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Gaddafi ist bald weg vom Fenster

In Libyen ist im Moment beinahe jede Kommuniktion lahmgelegt. Nur ein paar Einzelpersonen, wie zum Beispiel Ali Tweel, ein Computerprogrammierer aus Tripolis, kommunizieren noch mit der Welt und sind in der Lage, ihre schrecklichen Erlebnisse via...

In Libyen ist im Moment beinahe jede Kommuniktion lahmgelegt. Nur ein paar Einzelpersonen, wie zum Beispiel Ali Tweel, ein Computerprogrammierer aus Tripolis, der Zugriff auf das teuflisch langsame 1 Kilobyte VPN hat und eine anonyme Person, bekannt als „Lybia Dude“, die 20 Kilometer entfernt von der Hauptstadt an einem Satellitentelefon sitzt, kommunizieren noch mit der Welt. Beide waren in der Lage, ihre schrecklichen Erlebnisse via Twitter zu verbreiten.

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Libya Dude versorgt seine Leute mit Angriffstaktiken, wie zum Beispiel wie man Molotov-Cocktails oder Benzinbomben baut; wie man Nägel kreativ gegen das Militär einsetzen kann oder Kampfflugzeuge mit einem Laserpointer vom Himmel holt. Außerdem veröffentlichte er viele (zum Teil sehr erschreckende) Bilder von Massakern, die Gaddafi an seinen eigenen Landsleute verübt hat. Auch gestern am späten Nachmittag hielt er die Kommunikation mit der restlichen Welt aufrecht. Selbst, nachdem er feststellen musste, dass sein Cousin getötet wurde. Er veröffentlichte ein Video, das verkohlte menschliche Überreste zeigt, die angeblich von Gaddafis Soldaten stammen, die lebendig in ihren Baracken verbrannt wurden, weil sie sich weigerten, auf Leute zu schießen. Auf Lybia Dude kann auch die Verbreitung von Gaddafis Ausspruch „Ich bin es, der Libyen geschaffen hat und ich werde es sein, der es ausrotten wird.“ zurückgeführt werden.

Unten seht ihr eine Zusammenfassung von Ali Tweels Berichten, während des gestern angeblich stattgefundenen Völkermordes, zusammen mit Fotos, die beide aus dem Land geschleust haben, um sie der Welt zu zeigen.

Auf einen Freund von mir wurde ungefähr 100 Meter von der Almokhtar Klinik entfernt geschossen. Keiner kann ihn zur Klinik bringen und keine Ambulanz kann ihn abholen. Söldner schossen weiterhin auf Menschen, die ihm helfen wollten. Er lag blutend in einem Haus in der Nähe, mit einer Kugel im Magen. Ist das die Art, wie ein libysches Leben in diesen Tagen endet?

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Panik in einem Krankenhaus in Benghazi.

Auf den Dächern von Schulen und auf dem Dach des Rathauses befinden sich Scharfschützen, die willkürlich auf Passanten schießen. Hupende Autos fahren vorbei, Menschen schwenken grüne Flaggen, zeigen Gaddafis Bild und man hört Sprechchöre, die seinen Namen rufen. Wenn du nicht auf ihrer Seite bist, schießen sie auf dich. Jetzt kann ich nachvollziehen, wie es sein muss, in Gaza zu leben.

Gaddafis Scharfschützen

Das libysche Fernsehen streitet ALLES ab, sie sagen, dass die Geräusche, die man auf der Straße draußen hört, Feuerwerkskörper sind. Entschuldigt bitte, aber WAS ZUR HÖLLE?

Soziale Netzwerke und das Internet liegen brach; Handys sind nutzlos; Söldner wandern durch die Straßen, terrorisieren Leute und zerschlagen alle Versammlungen in dem sie sofort das Feuer eröffnen. Die Menschen fürchten so sehr um ihr Leben, dass sie, auch wenn sie gegen das Regime sind, Gaddafi - Bilder in ihre Autos hängen, um nicht attackiert zu werden.

Man sieht Rauch aus Tripolis aufsteigen. Ich glaube, dass es brennende Autoreifen sind, die auf den Straßen platziert wurden, um die Söldner fern zu halten. Ich habe von ausländischen Söldnern gehört, die in Tripolis eingesetzt werden, was bislang aber noch nicht bestätigt wurde, doch ich habe zwei große Autos mit schweren Maschinengewehren auf der Ladefläche gesehen, die in Richtung Tripolis gefahren sind. Das waren keine Libanesen, sie sahen eher aus wie Afrikaner. Ich habe versucht, Zeugen zu finden, aber vergeblich.

Für mich fühlt es sich an wie Terror. Zum Glück versteht mein zweijähriger Sohn davon noch nichts. Ich hoffe, dass er die Möglichkeit haben wird, in einem freien Land aufzuwachsen. Ich rechne damit, dass ich von Staatsagenten gesucht werde, die mich an ihre "dunklen Orte" führen könnten, aber… ich werde meine Computerkenntnisse dafür verwenden, mit meinen Brüdern weiterhin einen virtuellen Kampf zu führen und Informationen zu verbreiten, solange ich lebe.

Viel Glück, Ali. Wir hoffen, dass, wenn die Kommunikation zwischen dir und der Welt abreißt, nur eine durchtrennte Leitung daran Schuld ist.