Menschen

So lernen reiche Ausländer französische Benimmregeln

Nein, in Frankreich sagt man nicht "bon appétit".
Justine  Reix
Paris, FR
Blonde Frau, die Benimmregeln für reiche Ausländer in Frankreich unterrichtet
Catherine Duguet, Lehrerin der guten Manieren | Foto mit freundlicher Genehmigung der Interviewten

Trotz Emily in Paris haben sich die Franzosen über Jahrzehnte den Ruf unglaublicher Eleganz erarbeitet. Reiche Ausländer sind sogar bereit, Geld auf den Tisch zu legen, um etwas vom französischen Glanz abzubekommen und das l’art de la table zu lernen. Dieser Begriff umfasst sowohl die Kunst, richtig den Tisch zu decken als auch Tischmanieren und Konversationsführung. 

Für Menschen aus den USA und aus China gibt es da viel zu lernen – aus diesen Ländern kommen besonders viele Teilnehmende. Ich traf Catherine Duguet, die Gründerin der École de Savoir-Vivre (Schule des guten Lebens) in Loir-et-Cher. Wir sprachen darüber, wie man Menschen Stil beibringt.

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VICE: Was macht deinen Job aus?
Catherine Duguet: Ich bringe Leuten Benimmregeln bei. Sie kommen aus unterschiedlichsten Gründen zu mir. Manchmal wollen sie sich die Umstellung in eine neue soziale oder professionelle Umwelt erleichtern oder ihr eigenes Unternehmen gründen. Andere wollen vielleicht ihr persönliches Leben bereichern, indem sie die Kunst der französischen Lebensweise kennenlernen. 

Es geht nicht darum, spießig oder diszipliniert zu sein, auch wenn manche das denken. Wenn man die wahre Kunst des savoir vivre meistert, lernt man aufmerksam und fürsorglich zu sein. 

Was macht die französische Lebensweise so beliebt?
Frankreich ist der Geburtsort der Eleganz, der Raffinesse und der Zuvorkommenheit. Dazu kommen Gastronomie,  Qualitätswein, Haute-Couture-Mode, Luxusmarken, exzellentes Know-How, l’art de la table und die Kunst der Unterhaltung. Frankreichs kulturelles Erbe macht uns zu einem erstklassigen Vorbild.

Was lernen Schüler in deinem Unterricht über französische Manieren?
Größtenteils lernen sie soziales Verhalten. Eines der komplexen Themen, die wir behandeln, sind Begrüßungen – wer stellt sich zuerst vor? 

Was geht ihr noch durch?
Wir arbeiten auch an Gestik, Haltung, wie man sich kleidet und Stilfehler vermeidet. An Manieren bringen wir dir bei, wie man den Tisch richtig deckt und Besteck, Gläser und Servietten korrekt benutzt. Wir studieren soziale Beziehungen und was man sagen kann und was nicht. Zum Beispiel sagt man in Frankreich niemals enchanté oder bon appétit

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Warum kommen so viele Ausländer zu dir?
Meistens wollen sie professionell etwas erreichen oder brennen für l’art de la table. Für sie bedeutet es, sich in sozialen Situationen selbstsicher und entspannt fühlen zu können. Sie vermeiden faux pas bei einem Abendessen mit Klienten oder wenn sie selbst bei jemandem eingeladen sind.

Wie stellen sich die Amerikanerinnen und Amerikaner mit den französischen Regeln so an?
Sie sind nicht so einfühlsam wie wir es sind; sie würden sich gegenseitig nicht auf die Wange küssen. Dafür sind sie viel herzlicher als wir. Sie sind insbesondere von unserer 15 Minuten-Regel überrascht – wenn dich jemand einlädt, kommst du 15 Minuten später. Das ist eine Geste des Respekts – der Gastgeber ist schließlich nicht immer auf die Minute fertig. Aber Menschen aus den USA sind es gewohnt, immer pünktlich zu kommen. 

Wenn du Blumen als Geschenk willst, schick' sie erst am darauffolgenden Tag, bringe sie nicht am selben Abend mit. Sonst muss der Gastgeber Blumenvasen suchen und einen guten Platz für die Blumen finden, während seine Gäste auf ihn warten. Sie verstehen auch unsere "Knöchel auf dem Tisch"–Regel meistens nicht. Wir platzieren unsere Hände nie auf unseren Knien. Aber sie lieben es, l’art de la table zu lernen. 

Du hast aber auch französische Kunden – wo kommt es her?
Von überall eigentlich. Zu uns kommen Menschen aller Altersgruppen und aus verschiedenen Milieus. Sie kommen von großen Unternehmen und aus allen möglichen Berufsgruppen. Wir kriegen auch Hausangestellte und Menschen, die in der Tourismusbranche arbeiten. 

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Was bringen mir diese Regeln im Alltag?
Zu Beginn erscheinen einem diese Benimmregeln vielleicht wie eine Barriere, aber in Wirklichkeit bieten sie Zugang. Wir werden jederzeit für unser Verhalten beurteilt. Es bildet die Basis für unsere Glaubwürdigkeit und Reputation. Wenn du weißt, wie du dich angemessen benimmst, kannst du dein Netzwerk erweitern,  dich von der Konkurrenz abheben und dein Selbstbewusstsein stärken. 

Wie bist du auf diesen Karriereweg gekommen?
Ich habe jahrelang große Immobilien verwaltet und war für Veranstaltungen zuständig. Noch dazu habe ich Empfänge für Regierungsbeamte organisiert. Ich trainierte und überwachte dafür das Personal. Mein Job war, ihnen l'art de la table und französische Manieren beizubringen. 

Kannst du uns ein paar Beispiele für französische Tischmanieren geben?
Wenn du ein Gast bist: Warte, bis die Gastgeberin sich hinsetzt, bevor du es tust. Heb' deinen Stuhl immer hoch, damit er kein lautes Geräusch macht. Fang' nicht an zu essen, bevor alle Gäste etwas serviert bekommen haben. Sei aufmerksam gegenüber anderen und unterhalte dich gleichermaßen mit der überaus charmanten Person rechts von dir und der nervigen zu deiner Linken. Am allerwichtigsten: Rede niemals über Geld, Religion oder Politik – und schalte dein Mobiltelefon aus!

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