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Von Basel nach Budapest, um Flüchtlingen vor Ort zu helfen

Über Facebook ruft der Basler Baschi zum Spenden auf. Er erhält enorme Unterstützung und fährt Anfang Oktober nach Budapest.
Titelfoto: Nadja Brenneisen

Baschi Seelhofer hat letzte Woche auf Facebook einen Post verfasst: Er will helfen, nicht nur herumsitzen. Ihn plagt das Elend der Flüchtlinge, die in Budapest festsitzen. Deshalb hat er beschlossen, mit zwei Vans nach Ungarn zu fahren. Wer noch alte Kleider zuhause hat, soll sich bei ihm melden. Baschi hat mit seinem Aufruf eine riesige Welle losgetreten. Innerhalb von 24 Stunden haben sich über 300 Leute bei ihm gemeldet, ihm Spenden zugesichert oder sich seiner Aktion angeschlossen. Mittlerweile ist eine Lagerhalle mit Spenden gefüllt, 6 Transporter sind organisiert und 15 junge Menschen werden vom 9. bis zum 12. Oktober nach Budapest fahren. Um dem losgetretenen Ansturm einen rechtlichen Rahmen zu geben, hat Bashi mit seinen Freunden den Verein: „Be aware and share" gegründet.

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Ich treffe Baschi in Zürich bei der Josefwiese, wo der Basler in der Wohnung eines Freundes ein provisorisches Sammel-Lager eingerichtet hat. Er belädt zusammen mit ein paar Freunden den Van mit Kleidersäcken, kleinen Spielsachen, Decken und Schuhen. Dabei erzählt er mir von seiner Aktion.

VICE: Wie bist du auf die Idee gekommen eine eigene Flüchtlingshilfsaktion zu starten?
Baschi: Das ganze entstand aus einer privaten Ohnmacht heraus. Ich komme aus dem sozialen Berufsfeld und lebe ziemlich gut hier in der Schweiz. Ich habe mich immer mehr gefragt, wieso ich nicht irgendetwas machen kann, um die Situation zu verbessern, die im Moment herrscht. Ich habe einen Bus, ich könnte ein Wochenende frei nehmen und nach Budapest fahren. Das kostet mich nicht viel und ich kann danach wieder in den gleichen Luxus zurückkehren. Ich kann nicht immer nur an der Situation rummotzen, ich kann auch wirklich etwas bewirken und vielleicht jemandem ein Lachen ins Gesicht zeichnen, dachte ich mir. So hab ich mich dann entschieden, vier Tage nach Budapest zu fahren. Dann habe ich drei Freunde gefragt, ob sie mitkämen. Die haben mir alle sofort zugesagt. Mittlerweile sind wir ein ganz tolles Team.

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Und dann habt ihr eure Idee via Facebook bekanntgegeben…
Ja genau. Letzte Woche habe ich einen Spendenaufruf über mein privates Facebook-Profil gestartet. Die Resonanz war riesig: Die Leute wollten uns Geld geben, andere kamen mit der eigenen Idee, ein Benefiz-Konzert zu organisieren, andere sicherten uns Kleiderspenden zu. Wir wurden regelrecht überrannt. Nun ist eine riesige Community entstanden. Das ist der Wahnsinn. Jetzt fahre ich von Basel nach Zürich um tonnenweise Material einzusammeln, von Leuten die ich gar nicht kenne. Diese riesige Empathie und Solidarität ist unglaublich. Die Leute bedanken sich und sind froh, dass jemand diese Sache anpackt. Sie wissen, dass sie da einem die Hand schütteln, der ihre Sachen persönlich in Budapest an Leute aushändigt, die diese Dinge sehr dringend brauchen können.

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Was ist der konkrete Plan mit all diesen Spenden?
Soeben haben wir eine Zusage von einer riesigen Lagerhalle bekommen, wo wir das Material hinbringen und sortieren können. Grosse Spielsachen können wir beispielsweise nicht mitnehmen. Die sortieren wir dann aus und veranstalten einen Flohmarkt, wo wir diese Sachen verkaufen. Den Erlös investieren wir natürlich auch gleich wieder in unser Projekt. Es ist nämlich so: Wir werden nicht nur mit drei Autos nach Budapest fahren, sondern mit einem ganzen Konvoi, also mit mindestens drei Kleintransportern, zwei Vans und einem Kombi. Wir brauchen dafür 12 Fahrer. Daneben werden uns zwei Journalisten und ein Kameramann, der einen Dokumentarfilm drehen wird, begleiten.

