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"Vemma ist nicht des Teufels, es ist ein professionelles Vertriebssystem"

Laut Eigendefinition sind sie das Gegenteil eines "Pyramidenspiels".

Wir haben im September einen Bericht zur Direktvertrieb-Firma Vemma gebracht, in dem wir, neben anderen umstrittenen Aspekten des gesamten Betriebs, problematische Zustände ihrer heimischen Affiliates aufgezeigt haben. Obwohl wir damals um ein Statement von Vemma gebeten hatten, kam es erst vor kurzem zu einer ersten, direkten Kontaktaufnahme in Form der Ankündigung, dass wegen unseres Artikels rechtliche Schritte geprüft werden würden. (In unserer dritten Reportage haben wir mit Leuten, die Erfahrungen im Vemma-System gemacht haben, über deren Meinung und Ansichten gesprochen, um auch eine Innenperspektive zu bekommen.)

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Für uns war die Kontaktaufnahme von Vemma jedenfalls der perfekte Anlass, dem Direktvertrieb (nochmals) die Möglichkeit zu geben, ihre Seite der Geschichte zu erzählen, den Direktvertrieb-Kritikern die Perspektive von Vemma zu zeigen und allgemein ein klareres Bild zu schaffen, was diese Gruppe denn eigentlich macht, das alle so scheiße finden. International wird Vemma immer öfter mit Vorwürfen, ein Pyramiden-Spiel zu sein, angegriffen, vom Verbot in Italien—hier mit einem selbst gemachten Werbevideo/Interview von Vemma-Chef BK Boreyko erklärt—bis zum Rolling Stone, der die rezessionsgeplagten Uni-Studenten in den USA vor dem Unternehmen warnt. Auch heimische Untersuchungen des Vorarlberger Konsumentenschutzes fielen sehr scharf aus. Wir haben mit Vertretern von Vemma gesprochen und eine Stellungnahme bekommen, die ausführlicher ausgefallen ist als gedacht.

VICE: Danke für dieses offizielle Gespräch. Ich bin schon sehr gespannt.
Vemma: Seit im Kurier die Studien der Arbeiterkammer publiziert wurden, arbeiten wir an Schadensbegrenzung und haben die Krisenkommunkation in die Wege geleitet. Wir wollen ja unbedingt den Dialog und auch Transparenz gewährleisten.

Perfekt. Schön, dass wir uns jetzt endlich treffen konnten. Warum hat die Reaktion auf unsere Bitte um Stellungnahme im September so lange gedauert?
Es gibt zwei Gründe, warum wir das vorerst unter den Tisch fallen haben lassen. Erstens muss man sagen, dass Vemma total überfordert war mit solchen ungewohnten Anfragen. Wir haben gerade wegen Vorarlberg am offenen Leib operiert und es war damals alles ziemlich virulent—und dann hatten wir auch gerade erst den ORF-Bericht gut hinter uns gebracht. Zweitens war die Fehleinschätzung die, dass der Artikel nicht so schlimm sei. Ich habe ihn persönlich mit Interesse gelesen und fand ihn sehr amüsant. Das wäre sowieso nie eine Positivgeschichte geworden. Da hat es jetzt wenig Sinn, von unserer Seite aus dem nachzugehen. Bei der Zielgruppe von VICE werden wir nie viele Chancen haben, mit dem Vertriebssystem und allem. Und es gibt ja diesen blöden PR-Spruch: Hauptsache der Name ist richtig geschrieben. Aber es gibt viele Leute, die sehr wohl mit dieser Art von Direktvertrieb, wie Vemma ihn praktiziert, was anfangen können. Ein Affiliate hat sich dann letztlich über ein von ihm erstelltes Facebook-Event-Bild in eurem Artikel beschwert.

