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Drogen

Jeden Tag 4/20 – Wann wird Gras in der Schweiz legal?

Jeder 15. Schweizer kifft mehr oder minder regelmässig. Die Stimmen, die eine Legalisierung von Cannabis fordern, werden immer lauter.
Screenshot von YouTube

Heute feiert die Welt den 20. April, den weltweiten Tag der Kiffer und des Cannabis. Die Schweiz scheint angesichts der offiziellen Cannabis-Projekte, die in diversen Städten durchgeführt werden, einer Legalisierung immer näher zu kommen. Ist Kiffen also in der Schweiz also bald legal? Das zu beantworten ist etwas kompliziert.

Marihuana ist schon seit Jahrtausenden Teil der menschlichen Kultur. In China wurden mehr als 3000 Jahre alte Gräber gefunden, in denen Hanf als Grabbeigabe lag. Von den alten Ägyptern über das antike Griechenland und natürlich Indien bis in die Schweiz des 19. Jahrhunderts, wurde die Hanfpflanze für medizinische Zwecke, als Rauschmittel und als Faserlieferant genutzt.

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Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts rutschte Gras als Gegenstand internationaler juristischer Verhandlungen langsam in die Illegalität. Laut einem Bericht des Global Drug Policy Observatory sind Italiens Diplomaten mit der Unterstützung der Amerikaner hauptverantwortlich dafür, dass dem internationalen Opiumabkommen von 1912 auch indischer Hanf beigefügt wurde. Hier fand das Hanfverbot, das die Schweiz auch heute noch betrifft, seinen Urquell.

Foto von Diana Pfammatter

Das Global Drug Policy Observatory führt weiter aus, dass nach dem Ende der Alkoholprohibition der amerikanische Staat damit begann, die Verfolgung von Cannabis zu intensivieren. Eine Politik, die zu wesentlichen Teilen aus der Feder von Harry J. Anslinger, dem achten Sohn einer Schweizer Immigrantenfamilie, stammte.

Diese Bestrebungen gipfelten vorläufig im Jahr 1961 in der UN-Resolution mit dem Titel: „Single Convention on Narcotic Drugs". Diese Resolution wurde damals aufgrund internationaler Lobby-Arbeit der amerikanischen Diplomaten fast weltweit ratifiziert. Die Unterzeichnerstaaten sind verpflichtet, den Anbau, den Besitz und den Verkauf von Cannabis unter Strafe zu stellen. Zwar gab es nie ein Gutachten, das Marihuana als psychoaktive Substanz klassifizierte, nichtsdestotrotz wurde mit diesem Einheitsabkommen der Grundstein für das seither andauernde internationale Verbot von Cannabis gelegt.

Marihuana war auch in der Schweiz nicht immer illegal oder als Einstiegsdroge verschrien. Die THC-haltige Pflanze fand in der Schweiz bis 1951 vornehmlich in der Medizin Verwendung: Migräne, Schmerzen, Schlafprobleme und Asthma wurden beispielsweise mit Hanf behandelt. Ab 1951 trat in der Schweiz das Betäubungmittelgesetz in Kraft, unter das auch Cannabis fiel. Damit lag die Schweiz (in ihrem inzwischen üblich gewordenen vorauseilendem Gehorsam gegenüber der US-Aussenpolitik—man denke etwa an das Bankgeheimnis) noch zehn Jahre vor der internationalen UN-Resolution.

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In den folgenden Jahrzehnten passierte wenig Erwähnenswertes, ausser dass Gras mit der Hippie-Bewegung zur Lifestyle-Droge schlechthin avancierte. Es wurde derweil in der Schweiz bis heute—trotz einer 1975 eingeführten Verschärfung des Verbots—stets munter weiter gekifft. Die anhaltende Debatte über die Nutzbarkeit von Cannabis und die Idee einer Liberalisierung der Gesetzeslage, kam 1991 erneut ins Rollen, als die Schweizer Bauernzeitung den Anbau von Hanf aus ökologischen und ökonomischen Gründen empfahl.

Foto von Flickr | Sheri | CC BY SA 2.0

Diese Einstellung teilt der Bauernverband heute nicht mehr unbedingt. So erklärt mir Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband: „Aktuell ist nur der Anbau von Hanf mit einem THC-Wert von weniger als einem Prozent erlaubt. Dieser wird für Tees, als Kisseninhalt, für die Hanfbierproduktion oder andere Mini-Nischenprodukte verwendet. Nicht-Drogen-Hanf könnte auch als nachwachsender Rohstoff zum Beispiel für die Energiegewinnung in der Biogasanlage oder als Faserpflanze für Textilien genutzt werden. Dafür sind aber grosse Flächen und eine kostengünstige Produktion nötig, welche in der kleinen, teuren Schweiz chancenlos ist. Falls die Gesellschaft eine Legalisierung beschliessen würde, wovon wir aber ehrlich gesagt nicht ausgehen, dann gäbe es sicher Landwirte, welche diesen neuen Markt beliefern würden."

Es gibt aber auch Bauern in der Schweiz, die einer Legalisierung von Cannabis durchaus optimistisch entgegenblicken. Wie wir in der „Tagesschau" vom letzten Sonntag zu sehen bekamen, haben einige Bauern bereits bei ihrem Verband angefragt, welche Bedingungen sie zum Anbau von Drogenhanf erfüllen müssten.

