Der teuerste Polizeieinsatz in der Geschichte Berlins in 22 Bildern

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Der teuerste Polizeieinsatz in der Geschichte Berlins in 22 Bildern

Die Krise um die Berliner Flüchtlingsschule ist vorbei—und schon jetzt in die deutsche Protestgeschichte eingegangen.

Gestern Nacht kam es nach acht Tagen Belagerung endlich zu einer positiven Wendung in der zwischenzeitlich fast ausweglos scheinenden Situation um die Gehart-Hauptmann-Schule und ihre Besetzer. Gegen 21.30 Uhr unterschrieben die Flüchtlinge das vom Bezirk unterbreitete Angebot: Die in der Schule verbliebenen Flüchtlinge dürfen in einem Teil des Gebäudes bleiben, und sie behalten den Zugang zum Dach. Andere Teile des Gebäudes werden vom Bezirk saniert und zu einem internationalen Flüchtlingszentrum umgebaut. Der Bezirk wird aber darauf achten, dass in die anderen Teile keine neuen Personen einziehen.

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Der Kompromiss war von verschiedene Vertretern, darunter Hakan Tas (Linke) und die beiden Abgeordneten der Grünen Hans-Christian Ströbele und Canan Bayram, in Zusammenarbeit mit den Anwälten der Flüchtlingen bis spät abends ausgehandelt worden. Um halb zehn zog dann der verantwortliche Stadtrat Hans Panhoff sein Räumungsgesuch offiziell zurück, schon in den frühen Morgenstunden begann die Polizei mit dem Abbau der Barrikaden.

Trotz der schließlich friedlichen Lösung wird für die Kreuzberger Grünen ein bitterer Nachgeschmack bleiben. Nicht nur der Umgang mit der Presse, auch die massive Polizeigewalt (berichtet wird von mehreren Arm- und Beinbrüchen, die Polizei setzte Pfefferspray gegen demonstrierende Schüler ein) und die immensen Kosten des teuersten Polizeieinsatzes eines Bezirks in der Geschichte Berlins brachte dem Amt um Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann eine Flut an Kritik ein. Monika Hermann bekam Morddrohungen, vor ihrem Privatwohnsitz wurden Spontandemos abgehalten.

Hauptzielscheibe bildete trotzdem der Stadtrat Hans Panhoff, der schließlich am Dienstag im Alleingang das Räumungsersuchen abgesetzt hatte. „Er hat auf unverantwortliche Weise mit Menschenleben gespielt“, griff zum Beispiel Hakan Tas ihn an. „Die Besetzung hätte auch anders enden können.“ Der Linke-Politiker fordert den Rücktritt des Stadtrats und bekommt dabei Unterstützung aus den Reihen der Grünen Jugend selbst: In einer Stellungnahme nannten zwei Sprecher Panhoffs Räumungsersuchen „völlig verantwortlungslos und unnötig. Es wurde damit eine Eskalation der Situation in Kauf genommen, die wir aufs Schärfste verurteilen.” Auch sie forderten Panhoff auf, „persönliche Konsequenzen“ zu ziehen.

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Der Belagerungszustand im Reichekiez mag zwar vorbei sein, eine dauerhafte Lösung im Umgang mit Flüchtlingen ist es aber nicht. Hakan Tas sagte am Mittwoch, dass asylrechtliche Fragen noch immer ungeklärt seien. Es sei nun die Aufgabe des Innensenators Frank Henkel (CDU), tätig zu werden und den Flüchtlingen Bleiberecht nach Paragraph 23 des Aufhenthaltsgesetzes zu gewähren. Danach darf ein Aufenthaltsrecht für gewisse Ausländergruppen aus humanitären Gründen von oberen Landesbehörden ausgesprochen werden.

Ein weitere Aufnahme von Flüchtlingen in der Schule ist in dem Kompromiss jedoch nicht vorgesehen. Ein Flüchtling äußerte sich nach der Einigung enttäuscht: „Wir werden das Haus teilen. Wir reichen den Politikern die Hand. Wir sind müde und wir unterschreiben unter Druck.”

