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Popkultur

Wie ein Mann auf einen Baum kletterte und so zum Internet-Helden wurde

Ein mysteriöser Mann kletterte in die Krone eines knapp 25 Meter hohen Baums, schrie Obszönitäten, verrichtete sein Geschäft und warf Äpfel und Tannenzapfen auf die Polizei. #ManInTree war geboren.

Der #ManInTree | Foto: imago | ZUMA Press

Manchmal fühlt sich das Leben wie ein schier aussichtsloser Kampf an. Ich meine, wir haben zwar Netflix, Smartphones und das Internet, aber irgendwie wird unser Leid dadurch nur noch schlimmer. Wenn es uns schon möglich ist, unsere Lieblingsserie sogar in der U-Bahn auf einem kleinen Bildschirm anzuschauen, warum können wir dann nichts gegen die zermürbende Armut und Verzweiflung tun? Irgendwie kann man es förmlich spüren, dass irgendjemand etwas unternehmen wird, aber wer oder was das genau ist, bleibt unklar. Wenn man sich zu lange mit diesem Gedanken beschäftigt, dann wird man nur mit einer ungezügelten Wut erfüllt, die einen letztendlich auch nicht weiterbringt. Durch diese Wut könnte man einfach nur einen Baum hochklettern und dabei Dinge herumschreien, die kein Mensch versteht. Und jetzt kommt der Twist: In der Innenstadt von Seattle hat ein junger Mann nämlich genau das getan!

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Laut dem lokalen Nachrichtensender KIRO 7 begann der Mann vergangenen Dienstag um 11:00 Uhr Ortszeit damit, den knapp 25 Meter hohen Mammutbaum mitten in Seattle hochzuklettern. Niemand schien zu wissen, wer er war, warum er das Ganze tat und (wohl am wichtigsten) wie man ihn da wieder runterbekommen konnte. Zwar versuchten Polizisten auch mehrmals, mit dem Kletterer zu kommunizieren, aber der bewarf die Beamten daraufhin einfach mit Äpfeln. Als sein Apfelvorrat schließlich aufgebraucht war, bediente er sich an den Ästen und Tannenzapfen des Baums. Der Seattle Times zufolge rief er dabei: „Wie viel Steuergelder wollt ihr noch verschwenden? Das hier ist kein Notfall!"

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Ab und an gab es auch Obszönitäten zu hören, man konnte den Klettermax beim Schnitzen beobachten und er ließ dazu noch die Hosen runter. Zudem baute er sich aus Zweigen eine Art Nest und trotzte so der Kälte, dem Regen und dem peitschenden Wind. Augenzeugen zufolge hat er in der Baumkrone außerdem ein großes Geschäft verrichtet. Wie KIRO 7 berichtete, versuchte eine Frau am Mittwochmorgen, den Mann vom Baum zu locken, indem sie anbot, mit ihm zu knutschen. Daraufhin begann der sogar seinen Abstieg, bekam dann jedoch Angst und kletterte wieder nach oben.

Nach über 24 Stunden in luftigen Höhen entschied sich der Mann dann schließlich freiwillig dazu, sein Nest zu verlassen und wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren. Dort verputzte er dann erstmal die ganzen Snacks, die man ihm am Fuße des Baums hinterlassen hatte, und wurde anschließend ins Krankenhaus gebracht.

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DEVELOPING: Seattle's — Mashable News (@MashableNews)23. März 2016

Derweilen hatte sich bereits ein richtiger Kult um den starrköpfigen Kletterer gebildet: Schaulustige versammelten sich in Scharen um den Baum, es wurden unzählige Fotos gemacht und die Menschen machten keinen Hehl um ihre Unterstützung für den Mann und dessen Vorgehen. Kurzzeitig wurde sogar ein Livestream eingerichtet. Auch wenn seine genauen Beweggründe unklar waren, konnte man trotzdem irgendwie verstehen, was den Typen da antrieb. Es hatte fast den Anschein, als hätte er die ganze Wut und Nutzlosigkeit des Seins gebündelt, sich komplett darin verloren und dann einen Baum bestiegen. Der Hashtag #ManInTree wurde schnell ins Leben gerufen und man kann auch schon mindestens ein T-Shirt zu der Aktion kaufen. Zwar verstehen die Menschen die Botschaft des Kletterers nicht, aber stellen sich dennoch an seine Seite, denn er ist wütend, zeigte Durchhaltevermögen und weigerte sich, auf die Behörden zu hören. Irgendwie hat man das Gefühl, dass er die Dinge aussprach, die man selbst nicht aussprechen kann—und das, obwohl man eigentlich gar keine Ahnung hatte, was er da eigentlich von sich gab. Auf gewisse Art und Weise erinnert er damit an einen von Seattles anderen beliebten Einzelgängern: Kurt Cobain.

— Damien Glitch (@DamienKIRO7)23. März 2016

Zwar weißt niemand, wer der Mann überhaupt ist (und in den Social-Media-Netzwerken werden Menschen oft zu Memes reduziert), aber sein Verhalten deutet darauf hin, dass es sich bei ihm um einen von Seattles vielen Obdachlosen mit psychischen Störungen handelt. Phoenix Jones, der Real-Life-Superheld der US-Westküstenmetropole (Superhelden gibt es anscheinend nicht nur in Montreal), meint in einem Twitter-Video jedoch, dass er den Kletterer kennen würde und auch versucht hätte, ihm Zigaretten und Bier zu bringen („Genau das braucht er gerade"), die Polizei ihn dabei jedoch nicht zum Baum durchlassen wollte.

„Ein Sandwich, eine Zigarette oder ein Bier können diesen Mann tatsächlich davon abhalten, gegenüber anderen Menschen gewalttätig zu werden", schrieb Phoenix dann später. „Er ist nicht kriminell, sondern psychisch krank. Und so lange wir ihn nicht als einen Freund betrachten, der krank ist und Hilfe benötigt, werden wir dieses Problem wohl leider niemals lösen."