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Und der hat dann die rechtlichen Schritte einleiten wollen?
Man muss hier erwähnen, dass die Affiliates eine andere Sache sind als die Corporation. Und wir arbeiten für die Corporation. Wir sollen auch gar nicht für die Affiliates sprechen, weil die oft ihre eigenen Interessen haben. Euer Artikel erzählt eine unerfreuliche Episode mit einem oder mehreren Vemma-Affiliates und ich sehe keinen Anhaltspunkt darin, der ihn großartig angreifbar macht. Ich habe dann auch mit Tomasz Stanislawski gesprochen, um das zu lösen. Der ist schwer in Ordnung und erst seit 2 Jahren bei Vemma. Vorher arbeitete er bei einem anderen Vertriebssystem für Kerzen namens PartyLite.

Wer ist Tomasz Stanislawski? Ich dachte BK Boreyko wäre der Chef von Vemma.
Ja, das stimmt. BK Boreyko und Simon Grabowski sind zusammen die Geschäftsführer. Tomasz Stanislawski ist der Global COO und war früher speziell für Europa zuständig.

Es gab einen sehr aufgebrachten Facebook-User, der sich Vemma -NEIN Danke nennt und sehr angriffslustig unter unseren Artikel kommentiert hat. Warum reagieren manche so extrem emotional auf Vemma?
Ich denke, dass es leider eine Menge Leute gibt, die glauben, hier das schnelle Geld machen zu können. Die interpretieren Dinge, die möglicherweise gar nicht so gesagt wurden oder gemeint waren, und hören nur: „Man muss nicht richtig arbeiten und kann irrsinnig viel Geld verdienen". Die kaufen sich einen Starter-Kit und wundern sich, dass das nicht von selber läuft. Da gibt es natürlich einige, die durch die Finger schauen und enttäuscht sagen: „Skandal, ich wurde ausgenutzt." Das sind eben dann oft Leute, die nicht die beste Ausbildung haben oder sonst im Leben auch schon öfters Pech gehabt haben. Dann kommen die Vorwürfe, dass man von denen, die sie angeworben haben, mit falschen Versprechungen geködert wurde. Dann sind die böse.

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Zu einem gewissen Maß ist das aber doch nachvollziehbar. Und ich habe nachgefragt, der FB-User Vemma-NEIN Danke ist kein ehemaliger Affiliate.
Es kann ja auch sein, dass da vielleicht Leute aus dem Freundeskreis oder sogar Familienmitglieder in das System gekommen sind, und die dann damit nicht zurecht gekommen sind. Und daher kommt dann die Ablehnung.

Was heißt nicht zurecht kommen genau? Manche behaupten ja, dass das Anwerben und diese Gruppendynamiken sektenähnliche Methoden seien.
In eurem Artikel wurde auch der Begriff „Kracherlsekte" verwendet, ja. Vemma ist wirklich keine Sekte. Man kann auch lange darüber diskutieren, ob Vemma sektenartige Seiten hat oder nicht. Ich kann nachvollziehen, wenn so eine Bewegung der Young Professionals komisch oder verwerflich wirkt. Das hat schon solche Ingredienzien, dass man sehr schnell argwöhnisch werden kann.

Vemma hatte Mitte September in Wien eine große „All In"-Convention für alle Mitarbeiter und Affiliates. Gab es darauf Reaktionen beziehungsweise ähnlich emotionale Kritik?
Es ist ein total emotionales Thema. Da gibt es Leute bei Vemma, die selbstständig etwas vertreiben und quasi ihr eigenes kleines Unternehmen damit aufbauen. Dann einmal pro Jahr oder bei anderen Anlässen kommen alle—wie auch neulich in Wien—zusammen. Diese Vorwürfe mit Sekte und so weiter kommen sicher auch daher, weil das Ganze eine wahnsinnig starke Community ist. Es war echt cool, dieses internationale Treffen mit Tausenden Leuten mitzuerleben. Wie in Cannes sind dort lauter Gleichgesinnte, haben alle ähnliche Jobs und einiges zu besprechen. Oder wie wenn McDonald's eine Klausur macht—einfach ein großes Get-Together mit Videos, mit CEOs und Sprüchen wie „Vemma sind die Besten". Wenn einer es nicht geschafft hat, in diese Reihen hinein zu kommen, dann ist der vielleicht neidisch.

