nicht auch manchmal verrückt, dass wir uns so sehr auf Technologie verlassen? Es nimmt solche Ausmaße an, dass wir bim Fall eines weltweiten Stromausfalls (ausgelöst durch den drohenden Atomkrieg zum Beispiel) dermaßen im Arsch wären, dass wir in eine Art apokalyptischen Wahnsinn verfallen und früher oder später auslosen, welche Freunde und Verwandte getötet und verspeist werden müssen. Was hat das bitte mit "Mr. Brightside" von den Killers zu tun? Ich versuche hier gerade über diese Website nur zu erklären, dass unsere ganze Technologie alarmierend empfindlich ist. Wir können uns nicht ständig für alles auf sie verlassen. Vielleicht ist "Mr. Brightside" zurück in den britischen Charts weil … keine Ahnung … irgendein Computer es verkackt und sich verzählt hat. Vielleicht hat jemand irgendwelche Kabel vertauscht? Vielleicht war es ein Glitch oder ein Virus? Ich habe keine Ahnung, wie dieses Zeug funktioniert, aber Fehler passieren. Für mich ist die Sache klar, es muss ein Fehler sein. – Daisy Jones

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Alle freuen sich total, dass die Killers diesen Sommer beim Hyde Park spielen und haben "Mr. Brightside" bei Spotify auf Repeat gestellt

Menschen, die umgerechnet 70 Euro (zzgl. Vorverkaufsgebühren) ausgeben, um die Killers 2017 live zu sehen, sind wahrscheinlich die gleichen Menschen … die das Album ein zweites Mal kaufen würden? Oder einfach ihr tägliches Morgenritual damit beginnen, "Mr. Brightside" achtmal auf Repeat zu hören – und dann wieder zum Feierabend, um sich "so richtig Lust auf das Highlight des Sommers!!!" zu machen. Aber gut, wahrscheinlich hat Daisy recht und am Ende ist es irgendein Glitch. – Tshepo Mokoena

Wahlkampf

Im Juli 2016 wurde Theresa May Premierministerin.

Ebenfalls im Juli 2016 begann "Mr. Brightside" seine 35 Wochen Tour-de-Force in den UK-Charts. Seit 2009 war der Song dort nur wieder sporadisch für ein paar Wochen aufgetaucht.

Zufall? Oder ist Theresa May eine so miese Premierministerin, dass das mündige Wahlvolk jedes Mal, wenn sie auf dem Fernsehbildschirm auftaucht und eine Rede vor genervten Fabrikarbeitern hält, sich dazu genötigt fühlt, "Mr. Brightside" anzumachen und an ihren Herausforderer Jeremy Corbin zu denken – den lieben Jeremy Corbin und sein einfühlsames Manifest, mit dem er sich aktiv bemüht, keine armen Menschen umzubringen. Was war am 12. Januar passiert, dem Tag an dem "Mr. Brightside" auf Platz 49 geschossen war? Theresa May hatte ihre Brexit-Rede angekündigt. Und was war am 13. April geschehen, als der Song nach einer kurzen Pause wieder in den Charts auftauchte? Boris Johnson hatte es nicht geschafft, sich Unterstützung für weitere Sanktionen gegen Russland zu sichern; Theresa May meinte, er hätte "erstklassige Arbeit" geleistet. Was ist in der Woche passiert ist, in der "Mr. Brightside" von der 95 auf die 93 gehüpft ist? Theresa May ging bei Facebook live, faselte etwas über die "Priorisierung von Ressourcen" und wurde mit 10.000 wütenden Emojis eingedeckt.

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ZUFALL? Oder kann es sein, dass jedes Mal, wenn Theresa May ihren Mund aufmacht, niemand anders kann, als sich in der unablässigen Euphorie von "Mr. Brightside" zu suhlen. Quasi automatisch ist das Lied zur Hymne ihres Widersaches Jeremy Corbyn geworden. Wenn May sich endlich zu einem Fernsehduell bereiterklärt, wird der Song in den Top 10 landen. Wenn Corbyn gewinnt, landet "Mr. Brightside" auf der 1 und bleibt dort bis Weihnachten. Ich bin mir da hundertprozentig sicher. Weil – in den hoffnungsvollen Augen der britischen Öffentlichkeit zumindest – ist Jeremy Corbyn "Mr. Brightside". – Emma Garland

Dank des ganzen Contents, der zum zehnjährigen Geburtstag der letzten Staffel ins Internet geblasen wurde, haben Teenager O.C., California für sich entdeckt. Jetzt springen sie total auf diese Gefühlsachterbahn von Szene an, in der die Killers ihre Hits vor 40 desinteressierten Leuten spielen

Der Song ist gut

Ja, ist er einfach. Muss man ihm lassen.

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