Trotzdem ist der Kompromiss als Erfolg zu werten. Der Druck, der durch die zahlreichen protestierenden Aktivisten und Anwohner erzeugt wurde, stieg mit jedem Tag, an dem die Polizei das Gebiet um die Gerhart-Hauptmann-Schule in ihrem eisernen Griff hielt. Durch ihr Durchhaltevermögen haben die Flüchtlinge also erreicht, dass sie vorerst in der Schule bleiben können. Ob sie auf lange Sicht in Deutschland bleiben werden können, ist allerdings noch lange nicht sicher.

Fotos: Jermain Raffington und Björn Kietzmann

Am 24. Juni begann das Bezirksamt, die Gerhart-Hauptmann-Schule zu räumen. Circa 40 Flüchtlinge weigerten sich und besetzten das Haus. Dies hatte eine acht tägige Belagerung der Ohlauerstraße und der angrenzenden Straßen zur Folge. Björn Kietzmann

Zur Unterstützung des unfreiwilligen Umzuges waren 900 Polizisten aus unterschiedlichen Bundesländern im Einsatz.Björn Kietzmann

Noch am selben Tag kam es zu spontanen Solidaritätsbekundungen von Aktivisten und Anwohnern.Jermain Raffington

Auf dem vor Kurzem noch besetzten Oranienplatz wurde den Flüchtlingszelten gedacht und gegen die Residenzpflicht demonstriert.Jermain Raffington

Nach Drohung der Flüchtlinge, sich vom Dach zu stürzen oder sich selbst in Brand zu stecken, falls es zu einer gewaltsamen Räumung der Schule kommen würde, sperrte die Polizei das Gebiet weiträumig ab und verschärfte die Sicherheitsmaßnahmen.Björn Kietzmann

Zusammen mit den Flüchtlingen gab es eine Reihe von Aktivisten, die sich in der Schule aufhielten. Hier Habet O. im Gespräch mit Journalisten.Jermain Raffington

Immer wieder kam es zu massiven Einschränkungen der Pressefreiheit.Jermain Raffington

Während der Verhandlungen wurden die Essenslieferungen in das Schulgebäude teilweise ausgesetzt. Doch die Flüchtlinge harrten weiter auf dem Dach aus.Björn Kietzmann

Immer größer wurde vor allem die Solidarität der Anwohner, die sich innerhalb der Polizeiabsperrungen bewegen konnten. Hier bei ihrer Spontandemo auf dem Weg zum Schulgebäude.Jermain Raffington

Nicht nur die Anwohner, die innerhalb der Polizeiabsperrung ihre Solidarität zeigten, wurde zahlreicher …Jermain Raffington

… sondern auch die Anzahl von Aktivisten vor den Barrikaden stieg. Björn Kietzmann

Je länger es die Barrikaden gab, desto heftiger wurden die Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und der Polizei.Björn Kietzmann

Sitzblockaden wurden gewaltsam geräumt.Jermain Raffington

Mehr und mehr Polizei in Riotgear mischte sich unter die Demonstranten.Jermain Raffington

Die Aktivisten forderten die Polizisten auf, ihren Befehl zu verweigern …Björn Kietzmann

… doch keiner von ihnen kam diesem Gesuch nach. Die Polizeigewalt schien auszuufern.Björn Kietzmann

Es war klar, dass eine baldige Lösung her musste.Jermain Raffington

Weiterhin hielten die Flüchtlinge durch. Trotz schwieriger Bedingungen widersetzten sie sich der Räumung.Björn Kietzmann

Solidarität der Bewohner wurde immer deutlicher.

Teilweise sperrte die Polizei den gesamten Block um die Gerhart-Hauptmann-Schule ab.Jermain Raffington

Die acht Tage waren nicht nur körperlich, sondern auch physisch für die Flüchtlinge eine Tortur.Björn Kietzmann

Mit der heutigen Lösung ist das generelle Problem um Flüchtlinge in Deutschland nicht geklärt, jedoch können die Flüchtlinge der Gerhart-Hauptmann-Schule erst einmal durchatmen.Björn Kietzmann