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Fotos vom Autor

Der Event war ja öffentlich nicht zugänglich, aber der ORF hat einen Bericht gebracht, der einige Wochen nach unserem Artikel auf Sendung ging.
Stimmt, es hat einen ORF-Beitrag von der Vemma Convention gegeben. Hier wurde einiges hinterfragt, aber auch objektiv und fair. Das ist ja eigentlich eine Sales Convention und deshalb haben wir lange hin und her überlegt, ob wir das Filmteam zulassen sollen, da das eigentlich nicht öffentlich zugänglich ist. Aber dann am Ende haben wir doch klar zugestimmt. Wir haben ja nichts zu verbergen.

Aber gibt es viele, die vom Vemma-System nicht profitieren und dann allein gelassen da stehen? Was muss man denn tun, um lukrativ auszusteigen?
Die, die wirklich viel Geld verdienen mit Vemma, die arbeiten auch richtig viel dafür. Das muss man. Eine Bekannte von mir macht Direktvertrieb mit Biokosmetik. Die verdient echt viel Geld, weil sie hart dafür arbeitet, mit Vorträgen, Social Media Kampagnen und Direkt Marketing. Wenn du dein Sales Team gut aufstellst, wird das alles größer und größer. Der Unterschied zu einem bösen „Pyramidenspiel" ist—und ich habe mir das persönlich sehr genau angeschaut, da ich natürlich überlegt habe, ob ich überhaupt damit arbeiten will—, dass es keinen hohen Einkaufspreis und auch keine Entry Barrier gibt, damit du überhaupt einmal reinkommst ins System. Du kannst theoretisch auch ohne Geld bei Vemma mitmachen. Du wirst nur dieses Produkt nicht gut verkaufen und empfehlen können, wenn du es nicht mal probiert hast.

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Naja, man wird wohl auch einen eigenen Vorrat brauchen, um es zu verkaufen?
Nein, eben nicht. Du verkaufst es ja nicht, du empfiehlst es nur weiter. Du brauchst kein Lager oder ähnliches. Der Affiliate, der dir—dem theoretischen Kunden—das Produkt empfiehlt, bekommt nur Geld, wenn du in Folge auch was online kaufst. Das ist der zweite große Unterschied zum „Pyramiden-System". Du bekommst bei Vemma eben keine „Kopfgeldprämie", also direkt eine Provision für die Anwerbung neuer Leute. Du bekommst nur Geld, wenn dieser von dir Angeworbene tatsächlich das Startpaket oder etwas bei Vemma kauft.

Und das ist komplett anders als eine „Kopfgeldprämie"?
Genau, es läuft alles über Empfehlungs-Codes, die man dann online im Vemma-Netzwerk unter „gewerbliche Nutzung" einlöst. So weiß das System: A hat B das Starterpaket empfohlen, der hat es gekauft und dann erst bekommt A die seine Prämie. Man kann aber auch einfach nur Kunde sein, die Produkte so kaufen. Aber wenn man es sich über den Affiliate bestellt, hat der auch was davon.

Wie geht das Geld und die Einkommensreihung dann weiter?
Es sind immer solche Zweierpacks. Ich habe in meiner sogenannten Downline dann zwei Kolleginnen. Ich habe euch angesprochen als Affiliates und ihr sprecht dann wieder zwei Leute an und so weiter. Je mehr die Leute unter mir in der Downline verkaufen, desto mehr bekomme ich. Aber auch die anderen unter mir verdienen mit. Da gibt es ein ganz genaues Provisionssystem, so eine riesige Schwarte. Insgesamt 40 Prozent des Gesamtumsatzes geht wieder direkt an die Affiliates. Also wenn jetzt eine Milliarde umgesetzt wird, bekommen die alle 40 Millionen. Das ist für das Verständnis wichtig und spannend, dass nicht nur oben einer Cash macht.

