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Ich war ein Drogenkurier

Wenn Leute davon sprechen, dass Südafrika die höchste Mordrate der Welt hätte, dann sprechen sie eigentlich über die Cape Flats, und wenn sie über die Cape Flats reden, meinen sie eigentlich Manenberg.
Foto: imago | Reinhard Kurzendörfer

Wenn Leute davon sprechen, dass Südafrika die höchste Mordrate der Welt hätte, dann sprechen sie eigentlich über die Cape Flats, und wenn sie über die Cape Flats reden, meinen sie eigentlich Manenberg. Die Straßen sind kaum gepflastert. Die Menschen sind ärmlich. Am letzten Tag des vergangenen Jahrzehnts übergab uns eine Einwohnerin Manenbergs eine fotokopierte Vermisstenanzeige ihrer Tochter. „Ihre Kinder leben bei mir. Normalerweise kommt sie jedes Jahr Weihnachten zu Besuch. Aber ich habe sie seit dem 19. Dezember nicht mehr gesehen.“ Jacquelines Tochter wurde zuletzt in einem Shebeen in Nygana gesehen. Jacqueline glaubt, dass der Freund ihrer Tochter diese umgebracht hat. „Sie haben ihn mitgenommen, aber die Polizei kann ihn nur für eine gewisse Zeit festhalten. Und er wird ihnen nichts erzählen. Leute erzählen mir, sie wäre tot. Aber, du weißt, wie es ist—es ist schwierig, sich das vorzustellen.“

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2005 verschwand ihre fünf Jahre alte Enkeltochter. Sie wurde nie wieder gesehen. Zu dieser Zeit gab es Gerüchte, dass die Familie das Kind für 500 R (ungefähr 100$) verkauft hätte. Doch Jacqueline saß zu dieser Zeit bereits im Gefängnis, nachdem sie auf ihrer ersten Drogenschmuggel-Mission geschnappt wurde. Wenn sie ihr Top hochzieht, sieht man die lange, pinke Narbe, die vertikal über ihren Bauch hinweg verläuft und sie erzählt hastig davon, wie sie 2002 dachte, die Antwort auf all ihre Geldsorgen gefunden zu haben.

VICE: Welche Art Drogen hast du geschmuggelt?
Jacqueline Jansen: Das war Kokain. Ich wurde am Flughafen Johannesburg geschnappt, als ich aus Brasilien zurückkam. Die Polizei erwartete mich bereits und brachte mich in ein Krankenhaus, wo ich geröntgt wurde und sie die Drogen schließlich fanden. Eines der Pakete war verrutscht, sodass die anderen nicht auf natürlichem Weg herauskamen, also mussten sie alles aus mir herausschneiden.

War es das erste Mal, dass du so etwas getan hast?
Es war das erste Mal, dass ich so etwas mit Drogen gemacht habe. Ein paar Monate zuvor habe ich ein Päckchen voller Geld aus Nigeria nach Mauritius gebracht. Damals wurde ich nicht geschnappt. Die Nigerianer haben Leute auf der gesamten Welt.

Wieviel Geld war das? Hast du mal nachgesehen?
Ich sah es nur von außen—ein Stapel Hundert-Dollar-Scheine, dick wie ein Telefonbuch.

Wieviel Geld hast du dafür bekommen?
Um die Drogen zu transportieren, 20.000 R [um die 4.000 Dollar]. Fürs Geldschmuggeln habe ich nur 10.000 R bekommen.

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Warst du besorgt, als du all diese Drogen geschluckt hast?
Nein, der Typ, der mich präpariert hat, wusste, was er tut. Es war sicher.

Wieviel musstest du schlucken?
Ein Kilo.

Wie groß waren die Beutel?
Ungefähr die Hälfte deines Fingers.

Was war der Plan, um das Kokain anschließend wieder aus dir heraus zu bekommen?
Ich hätte einfach warten müssen, bis das Kokain am anderen Ende wieder rausgekommen wäre.

Warst du jemals außerhalb des Landes? Abgesehen von Mauritius?
Nein.

Wie lange musstest du in Brasilien bleiben?
Ich war für einen Monat dort.

Was hast du während dieses Monats gemacht?
Sie bezahlen dir ein Hotel und dazwischen bin ich mit dem Zug umhergefahren, das war nett.

War es ein gutes Hotel?
Ja, ein sehr schönes.

Was dachtest du über Brasilien?
Es ähnelt Kapstadt sehr und es gab viele verschiedene Leute.

Hattest du Angst, als du durch den Flughafen gelaufen bist?
Nein. Sie statten dich mit allem aus, sodass du annehmbar und angemessen aussiehst. Sie bringen dich in die Botschaft, um dir einen neuen Pass zu besorgen, kleiden dich ein, kaufen dir Kosmetik … Sie geben dir sogar Taschengeld, solange du dort bist. Du siehst schick aus.

Wie bist du überhaupt zum Schmuggeln gekommen?
Ich kam durch eine Freundin dazu. Sie kam ebenfalls aus Manenberg und sie stellte mich auch den Nigerianern vor. Aber sie hatte keine Kinder, die sie ernähren musste, sie brauchte das Geld nur, weil sie drogenabhängig war. Sie wurde aber ebenfalls geschnappt—jedoch in Brasilien, bevor sie das Flugzeug bestieg. Sie hat mich schließlich auch verraten.

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Warum?
Eifersucht. Sie war eifersüchtig auf mich, mein Leben, was auch immer, also hat sie mich verkauft. Aber nun ist sie tot. Sie starb in Brasilien im Knast.

An was ist sie gestorben?
Sie sagen, sie hätte sich irgendwas eingefangen. Aber ich glaube, dass die Nigerianer sie umgebracht haben, weil sie zuviel wusste.

Waren die Nigerianer am Flughafen, als die Polizei dich festnahm?
Die Nigerianer waren ebenfalls da—ich konnte sie auf der anderen Seite des Gebäudes sehen—aber sobald sie die Polizei sahen, sind sie einfach verschwunden.

Hast du seitdem von ihnen gehört?
Nein.

Falls doch, würdest du es überhaupt sagen?
Nein.

Wie lautete dein Urteil?
Ich wurde zu 12 Jahren verurteilt. Aber vier davon wurden mir erlassen.