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Ab 1992 durfte auch die Presse wieder straffrei über Konsummöglichkeiten oder den Hanfanbau berichten, was natürlich einer Diskussion um den Sinn und Unsinn eines Verbots erst echte Lebenschancen verlieh.

Die Schweizer Regierung tat sich aber nach wie vor schwer mit Cannabis. Der Bundesrat beschloss zwar im Jahr 2000 die Frage des Hanfanbaus im Rahmen der Betäubungsmittelgesetzesrevision zu regeln, diese Revision wurde aber vier Jahre später vom Parlament abgelehnt. Abgelehnt wurde auch die Hanfinitiative, die den Anbau, Besitz und Konsum von Hanf vollkommen straffrei machen wollte, zuerst 2006 vom Bundesrat (ohne Gegenvorschlag) und dann 2008 vom Volk.

Aber der Vorstoss war nicht vollständig umsonst. Angenommen wurde die Revision des Betäubungsmittelgesetzes und dank dieser gibt es ein Schlupfloch im eidgenössischen Cannabisgesetz: Die Forschung mit Cannabis ist heute mit einer Projekt-Genehmigung des BAG (Bundesamt für Gesundheit) erlaubt.

Die nächste Welle einer vernünftigen Hanfpolitik startete 2011 setzte sich zum Ziel, kleine Mengen Marihuana von weniger als zehn Gramm im Ordnungsbussenverfahren zu regeln. Dieses Bussenverfahren wurde 2013 implementiert. Seither zahlst du für ein konfisziertes Säcklein Gras noch 100 Franken Busse, also gleich viel wie für eine nicht angebrachte Parkkarte beim Parken in Zürichs blauer Zone. Ob das nun eine Liberalisierung der Cannabis-Politik bedeutet oder einfach, dass in Zürich die Parkbussen viel zu hoch sind, musst du für dich selbst entscheiden.

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Relevant ist die Einführung des Bussen-Verfahrens alleweil, da pro Jahr in knapp 38 000 Fällen Personen im Besitz von Marihuana einem Polizisten gegenüberstehen. Durch das Bussen-Verfahren ist Cannabis zwar nach wie vor illegal, aber es wird niemand deswegen vorbestraft und der Staat verdient sogar an seinen Kiffern, statt Unsummen für deren Verfolgung aus dem Fenster zu werfen.

Dieses Jahr will die Forschung den nächsten Schritt tun. Bereits 2014 haben vier (links regierte) Städte angekündigt, soziale Experimente mit der Alltagsdroge durchzuführen: Zürich, Bern, Genf und Basel wollen sich den 2008 durchgesetzten Passus der bedingten Legalität wissenschaftlicher Forschung zunutze machen und haben Projekte für eine regulierte Abgabe von Cannabis kreiert.

Die Stadt Zürich konzentriert sich bei ihrem Projektplan auf junge, straffällige Personen, Genf will Cannabis-Clubs ins Leben rufen und Bern prüft die Abgabe via Apotheken. Alle vier Projekte wollen der—mitunter teuren und kontraproduktiven—Kriminalisierung entgegenwirken und präventiv wirken. Der Genfer Soziologieprofessor Sandro Cattacin, der die Projekte koordiniert, erläutert gegenüber SRF: „Wir wollen die Dealer vertreiben, indem wir ihnen die Kunden wegnehmen—und den Konsumierenden ermöglichen, straffrei zu ihrem Cannabis kommen. Justiz und Polizei werden so vom bürokratischen Leerlauf befreit, die harmlosen Gelegenheitskiffer büssen zu müssen."

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Foto vom Autor

Neben diesen sozialen Experimenten existieren in der Schweiz bereits Firmen, wie etwa die St. Galler Ai Fame, die seit Jahren Hanf-Forschung zu medizinischen Zwecken betreiben und gerade auf dem Gebiet der Linderung chronischer Schmerzen Erfolge erzielt haben. Heute, am internationalen Feiertag der Kiffer, sieht es also gar nicht so schlecht aus für eine Legalisierung von Cannabis aus—mag man annehmen.

Diese Annahme ist aber leider etwas gar optimistisch, wie mir Thomas Widmer, Professor am politikwissenschaftlichen Institut der Universität Zürich, auf Anfrage zu einem Ausblick auf die Gesetzeslage in vier Jahren erläutert: „Derzeit ist eine allgemeine Legalisierung von Cannabis nicht absehbar, wobei noch genauer zu definieren wäre, was mit Legalisierung gemeint ist—ob Konsum, Besitz, Handel, Anbau oder bedingter Zugang mit Konzession, Rezeptpflicht oder unbedingter Zugang für alle et cetera. Möglicherweise könnten im Zeithorizont von vier Jahren die von einigen Städten (Genf, Zürich, aber auch Basel und Bern) angestrebten Pilotprojekte Realität werden, welche zur Untersuchung der Legalisierungsfolgen dienen sollen. Meines Wissens sind die Gesuche aber noch nicht beim BAG eingereicht worden."

Trotz den Schritten in Richtung Legalisierung auf lokaler Ebene dürfte es demnach bis zu einer liberalen Regelung auf nationaler Ebene noch andauern. Nichtsdestotrotz: Allen Ganja-Jüngern einen fröhlichen 20. April!

Till kann man auch auf Twitter einen fröhlichen 4/20 wünschen: @Trippmann

VICE Schweiz auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelbild: Screenshot von YouTube