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Es wird also lediglich nach oben hin immer mehr Cash gemacht, aber nicht alles davon.
Genau, das stimmt. Aber die Bekannte von mir hat 6.000 Mitarbeiter und entsprechend hohe Einnahmen. Gemessen wird eben, welchen Status du hast, also wie viele Leute du in deinem Team hast. Dafür gibt es dann die verschiedensten Bezeichnungen, zum Beispiel „Gold" und „Ambassador". So wird kategorisiert, da die weiter oben andere Aufgabenbereiche haben. Auf der Convention gab es dann eigene Seminare, in denen dann die weiter oben strategischere Dinge besprechen als einer, der ganz am Anfang steht. Der geht dann in einen anderen Workshop. Das ist alles top-professionell aufgebaut.

Auf Seite 2 besprechen wir, mit welchen Mitteln und Versprechungen die Vemma-Produkte teils beworben werden.

Aber die Leute ganz unten in dieser „Downline", die das Fundament darstellen: Werden die mit wilden Versprechungen von Autos und Geld geködert?
Das mit den Autos kommt immer wieder ins Spiel und das kann man zunächst bescheuert finden. Das ist halt ein Sales-Spruch, weil junge Leute eben so funktionieren. Und es ist ja auch so, ab einer gewissen Stufe im Vemma-System, bekommst du einen BMW. Bei der Firma BMW ist es genau das Gleiche. Da bekommen die Mitarbeiter im Sales Team auch irgendwann einen Wagen.

Nach zehn Jahren oder so.
Obwohl mittlerweile das Auto in unserer Generation eh nicht mehr so wichtig ist.

Weil vorher kurz angesprochen wurde, dass VICE nicht die Zielgruppe von Vemma ist. Was ist denn dann eure Zielgruppe? Wenn man dem Sales Video von BK Boreyko nach urteilt, ist Vemmas System gezielt auf Menschen mit finanziellen Problemen, schlechter Ausbildung, Gewichtsproblemen und dem Wunsch nach Jugendlichkeit ausgerichtet.
Ja, es gibt auch ein Abnehm-System von Vemma!

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Und eben auch die Ansage, dass „der Alterungsprozess verlangsamt werde". Das sind doch alles Botschaften, die direkt Leute mit Unsicherheiten, in Missständen und Problemsituationen ansprechen.
OK, interessant. Auf der Vemma Convention bekommt man eigentlich ein sehr diversifiziertes Bild von den Mitgliedern. Ältere Personen über 60, natürlich auch junge und Leute mittleren Alters. Teils waren da österreichische und international bekannte Personen dabei, Moderatoren und viele mehr. Das ergibt kein klares Bild, wo man sagen könnte, das ist der typische Vemma-Kunde.

Auf einmal macht die Volksschullehrerin aus Amstetten nebenbei Vemma und kriegt 500 oder 1.000 Euro im Monat dazu. Wie bei Tupperware-Partys, wenn sie sich eben auch genug darum kümmert.

Aber vielleicht kommen die von mir angesprochenen Leute gar nicht zur Convention, weil die es nicht geschafft und Geld verloren haben, das jetzt von diesen höheren Levels weiterverarbeitet wird.
Der Tomasz sagt immer: „If you work hard, you can make money." Das ist eben sehr amerikanisch und deshalb sind solche Versprechungen wie aus dem Video sehr … so ein Video würden wir in Europa gar nicht machen. Man kann das Vemma-System nutzen, um einfach etwas dazu zu verdienen. Auf einmal macht die Volksschullehrerin aus Amstetten mit ihren Freundinnen nebenbei Vemma, ist ganz begeistert und kriegt 500 oder 1.000 Euro im Monat dazu. Wie bei Tupperware-Partys, wenn sie sich eben auch genug darum kümmert.

