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Film

Den neuen Power Rangers ist es sehr, wirklich sehr wichtig, weltoffen zu wirken

Nach der ersten schwulen Disney-Figur in "Die Schöne und das Biest", ziehen die Power Rangers nun mit einer lesbischen Heldin nach – so wirklich fortschrittlich ist daran aber leider nichts.
Photos courtesy of Lionsgate

Als ich Becky G in einem Café in Studio City, einem Stadtteil von Los Angeles, treffe, trägt sie ein Outfit, das frappierend an ihre Rolle als Power Ranger Trini erinnert: gelber Pullover, gelbe Schuhe und eine gelbe Kette. "Als Kind wollte ich immer der gelbe Power Ranger sein", sagt die Schauspielerin und Sängerin mit mexikanischen und amerikanischen Wurzeln. Den Journalisten ist die Farbe der Kostüme hingegen vollkommen egal. Sie interessiert einzig und allein die Sexualität ihrer Rolle, die spontan "homosexueller Power Ranger" getauft wurde. Die Power Rangers sind bereits durch Raum und Zeit geflogen. Jetzt sind sie auch noch divers und aufgeklärt.

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"Die Power Rangers bekommen einen ganz neuen Background, der sie in die Gegenwart holt", erklärt Becky,

Ihre Schlüsselszene kommt in etwa nach der Hälfte des Films, wenn alle fünf Power Ranger um das Lagerfeuer herum sitzen. Einer von ihnen legt nahe, dass Trini deswegen so schlechte Laune hätte, weil sie "Probleme mit ihrem Freund hat". Eher "Probleme mit ihrer Freundin", gesteht die daraufhin.

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"Das war ein sehr ehrlicher und authentischer Moment", erklärt Becky, als sie mir von der Szene erzählt. Ein weiterer Satz, der im Film fällt: "Du musst deine Maske fallen lassen, um diese Rüstung tragen zu können." Becky hat allerdings gemischte Gefühle, was den schon jetzt berühmt berüchtigten Moment ihrer Filmfigur angeht. "Natürlich finde ich Diversität, Zusammenhalt und Gleichheit unterstützenswert – das ist doch nur menschlich", sagt sie. "Gleichzeitig frage ich mich aber auch manchmal, was der ganze Aufruhr soll. Wir haben 2017."

Die Power Rangers machen ziemlich viel Wind darum, dass sie ein politisch modernes Thema ansprechen. Manchmal wirkt der Film wie das actiongeladene Filmäquivalent zu Matt McGorry, der auch keine Gelegenheit auslässt, um vor dem jüngeren Publikum zu punkten: In der Geschichte von Kimberly, dem Pink Ranger, dreht sich alles um Cybermobbing und Billy, der Blue Ranger, hat sich für das Remake in einen schwarzen Teenager mit einer Autismus-Spektrum-Störung verwandelt. Anders als die meisten anderen Hollywoodfilme, hat der Film allerdings tatsächlich eine sehr diverse Besetzung.

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Dennoch steht das Remake noch immer auf einer Stufe mit Riverdale und dem "homosexuellen Disney-Helden" aus Die Schöne und das Biest: Der Film greift den Liberalismus ihrer jungen Zielgruppe auf, nur um ihnen ein popkulturelles Produkt der 1990er- und 2000er-Jahren zu verkaufen. Ihre vermeintliche Fortschrittlichkeit ist letztendlich nur ein Mittel zum Zweck.

Foto: Kimberly French | Lionsgate

Das neue Bewusstsein der Power Rangers versucht, Fragen zu klären, die im Original nicht angesprochen wurden. Die oberste Priorität für Haim Saban, den Inhaber und Gründer von Saban Entertainment, war es damals, die Sendung möglichst kostengünstig zu produzieren. Deswegen engagierte er ausschließlich junge, unbekannte Namen – darunter einen schwarzen Schauspieler in der Rolle des Black Rangers und eine asiatische Schauspielerin, die den Yellow Ranger gespielt hat. Im Verlauf der ersten Staffel verließen drei Schauspieler die Sendung, weil es zu Vertragsstreitigkeiten gekommen war.