Eure Reise steht erst in einem knappen Monat an. Was werdet ihr bis dahin noch alles machen?
In Basel gibt es noch ein Benefiz-Konzert. Hier hat sich auch einfach jemand bei mir gemeldet und gesagt: Hey, ich komme aus dem Event-Bereich, das kann ich organisieren und das ist mein Beitrag! Heute haben wir erfahren, dass das Elle'n'Belle ein Sparschwein aufstellen wird. Für jeden verkauften Döner geht ein Franken in dieses Sparschweinchen.Ihr nehmt also auch Geldspenden an?Ursprünglich wollten wir das nicht. Nun hat unser Projekt aber andere Dimensionen angenommen. Schon nur das Benzin wird mehr als 3500 Franken kosten, da sind Verzollungskosten der ganzen Spenden noch nicht drin. Es kommt also ein grosser Batzen auf uns zu, den wir stemmen müssen. Deshalb nehmen wir jetzt auch Geldspenden an, damit das Material auch am richtigen Ort ankommt.

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Was kann man machen, wenn man euch noch unterstützen will? Welche Hilfe könnt ihr noch brauchen?
Einerseits kann man sehr, sehr gerne bei uns Spenden, man findet die Konto-Angaben auf unserer Homepage, die leider aber erst in ein paar Tagen online geht. Die meisten Infos findet man aber auch auf unserer Facebook-Seite. Wir müssen uns erst mal einen Überblick über die ganzen Sachspenden machen und alles ins Lager bringen. Jeden Tag bekommen wir weitere Nachrichten, dass Leute noch Kleidersäcke abzugeben haben, aber irgendwann müssen wir einen Stopp machen, weil wir noch gar nicht so viele Transporter haben, um alles mitzunehmen. Wenn jemand also einen Transporter hat, den er uns ausleihen würde, wäre das eine ganz grosse Hilfe. Es fehlen uns zudem noch drei Fahrer. Wenn jemand als Fahrer mitkommen will, dann wäre das genial. Wenn die Person noch einen Wagen hätte, wäre das noch toller. Einfach mit uns in Kontakt treten!

Was müssen die Leute mitbringen, die mit euch reisen wollen?
Wir werden lang unterwegs sein, mindestens 7 Stunden am Stück muss die Person fahren können. Wenn wir dann in Budapest sind, wird die Sache auch nicht ganz harmlos sein. Wir arbeiten dann mit Hilfswerken vor Ort und auch den Sicherheitsaspekt werden wir durchplanen müssen. Aber wir wissen jetzt natürlich noch nicht, wie die Situation dann vor Ort sein wird. Das kann schon sehr abenteuerlich werden. Man muss also auch ein bisschen belastbar sein und sollte sich nicht auf Friede, Freude, Eierkuchen einstellen.

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Macht ihr euch wegen der Ungarischen Regierung Sorgen?
Schon, da die Regierung der Flüchtlingsunterstützung ziemlich abgeneigt ist. Ich merke das persönlich, weil sie sich gegen NGOs wehren, vor allem wehren sie sich gerade gegen das Ungarische Rote Kreuz. Das macht alles sehr kompliziert. Wir wissen zum Beispiel nicht, wie leicht wir über die Grenze kommen und ob wir abgewiesen werden.

Wenn ihr euer Material in Budapest verteilt habt, sind eure Autos wieder leer. Bleiben sie das auf der Heimreise?
Flüchtlinge in die Schweiz mitzunehmen war ein instinktiver Impulsgedanke. Aber wir haben sehr schnell entschieden, dass wir dies nicht tun werden. Wir wollen etwas bewirken, aber wir wollen das im legalen Bereich machen. Wir wollen „Be aware and share" längerfristig vergrössern und noch weitere Projekte machen können. Wir wollen das nicht aufs Spiel setzen. Wir wollen uns die Finger nicht verbrennen, indem wir uns strafbar machen.

Das bedeutet, dass ihr im nächsten Monat ungemein viel Arbeit, aber auch viele Erlebnisse vor euch habt…
Wir haben ein riesiges Projekt vor uns. Wir wollen nicht mit leeren Wagen zurückkommen. Nach unserer Reise werden wir einen Abend in Basel und vielleicht auch in Zürich organisieren, wo wir unseren Film und eine kleine Präsentation über die Reise zeigen werden. Um das geht's mir nämlich: Ich will auch etwas von der Reise den Leuten in der Schweiz mitbringen. Ich will, dass die Leute hier sich etwas mehr Gedanken machen, dass wenn wieder etwas passiert, Menschen wieder aktiv werden. Dass, wenn ihnen etwas unter den Nägeln brennt, es eben nicht nur brennt, sondern sie es auch löschen.

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