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Was bedeutet „darum kümmern" genau? Also von wie vielen Arbeitsstunden reden wir hier?
Also das kann ich jetzt ganz schwer sagen. Das kommt natürlich wieder ganz darauf an, wie effizient du arbeitest. Du musst eben schauen, dass die Zeit, die du für Vemma optimal einsetzt. Für Leute, die mit Vemma ihr tägliches Brot verdienen, ist das natürlich ein Full Time Job, ein Business. Irgendwann bekommst du das Produkt dann auch gratis, wenn du genügend Leute angeworben hast. Und wenn du dann ein richtiges Vollzeitgeschäft daraus gemacht hast—wie zum Beispiel ein ehemaliger Manager eines großen Tech-Konzerns, der Vemma Affiliate geworden ist—kannst du deine Zeit super managen. Das war übrigens witzig! Seine Frau war vor ihm bei Vemma und er dachte sich: „Was ist denn das wieder für ein Humbug?" Er hat dann davon getrunken, sich auch in das System eingelesen, entschieden die IT-Karriere an den Nagel zu hängen und macht das jetzt seit fünf Jahren mit seiner Frau zusammen. Bisschen weniger verdient er schon, aber er kann sich die Zeit besser einteilen und mit der Familie verbringen.

Wie aus dem Bilderbuch.
Und ein anderer hat erzählt, dass er mit Vemma seine Allergien überkommen hat. Der Energy-Drink Verve und die anderen Produkte basieren nämlich auf Mangosteen. Einer von der Arbeiterkammer, ein Ernährungs-Was-weiß-ich, hat gemeint, dass von Mangosteen noch nie irgendwer was gehört hätte und das alles Blödsinn sei. Aber die halbe Welt nimmt Mangesteen, gerade in Asien—Mangostan zu deutsch. Eine ausgewogenere Reaktion auf unsere Produkte gab es auch im Sinne: „Es sind Mineralstoffe und Vitamine drinnen, vielleicht ein bisschen zu viel, aber völlig OK. Und halt Koffein." Aber keiner hätte die Inhalte bisher als wirklich schlecht definiert. Und es gibt Storys von Leuten, die es echt viel besser geht, weil sie Vemma-Produkte trinken.

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Ich habe Storys gehört, dass Vemma-Produkte die Verdauung verbessern und Muskelkater verschwinden lassen—und jetzt auch noch, dass es Allergien heilt.
Gut, aber das promotet Vemma nicht. Das würde niemand von Corporate so sagen.

Aber Firmenchef BK Boreyko macht Behauptungen, dass Vemma perfekt für Leute ist, die „mit 50 wie 40 aussehen und sich wie 30 fühlen wollen". Und auch auf der offiziellen Seite, habe ich einen Wirkungsbericht der Vemma-Produkte gefunden, wo die Beschreibung „Verlangsamung des Alterungsprozesses" verwendet wird. Das muss Corporate doch irgendwie abgesegnet haben. Gibt es unabhängige, wissenschaftliche Tests, die eine dahingehende Wirkung bestätigen?
Nein, das sind doch alles nur Anekdoten von Affiliates. Aber es gibt sehr wohl viel Studienmaterial. Vemma hat eigene Forscher und eine komplett eigenständige Produktion. Das wird alles in Amerika hergestellt und dort macht das jeder, also das Geschäft mit Nahrungsergänzungsmittel. In Amerika nehmen sie auch täglich Vitaminkapseln und meinen, dass sie dann jünger aussehen. Und vielleicht ist es wirklich so, aber ja, das kommt ganz klar aus dieser Ecke.

Die Aussicht bei den Vertretern von Vemma.

Bitte schickt mir genauere Informationen und Studien zu den Vemma-Inhaltsstoffen einfach zu, wenn ihr die habt. Aber die sollten eben nicht „sponsored by Vemma" sein.
(Lacht) Klar!Eines kann ich mit Gewissheit sagen, und Tomasz betont das auch immer in offiziellen Statements: Vemma und wir als Corporation machen keine gesundheitsbezogenen Angaben. Es geht um die positiven Auswirkungen, die Mineralstoffe und Vitamine für einen ausgewogenen Lebensstil haben können. Es ist einfach ein Zusatz.

