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Europawahl

Martin Sonneborn verliert seinen Lieblingsfeind

CDU-Schlachtschiff Elmar Brok darf nicht mehr fürs Europaparlament kandidieren und hat obendrein einen mutmaßlichen Korruptionsskandal an der Backe. Die Rekonstruktion eines politischen Kleinkriegs.
Collage von Elmar Brok (links) und Martin Sonneborn (rechts)
Foto: Imago | ZUMA Press

Dass er diese Schlacht am Ende tatsächlich gewinnt, das hätte wohl nicht mal Martin Sonneborn selbst geglaubt. Aber jetzt ist es amtlich: Sonneborn wird wieder in den EU-Wahlkampf ziehen, sein Erzfeind im Parlament, das CDU-Urgestein Elmar Brok, aber nicht.

Brok, der bekannteste und einflussreichste deutsche Politiker im Europaparlament (sorry, Manfred Weber, das sagt die Welt!), wird bei der Wahl im Mai nicht noch einmal antreten. Anfang Januar hatte er völlig überraschend seinen Listenplatz verloren und am Montag nun endgültig alle Versuche beendet, doch noch auf die Liste zu gelangen.

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Die Karriere des absoluten Endgegners unter den EU-Politikern, der seit fast 39 Jahren im Europaparlament sitzt und die längste Zeit davon als "der wichtigste Abgeordnete in Brüssel" galt, findet damit ein unerwartet abruptes Ende – und der Satire-Politiker Sonneborn verliert mit Elmar Brok seine größte Zielscheibe.


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"Waaaaas?!", reagierte Sonneborn geschockt auf Twitter. "Mein 72 Jahre alter Kumpel Elmar Brocken (178 Kg konzentrierte CDU, seit 1980 im EP) soll vom Landesverband NRW nicht wieder zur EU-Wahl nominiert werden? Wer soll denn jetzt mit Schlüsselbund und Schuhen nach Praktikanten werfen?"*

Sonneborn vs. Brock: eine ungleiche Feindschaft

Was jetzt zu Ende geht, ist bestimmt nicht die spektakulärste aller Fehden im Europaparlament – die verbissenste könnte es aber durchaus sein. Das Ganze fing offenbar damit an, dass Sonneborn im Juni 2015 ein Foto auf Facebook postete, auf dem Brok so aussieht, als wäre er mitten in einer Podiumsdiskussion einfach auf der Bühne eingeschlafen:

Brok hat sich danach wohl noch oft gewünscht, er hätte das einfach ignoriert. Stattdessen machte er einen großen Fehler: Wenig später sah er, wie die ARD Sonneborn in der Lobby interviewte – und platzte von hinten ins Bild, um zu rufen, dass der Satiriker "faul, faul, faul, frech und faul!" sei.

Damit hatte er sich selbst das Fadenkreuz auf den Rücken gemalt. Sonneborn erzählte kurz darauf in einem Interview, dass er besonders gerne die "dicken, alten, weißen Männer" im EP ärgere. "Zum Beispiel Elmar Brocken."

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Der Spaß lebte natürlich von dem (nicht nur körperlichen) Ungleichgewicht zwischen den beiden: Brok war ein politischer Gigant, hatte 13 Jahre lang den Auswärtigen Ausschuss geleitet und war daran gewöhnt, sich durch die Weltpolitik zu bewegen wie ein Schlachtkreuzer der Kirow-Klasse. Sonneborn hatte so viel Relevanz wie eine Möwe, die schreiend um den Kreuzer flattert – und es trotzdem immer mal wieder schafft, genau auf die Frontscheibe der Kommandobrücke zu kacken.

Brok muss gehen, Sonneborn bleibt vielleicht

Diese Geschichte ist jetzt wohl vorbei. Und während Sonneborn bei der Wahl Ende Mai (doch) noch einmal die Chance hat, ins Europaparlament zurückzukehren, hat Brok sich entschieden, gar nicht mehr anzutreten. Sonneborn vermisst ihn offenbar jetzt schon: Auf Twitter erzählte er, dass er Brok vor Kurzem noch im Parlament getroffen und ihm "Brocken, wir stehen hinter Ihnen!" zugerufen habe, und "Ich brauche Sie hier, kämpfen Sie!". Brok soll das keinen Spaß gemacht haben ("Mann, war der geladen …").

Dazu kommt jetzt, dass Broks letzte Arbeitstage auch noch von einem Mini-Korruptionsskandal überschattet werden. Der Parlamentarier soll einen "Kostenausgleich" von 150 Euro von jedem Bürger kassiert haben, der ihn an seinem Arbeitsplatz besuchen wollte, berichtet Politico – obwohl das Europaparlament diese Kosten bereits übernimmt. Broks Büro habe so doppelt kassiert – und viel von dem Geld, das dann auch tatsächlich nicht gebraucht wurde, sei nie zurückgezahlt worden.

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Eine gute Gelegenheit für Sonneborn, Brok noch ein letztes Mal eine mitzugeben. "Elmar Brocken hat offenbar Geld von Besuchergruppen erhalten", schreibt er auf Twitter. "Wahrscheinlich brauchte er es, um seine Praktikanten nicht zu bezahlen … ZwinkerSmiley!"

Es wirkt fast so, als würde dieser letzte Zwinkersmiley gleichzeitig eine kleine Träne verdrücken.

*Sonneborn nannte Brok konsequent immer "Brocken" – genauso, wie er Martin Schulz immer "Chulz" nannte, nur dass da für den CDU-Mann deutlich weniger Zärtlichkeit mitschwang. Ob Sonneborns Vorwürfe gegen Brok hier stimmen, konnten wir nicht verifizieren.

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