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Krieg gegen Drogen

Mexiko ist drauf und dran, Syrien als mordreichstes Land der Welt abzulösen

Durch das strikte Vorgehen gegen Drogengangs hat sich in dem nordamerikanischen Staat eine Gewaltspirale entwickelt, aus der es kaum ein Entkommen gibt.
Soldaten bewachen einen Tatort | Foto: imago / ZUMA Press

Mexiko steht kurz davor, Syrien als das Land mit der weltweit höchsten Mordrate abzulösen. Schuld daran sind die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Drogenkartellen, die Korruption und die steigende Nachfrage nach Opioiden in den USA.

Laut den aktuellsten Statistiken war die Mordrate im Mai so hoch wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Vergangenen Monat ermittelten die mexikanischen Behörden in 2.186 offenen Mordfällen. Bei einigen dieser Fälle geht es sogar um mehrfachen Mord. Das hat zur Folge, dass die Zahl der Mordopfer im Mai bei 2.452 lag.

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Insgesamt wurden in Mexiko in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 9.916 Morde registriert – ein Anstieg von gut 30 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr. Berichten zufolge sind die Leichenhallen in Bundesstaaten wie Guerrero – dort kämpfen Drogengangs um die Vorherrschaft auf dem Heroinmarkt – den großen Mengen an Leichen nicht mehr gewachsen.

Das International Institute for Strategic Studies (IISS), ein Thinktank aus Großbritannien, sagte 2016, dass in Mexiko mehr als 23.000 Morde geschehen wären. Damit läge das Land auf der Liste der mordreichsten Länder der Welt nur knapp hinter Syrien. Die mexikanische Regierung kritisierte die Entscheidung, Mexiko in das sogenannte "Armed Conflict Survey" aufzunehmen: "Die Existenz von kriminellen Banden reicht nicht aus, um von einem nationalen bewaffneten Konflikt sprechen zu können."


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Trotz dieses Einspruchs steigt die Mordhäufigkeit immer weiter an. In Syrien, wo immer noch ein blutiger Bürgerkrieg tobt, geht die Anzahl der Toten hingegen zurück. Die aktuellsten Zahlen des Violations Documentation Centers in Syria zeigen, dass die durch den Konflikt verursachten Todesfälle im Mai 2017 auf 664 sanken. Im May 2016 waren es noch 1.171.

Seit der Machtübernahmen des inzwischen Ex-Präsidenten Felipe Calderón im Dezember 2006 befindet sich Mexiko in den Zangen eines brutalen Krieges gegen Drogen. Damals wurden mehrere Zehntausend Truppen auf die Straßen geschickt, um rigoros gegen die Kartelle vorzugehen. Die Korruption in den Reihen der Beamten war jedoch Gift für die Bemühungen und führte letztendlich zu noch mehr Toten sowie zu weitreichenden Zweifeln am Sinn des ganzen Unterfangens. Als Calderón sechs Jahre später aus dem Amt schied, hatte sein blutiger Krieg die Mordrate auf über 20.000 Fälle pro Jahr ansteigen lassen.

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Der derzeitige Präsident Enrique Peña Nieto geht das Drogenproblem anders an: Er konzentriert sich lieber auf politische Fragen in Bezug auf die Infrastruktur und die Wirtschaft. Zwar ist die Zahl der Morde so anfangs tatsächlich etwas zurückgegangen, aber die aktuellen Zahlen legen dennoch nahe, dass der Politiker mit seiner Herangehensweise ins Leere läuft.

Als Hauptfaktoren für den Gewaltanstieg in Mexiko werden die folgenden drei Faktoren genannt:

Die "Balkanisierung": Zwar konnte die mexikanische Regierung schon mehrere hochrangige Drogenbosse verhaften (darunter auch Joaquin "El Chapo" Guzman, den Kopf des Sinaloa-Kartells), aber das hat Analytikern zufolge zu einer "Balkanisierung des organisierten Verbrechens in Mexiko" geführt. In anderen Worten: Die Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gangs haben sich nur noch weiter verschärft, weil alle die Machtvakuen füllen wollen. "Der Gewaltanstieg ist auch auf die Zersplitterung der organisierten Verbrecherbanden zurückzuführen. Wenn die Anführer nicht mehr da sind, dann leiden die Gruppierungen unter dem Kampf um die Vorherrschaft", sagte Tom Long, ein Professor für internationale Beziehungen an der University of Reading, gegenüber dem Guardian.

Die Nachfrage nach Opioiden: Die mexikanischen Drogengangs wollen sowohl der stetig wachsenden Heroinnachfrage in den USA als auch dem steigenden Opioid-Konsum nachkommen. Diese Entwicklung wird inzwischen als die schlimmste Drogenkrise in der Geschichte der USA beschrieben.

Die Korruption: Vergangenes Jahr hat das IISS auch die "institutionelle Schwäche und weit verbreitete Korruption" in den Reihen der Regierungstruppen für den Anstieg der Gewalt verantwortlich gemacht. Man hat die mexikanische Regierung dazu für ihre militärähnliche Herangehensweise an den Kampf gegen die Drogen kritisiert. Denn selbst wenn dabei Unschuldige getötet werden, zieht die "zuerst schießen"-Mentalität oftmals kaum Konsequenzen nach sich.

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