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Der Weg von Werbung zu Heilsversprechungen ist ja oft nicht weit. Mir sind in Wien jetzt auch öfter Vemma-Taschen, T-Shirts, Kennzeichen und Autos mit den Energy-Drink-Dosen untergekommen. Ist das eine Kampagne?
Nein, das ist keine spezielle Kampagne. Es gibt natürlich T-Shirts und Autoaufkleber. Stifte und Notizhefte haben wir auch. Das gibt es auch online in den Shops.

Wie haben die Vorwürfe der Arbeiterkammer in Vorarlberg genau ausgesehen—weswegen Vemma ja so stark medial vertreten war in den letzten Wochen und Monate?
Die Chronologie ist so: Als erstes haben wir im August direkt Kontakt mit der Arbeiterkammer aufgenommen. Die haben mit niemandem gesprochen und einfach ihren Bericht damals publiziert. Das hat Tomasz auch ein bisschen gestört. Man hätte eigentlich vorher reden können. Ich habe danach erst telefoniert mit dem Herrn Paul Rusching vom AK-Konsumentenschutz und wollte schlichten. Wir waren echt not amused, dass in Vorarlberg im großen Stil Jugendliche angeworben wurden. Das ist natürlich nicht in Ordnung. Ganz offiziell: Das geht nicht. Der Verkauf an Minderjährige ist verboten und wird auch immer verboten bleiben. Es ist aber passiert. Dann haben besorgte Eltern bei der Arbeiterkammer angefragt. Wir haben angeboten, dem nachzugehen, wenn Herr Ruschnig uns die Fälle sagen möchte. Das lehnte er ab, weil er wohl nicht zum Handlanger werden wollte.

In eurer offiziellen Stellungnahme damals war das so formuliert: Die schuldigen Affiliates wurden suspendiert.
Genau, da gab es echt ein Donnerwetter. Innerhalb von wenigen Tagen wurde reagiert. Die eine Sache waren eben das Alter der Angeworbenen. Und dann—so wie es anscheinend auch deiner Freundin gegangen ist—wurden eher unrealistische Versprechungen gemacht.

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Da frage ich mich: Wie weit gibt es denn eine Qualitätssicherung bei Vemma, wenn im Namen der Firma Leute angeworben werden? Distanziert sich Vemma und sagt: „Die Affiliates müssen das selber wissen"? Bekommen die Affiliates eine Schulung?
Einerseits, das sagt auch unser Anwalt immer ganz klar, sind das selbstständige Personen und keine Handelsvertreter von Vemma. Da kommen wir dann noch zu Licences, ein wichtiges Extrathema. Wir sagen also: Wir produzieren das Produkt, das System ist Empfehlungs- beziehungsweise Affiliate-Marketing und man kann nicht kontrollieren was tausende Affiliates jetzt genau machen. Es wird natürlich trotzdem versucht zu kontrollieren, aber rechtlich ist es nicht unsere Verantwortung. Es gibt Produkt-Folder und -Guides, die erklären, wie das Bonussystem funktioniert und eben all diese Dinge, die bei Empfehlungen gesagt werden können. Wenn man einen Vertrag mit Vemma unterschreibt, bekommt man bei Affiliate-Registrierung alle diese Informationsdokumente.

Also gibt es schon eine vertragliche Bindung?
Ja, dieser Vertrag ist zur Zeit gerade bei der Wirtschaftskammer zur Prüfung und die meinen: Da sind eh viele super Sachen drinnen. Zum Beispiel, und das ist auch technisch extrem wichtig zu erwähnen, hat Vemma eine „Geld-zurück-Garantie". Wenn man beschließt, ich will den ganzen Krempel nicht und ich habe mich geirrt, dann nimmt Vemma alles zurück. Deshalb ist es auch das Gegenteil von einem „Pyramidenspiel". Du kannst das, was du gekauft hast, wieder zurückgeben. Es hat noch nie einen Fall gegeben, wo Vemma das nicht gemacht hätte. Das sind ja Peanuts, wenn da jetzt einer seine 500 Euro wieder zurückbekommt.