"Ich hätte in der ersten Staffel genauso gut auch am Schalter von McDonalds stehen können und hätte dasselbe verdient", erklärte Austin St. John im Gespräch mit der Huffington Post. Er spielte damals den Red Ranger. Im Jahr 1998 hat die amerikanische Gewerkschaft für Schauspieler (SAG) ihren Mitgliedern dann nahegelegt, nicht mit Saban Entertainment zusammenzuarbeiten. Grund dafür war, dass das Unternehmen angeblich "Kinder ökonomisch ausbeutete". (Ein Sprecher von Saban Entertainment dementierte diese Vorwürfe gegenüber der Los Angeles Times und nannte sie "vollkommen haltlos". Saban und die Gewerkschaft der Schauspieler konnten ihre Differenzen später beigelegen.)

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Mehr als zwölf Jahre nach diesem Vorfall erklärte David Yost, der ganz offen zu seiner Homosexualität steht, dass er nicht mehr als Blue Ranger auftreten würde, weil die "Entwickler, Produzenten, Drehbuchautoren und Regisseure" ihm gegenüber mehrmals das Wort "Schwuchtel" verwendet hatten. Bryan Cranston, der Star aus Breaking Bad und einer der Synchronsprecher der Original-Serie, nannte den Blue Ranger in einem späteren Interview sogar "den Tuntigen". (Cranston hat sich dafür entschuldigt. Der Produzent Scott Page-Pagter hat Yosts Vorwürfe zurückgewiesen und erklärte gegenüber TMZ, Yost sei aus finanziellen Gründen gegangen und hätte sich "aufgeführt wie ein Arsch".) Haim Saban schlug derweil weiter Profit aus den Power Rangers und verkaufte das Franchise gemeinsam mit Fox Family Worldwide für umgerechnet rund 4,9 Milliarden Euro an Disney. Im Jahr 2010 kaufte er die Power Rangers dann aber wieder zurück.

Das Remake der Power Rangers versucht, die schwierige Vergangenheit des Franchise zu umschiffen. Becky war sofort begeistert von dem Drehbuch, weil der Film unerwartet komplex war. "Ich wollte etwas mit mehr Substanz spielen", sagt sie. "Es geht um ganz aktuelle Themen und darum, man selbst zu sein. Die Geschichte lebt von der Entwicklung seiner Charaktere." Beim Original hingegen seien vor allem die farbenfrohen Kostüme und die Kampfszenen interessant gewesen.

Im Verlauf des Films haben sie und die anderen Schauspieler eine eigenen Methode entwickelt, um sich der Geschichte anzunähern. "Wir haben aus unseren ganz persönlichen Erfahrungen geschöpft", sagt Becky. "Das war zum Teil sehr selbstanalytisch." Als sie für die Rolle vorgesprochen hat, war sie gerade als Sängerin auf Tour. "Als ich auf Tour war, war ich wirklich einsam. Das mag vielleicht komisch klingen, aber selbst wenn man in einer vollen Halle vor mehr als tausend Menschen spielt, kann man sich noch immer ziemlich allein fühlen." Eine Eigenschaft, die sie mit ihrer Rolle Trini teilt.

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Trotz der gut gemeinten Ansätze, stehlen die Actionszenen der Geschichte letztendlich doch die Show: Während der Filmvorführung hielt das Publikum eigentlich nur ein einziges Mal den Atem an und zwar als die Zords zur Titelmelodie der Serie zum ersten Mal auf der Leinwand erschienen.

Die Gespräche über Sexualität und Autismus-Spektrum-Störungen schlagen zwar nicht ins Lächerliche um, eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit derart wichtigen Themen sieht allerdings anders aus. Neue Erkenntnisse über queere Sexualität gibt es keine, andererseits: Was will man auch erwarten? Saban wusste, was er wollte, als er den jungen Millennials Anfang der 90er-Jahre die Power Rangers gab – und was die jungen Menschen von damals heute auf der Leinwand sehen wollen.