Der Autor in seiner besten typischen Papapose
Alle Fotos: David Meulenbeld
familie

Der typische Papa könnte mit unserer Generation aussterben

Haben wir es überhaupt noch in uns, unsere Kinder vor ihren Freunden und Freundinnen zu blamieren? Ein Gedankenexperiment.

Wenn es eine Art Mensch gibt, die einzigartig und gleichzeitig komplett austauschbar ist, dann ist das der typische Papa. Manche sagen mir, dass ich schon jetzt als Nicht-Vater teils wie ein typischer Papa wirke, zum Beispiel wegen meiner geliebten Leder-Bauchtasche. Dennoch kriege ich langsam Angst, dass ich diesen Titel nie verdienen werde. Ich hasse nämlich die Dire Straits, tue niemals so, als würde ich die minimalen Unterschiede zwischen verschiedenen Auspuffrohren kennen, und erzähle nur ganz selten schlechte Witze.

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Vor Kurzem beichtete mir ein Kollege, dass er sich die gleichen Sorgen macht wie ich: Als Mann mit den Tischler-Skills einer Wühlmaus befürchtet er, seinen zukünftigen Kindern niemals ein Puppenhaus zusammenzimmern zu können, so wie es sein Vater damals getan hat.

Stirbt der typische Papa etwa mit unserer Generation aus? Ich beschloss, als eine Art Hommage an alle Väter da draußen einige der typischen Papa-Merkmale und -Verhaltensweisen festzuhalten – und zu erklären, warum ich als Vater wahrscheinlich nie so sein werde. Ein großer Dank geht an Loes Koster, die mir für die Fotos in diesem Artikel ihre Töchter zur Seite gestellt hat.


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Die Überzeugung vom eigenen, nicht vorhandenen Wissen

Selbst mit einem Sommelier-Abschluss könnte ich wahrscheinlich niemals so selbstsicher über alkoholische Getränke reden wie ein typischer Papa, der von diesen Drinks eigentlich keine Ahnung hat. Ich könnte jede Sprache der Welt beherrschen und in einem völlig fremden Land trotzdem nicht so überzeugt einen Snack bestellen wie ein Vater.

Das Rückwärts-Einparken

Wie viele Kinder unserer Generation haben warme Erinnerungen an diesen seltsam beruhigenden Anblick? Papa, der ganz entspannt rückwärts einparkt und dabei so aussieht:

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Und das soll bald Geschichte sein?

Der genau definierte Musikgeschmack

Ich stehe total auf Power-Balladen, kann jedes Mitglied des Wu-Tang Clan aufzählen und weiß die Feinheiten der Musik von ABBA zu schätzen. Gleichzeitig kann ich aber auch zu Doom Metal oder Italo Disco abgehen. Mein Vater würde einen solchen Mischmasch nie gutheißen, denn er ist halt ein typischer Papa: Er weiß genau, was er mag, und kann alles mühelos in die Schubladen "Gut" und "Schlecht" einordnen. In die gute Schublade packt er zum Beispiel die Rolling Stones (oder einfach nur "die Stones"), Eric Clapton, Bruce Springsteen, Neil Young, die Eagles, Queen und Earth Wind and Fire. In die schlechte kommt alles, was mit HipHop oder House zu tun hat.

Nuancen sind wohl eine Krankheit der modernen Zeit.

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Der Autor beäugt einige Neil-Diamond-Platten mit kritischem Papablick

Das Nickerchen vor dem Fernseher

Immer mehr Leute meines Alters besitzen kein TV-Gerät mehr. Eine gefährliche Entwicklung. Für den typischen Papa gibt es nämlich kaum eine effektivere Art zu entspannen, als während einer sinnlosen Spielshow, eines ARD-Polit-Talks oder einer superwichtigen Sportveranstaltung einzudösen und später zu behaupten, er sei die ganze Zeit wach gewesen.

Das nicht vorhandene Schamgefühl

Ich bezweifle stark, dass ich jemals mutig genug sein werde, um mit meinen Kindern in ein Restaurant zu gehen und dort ohne Erlaubnis die Tische und Stühle nach Belieben zusammenzurücken. Oder um die Kellnerin mit meiner nicht vorhandenen Weinexpertise zu belabern. Oder um viel zu laut über die Tischnachbarn zu reden. Kann ich mich irgendwann überhaupt als typischen Papa bezeichnen, wenn sich meine Kinder wegen mir niemals zu Tode schämen müssen?

Werde ich mein Leben lang so selbstkritisch und unsicher sein wie jetzt? Ich habe wirklich Angst, meinen Kindern nie eine klobige Spiegelreflexkamera ins Gesicht zu halten und sie aufzufordern, doch mal zu lächeln. Vielleicht werde ich sie niemals mit voller Absicht vor ihren Freunden und Freundinnen blamieren. Werde ich, wie so viele typische Papas, jemals das Gefühl haben, der Größte zu sein?

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Das nicht vorhandene technische Wissen

Eigentlich mache ich mir bei diesem Punkt keine großen Sorgen. Früher war ich ein Nerd, der HTML- und Flash-Codes verstand. Heute weiß ich nicht mal mehr, wie ein Cloud-Speicher funktioniert. Wenn das so weitergeht, werde ich später mal auf jeden Fall wie ein typischer Papa agieren und superteure Laptops kaufen, ohne zu wissen, wie ich sie vor Malware und Viren schützen kann. Dieses Problem werde ich dann versuchen zu lösen, indem ich verärgert bei meinen Kindern anrufe, mich über "diesen modernen Computerschrott" beschwere und meiner Frau die Schuld in die Schuhe schiebe, weil die "bestimmt irgendwelche komischen Dateien runtergeladen hat".

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Die ganzen kleinen Papadetails

Viele der subtilen Eigenschaften eines typischen Papas lerne ich bestimmt schnell – zum Beispiel mit nur einem Zeigefinger auf dem Smartphone herumtippen und dabei die Lesebrille gerade noch so auf der Nasenspitze tragen. Oder mit den Händen in der Hüfte dastehen und das Gesicht verziehen, weil ich bewusst direkt in die Sonne schaue. Oder Kalauer wie "Hoffentlich cola-bierst du nicht!" raushauen, wenn jemand ein alkoholisches Mischgetränk genießt.

Wenn wir klein anfangen, schaffen wir es vielleicht, in den Fußstapfen unserer Väter zu folgen und den typischen Papa auch für die kommenden Generationen zu erhalten. Oder wir lassen es sein und entwickeln dafür eine moderne Version, den Papa 2.0. Eine faire Partnerschaft mit den Müttern unserer Kinder schließt Dad Jokes, fragwürdige Outfits und Fernseh-Nickerchen ja nicht aus.

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