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Die rechtliche Vertrags-Basis sichert Vemma also ab und sie müssen keine Verantwortung übernehmen, wie Affiliates ihren Direktverkauf in die Wege leiten.
In der Tat.

Das ist ja der Knackpunkt. Auch die Arbeiterkammer hat damals kritisiert und argumentiert, dass nur weil die problematischen Affiliates in Vorarlberg suspendiert wurden, doch nichts an dem fehleranfälligen und oft falsch angewandten Verkaufssystem geändert wurde. Die Gefahr der Heilsversprechungen und ähnliches bleibt somit weiter bestehen.
Dann müsste man aber jedes Affiliate-Marketing-System verbieten. Die Wirtschaftskammer hat auch schon angemerkt, dass eigentlich alle als Handelsvertreter vermerkt sein müssten. Aber da handelt es sich dann wieder um eine andere rechtliche Basis, weil die Affiliates eben nicht wie Staubsaugervertreter das Produkt verkaufen, sondern rechtlich als selbstständige Person oder Unternehmen handeln. Das mit der Licence, also der Gewerbeberechtigung, ist wieder ein bisschen eine andere Sache. Bei unseren Gesprächen mit der Wirtschaftskammer, zu dem Tomasz extra angereist ist, hatten sie eben den Standpunkt, dass Affiliates bei der Registrierung sofort auch eine Gewerbeberechtigung für den Direktvertrieb benötigen. Die Frage ist, ab welchem Zeitpunkt man diese Gewerbeberechtigung braucht. Obwohl Tomasz sagt: „Ich möchte natürlich, dass meine Affiliates sofort eine Gewerbeberechtigung bekommen, wenn ich sehe, dass es auch tatsächlich ein Business, ein Gewerbe geworden ist."

In den höheren Stufen des Vemma-Programms, also als „Ambassador" oder so, hat man dann schon andere Verträge?
Du sagst es, genau. Man könnte durchaus auch weiter unten anfangen, aber wo und wie genau, das ist die Frage. Ist es wirklich schon ein Gewerbe, wenn man sich einmal so ein Starter-Kit kauft? Diese Vertriebsart hat es in der normalen Gewerbeordnung vor zehn Jahren einfach noch nicht gegeben. Jetzt versucht man eben da irgendwie reinzupassen.

Man wird angeworben mit diesem Bild der wohlhabenden, fitten Community, soll sich intensiv mit Marketing-Konzept beschäftigen, Energie und Arbeit reinstecken, aber Vemma übernimmt keine Verantwortung für dich, solange du nicht genug Geld machst—also ihnen Geld machst.
Das kann man durchaus so sehen, aber so ist der Direktvertrieb. Dazu gibt es ja auch viele Kurse. Da gibt es vielleicht eine gewisse Zahl an Leuten, bei denen das schief gehen kann und die das sehr emotionalisieren. Vemma ist es wichtig, das alles zu professionalisieren. Aber da gebe ich dir recht, Gewerbeberechtigung hin oder her, am Ende bist du alleine. Du bist selbstständig. Du hast zwar tolle Unterlagen und ein tolles Produkt, aber du bist kein Angestellter oder Sales-Mitarbeiter von Vemma, der gesichert ist.

Die Welt des Direktvertriebs, wie sie in dem von Vemma mir zugeschickten WKO-Video dargestellt wird.

