Die ehemalige Fabrikhalle während Renovierungsarbeiten. Foto: Fotoarchiv mo.ë
Seit einigen Wochen rückt der Verein aber aufgrund einer vom Besitzer des Gebäudes eingereichten Räumungsklage zunehmend in den Mittelpunkt des Kampfes gegen Immobilienspekulation in Wien.Begonnen hat im Grunde alles schon 1888. Damals eröffnete ein gewisser Bernhard Mandelbaum—Großvater des Bestseller Autors Frederic Morton—die „k. u. k Orden und Medaillenfabrik" in der Thelemanngasse 4. Mandelbaum war Jude und stand im Dienste des Kaisers. Die Geschäfte, die später sein Sohn Franz Mandelbaum übernahm, liefen gut—bis 1938 die Nazis die Macht übernahmen und die Fabrik arisiert wurde. Die Mandelbaums entschieden sich zur Flucht, nachdem Franz Mandelbaum für kurze Zeit im KZ Dachau interniert war. Die Familie emigrierte 1939 zuerst nach England, ein Jahr später weiter nach New York. Dort änderten sie ihren Namen auf Morton.Als die Mortons nach Ende des Zweiten Weltkriegs nach Wien zurückkehrten, wurde die Fabrik restituiert. In den 50ern verkaufte die Familie schließlich die Manufaktur und in den Folgejahren wurden Gürtelschnallen und andere Utensilien für das Bundesheer hergestellt—bis die Firma in den 90ern schließlich pleite ging und 2008 die Produktion eingestellt wurde.2010 bezog schließlich der Verein mo.ë die Räumlichkeiten in der Thelemanngasse und eröffnete dort unter anderem ein Atelier, eine Werkstatt und einen Proberaum und bietet seither vielen Kunstschaffenden einen Raum für ihre Projekte. 2013 kaufte jedoch die Immobilienfirma Vestwerk das Gebäude—mit dem Ziel, dort drei Luxuslofts zu errichten.
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Lesung von Frederic Morton in der Thelemanngasse 4. Foto: Alexander Felch
Solidaritätskundgebung am Yppenplatz. Foto: Peter Nitsche
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Solidaritätskonzert in der Halle der ehemaligen Fabrik. Foto: David Hanke
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Auch wenn es grundverschiedene Projekte sind, sind doch viele Parallelen zwischen dem mo.ë und der Pizzeria Anarchia zu finden. Gerade die Gegend rund um Praterstern und Augarten, vermehrt aber auch jene um den Yppenplatz und den Brunnenmarkt sind stark von Gentrifizierung betroffen. Das mo.ë kann jedenfalls als das neue Aushängeschild des Kampfes gegen Immobilienspekulation und Verdrängung öffentlichen Raumes und für leistbaren Wohn- und Arbeitsraum in Wien verstanden werden.Ob sich die Stadt ein erneutes Szenario wie bei der Räumung der Pizzeria Anarchia kostentechnisch und imagemäßig leisten kann, ist fraglich. Für Alisa von mo.ë steht aber fest, dass der am Donnerstag startende Prozess ohnehin nur ein Nebenschauplatz ist. „Es geht uns um einen politischen Diskurs", sagt sie. „Politisches Tun und aktiver Widerstand liegt in unserer täglichen Arbeit und in dem dichten künstlerischen und kulturellen Programm, das die letzten Monate stetig weiter läuft. Dieser Widerstand beginnt nicht erst auf den Barrikaden, er ist bereits im vollen Gange."Paul auf Twitter: @gewitterland