Die Sicherheit des Vemma-Programms, von den Leuten auf der Convention, über die wir geredet haben, ist also erst gegeben, wie eine gewisse Ebene des Systems erreicht ist.
Es wurden ganze viele Ebenen des Programms auf der Convention angesprochen und die Leute haben einander bejubelt. In den Workshops der Dach-Affiliates kann man dann sehen, dass sich viele unter einander helfen und beraten. Das ist ein reger Austausch und neue Affiliates werden mit offenen Armen aufgenommen.

Aber wenn es rechtlich zu einem Problem kommt, bekommt man keinen Rückhalt von Vemma.
Da muss man sich natürlich schon ein bisschen informieren vorher. Man macht sich schließlich nicht von heute auf morgen selbstständig. Die erfolgreichen Affiliates haben halt alles richtig gemacht, alles gelesen, auf alles geachtet, sich bei der Wirtschaftskammer angemeldet und sich mit Vemma richtig selbstständig gemacht. Es gibt immer welche, die es nicht ganz verstanden haben.

Es wirkt aber ein bisschen als ob das ganze System genau von denen, die es nicht ganz verstanden haben, lebt.
Im Grunde kann ich nur wieder das Beispiel der Lehrerin aus Amstetten zitieren. Die zeigt perfekt, dass in diesem Vertriebssystem wirklich nichts Böses passiert. Sie mag diese Bio-Produkte, empfiehlt Vemma Freunden weiter und bekommt halt ein paar hundert Euro. Es bleibt keiner übrig oder auf der Strecke, gerade mit dieser Rückgabegarantie. Das hat die Arbeiterkammer bis heute nicht kapiert. Sicher, wo Leute arbeiten, passieren Fehler. Und vielleicht gibt es wirklich manche, die das Blaue vom Himmel versprechen. Eben wie besprochen mit dem Auto-Versprechen, sicher wird da an gewisse Wünsche appelliert. Das will ich auch gar nicht ableugnen und, wie gesagt, wir würden das in Europa wahrscheinlich nicht so extrem praktizieren. Aber man wird auch relativ wenig Anwälte oder Ärzte finden, die Vemma verkaufen. Es interessiert halt eher erfolgsorientierte Unternehmer. Eine Bankdirektorin von uns sagt zum Beispiel: „Vemma ist ja wie Altersvorsorge. Vemma ist wie ein Start Up, ohne dass du eine eigene Idee dazu brauchst." Du hast das bestehende Produkt, eine Franchise und kannst schauen, wie weit du es schaffst. Die Eltern von der Direktorin machen das auch, sind 70 und schauen super aus.

Vemma ist ja wie Altersvorsorge. Vemma ist wie ein Start Up, ohne dass du eine eigene Idee dazu brauchst.

Also ist das ein Familiengeschäft geworden?
Ja, das ist ganz oft so, solche Familiengeschichten. Einer hat im ORF-Beitrag dummerweise gesagt, dass er 17 ist, wobei rausgeschnitten wurde, was er danach gesagt hat. Nämlich: Meine Eltern machen das schon lange und ich bin da dabei. Das ist die andere Seite. Manche Eltern beschweren sich eben nicht, sondern wollen, dass ihre Kinder Vemma-Produkte kosten und auch mitmachen.

Was ist nun die offizielle Stellungnahme von Vemma in Kurzform?
Wir wollen einfach eine ausgewogenere Sicht auf das Ganze. Vemma ist nicht nur des Teufels, und es ist nicht alles super, aber es ist ein professionelles Vertriebssystem. Wir sind im Kontakt mit allen Stakeholdern, wir versuchen dort, wo es etwas zu tun gibt, was zu tun, und du hast gehört, warum eigentlich keiner draufzahlt. Es sind professionell gemachte Produkte und bei den einzelnen Affiliates bleibt es eine Meinungsfrage, ob bei denen Dinge nicht so toll oder ungeschickt gehandhabt wurden. Ob diese Produkte jetzt bei jedem einzelnen die selben Effekte gehabt haben, weiß ich nicht, sie sind auf jeden Fall nicht schädlich.

Josef auf Twitter: @theZeffo